Werbung

Nachricht vom 10.02.2022    

Bänderriss im Samba-Zug - Wer haftet?

Wer haftet, wenn ein Fahrgast in einem Partywagen der Bahn bei einer Vollbremsung stürzt? Mit dieser Frage hatte sich die 3. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz auseinanderzusetzen.

Symbolfoto

Der Sachverhalt
Koblenz.
Die Beklagte zu 1) bietet mit einem Sonderzug samt Partywagen Eisenbahnfahrten an; die Beklagte zu 2) betreibt das dabei genutzte Schienennetz. Am 2. November 2018 befand sich der Party-Zug auf der Bahnstrecke zwischen den Orten K. und L., als er durch eine technische Einrichtung plötzlich zwangsgebremst wurde.

Die Klägerin behauptete, sie habe sich im „Samba-Wagen“ auf der Tanzfläche befunden, als der Zug abrupt gebremst habe. Sie sei von stürzenden Mitreisenden zu Boden gerissen worden, wobei sie sich einen Innenbandanriss im Knie zugezogen habe. Die Klägerin verlangte von den beiden Bahnunternehmen ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro und die Erstattung ihr entstandener Kosten.

Das Schienenunternehmen wies die Verantwortung von sich, weil die automatische Bremsung durch ein Sicherheitssystem ausgelöst worden sei, als der Zug ein Haltesignal überfahren habe. Der Zugbetreiber wiederum behauptete, die Zwangsbremsung sei durch den Defekt eines zum Schienennetz gehörenden Impulsgebers ausgelöst worden, so dass der Schienennetzbetreiber allein hafte. Außerdem, so die Beklagten, müsse die Klägerin beweisen, dass sich der Sturz so zugetragen habe wie von ihr geschildert. Schließlich trage sie eine Mitschuld, weil sie Alkohol konsumiert und sich nicht festgehalten habe.

Die Entscheidung
Die 3. Zivilkammer hat die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, ein Schmerzensgeld von 4.000 Euro an die Klägerin zu bezahlen und die ihr entstandenen Kosten zu erstatten.



WW-Kurier Newsletter: So sind Sie immer bestens informiert

Täglich um 20 Uhr kostenlos die aktuellsten Nachrichten, Veranstaltungen und Stellenangebote der Region bequem ins Postfach.

Nach der Beweisaufnahme stehe fest, dass die Klägerin tatsächlich nach einer plötzlichen Bremsung im „Samba-Wagen“ auf der Tanzfläche gestürzt sei und sich dabei verletzt habe. Dieser Sturz stelle einen von § 1 Haftpflichtgesetz erfassten Bahn-Betriebsunfall dar.

Auf die Frage, warum eine Zwangsbremsung ausgelöst worden sei, komme es – so das Gericht weiter – im Schadensersatzprozess der Klägerin nicht an. Beide Unternehmen seien als Bahnbetriebsunternehmer im Sinne des Haftpflichtgesetzes anzusehen und hafteten der Klägerin gemeinsam. Die rechtliche Trennung von Zugbetreiber auf der einen und Schienenbetreiber auf der anderen Seite dürfe nämlich nicht dazu führen, dass der bei einem Unfall geschädigte Bahnreisende feststellen müsse, welcher Betriebsteil für einen Unfall die Verantwortung trage. Diese Frage betreffe ausschließlich die interne Haftungsverteilung zwischen den beiden Bahnunternehmen.

Ein Mitverschulden müsse sich die Klägerin nicht entgegenhalten lassen. Fahrgästen, die sich in dem für Feiern eingerichteten Wagen auf der Tanzfläche aufhielten, könne man nicht vorwerfen, sich nicht festgehalten zu haben, zumal es keine Haltemöglichkeiten gegeben habe. Auch der Alkoholkonsum mindere den Anspruch der Klägerin nicht, weil er für den Sturz nicht ursächlich gewesen sei. Die Zwangsbremsung stelle im Übrigen auch keinen Fall „höherer Gewalt“ dar, der die Haftung der Beklagten ausschließe.
Urteil vom 20. Januar 2022, Az. 3 O 325/20 (nicht rechtskräftig)



Lesen Sie gerne und oft unsere Artikel? Dann helfen Sie uns und unterstützen Sie unsere journalistische Arbeit im Westerwaldkreis mit einer einmaligen Spende über PayPal oder einem monatlichen Unterstützer-Abo über unseren Partner Steady. Nur durch Ihre Mithilfe können wir weiterhin eine ausgiebige Berichterstattung garantieren. Vielen Dank! Mehr Infos.




Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus der Region


Zwei Brände im ehemaligen Hotel Kannenbäckerland in Ransbach-Baumbach

Ransbach-Baumbach. Das einstige Hotel Kannenbäckerland in Ransbach-Baumbach wurde am Wochenende gleich zweimal von Flammen ...

Schwerer Verkehrsunfall auf der A3: Ein Toter und sechs Verletzte

Montabaur. Gegen 4.44 Uhr fuhr ein Pkw Ford am Sonntag die A 3 entlang, als der Fahrer nach links von der Fahrbahn abkam ...

Ministerrat beschließt Änderungen im Ehrensoldgesetz

Region. Der Ministerrat hat Innenminister Michael Eblings Vorschlag zugestimmt, das Ehrensoldgesetz zu ändern. Ziel ist es, ...

"Motorradtage 2024" im Stöffel-Park - Ein Festival für Zweiräder

Enspel. Die "Motorrad-Reise-Freunde Westerwald e.V." sind ein eingetragener Verein, dem sogar vom Amtsgericht Montabaur die ...

Riskantes Überholmanöver in Rennerod: Fußgänger und Hund entgehen knapp einer Kollision

Rennerod. Auf der Hauptstraße in Rennerod kam es am Nachmittag des 12. Mai 2024 zu einer Gefährdung eines Fußgängers durch ...

Brand in einer Lagerhalle: Entdeckung verhindert Katastrophe in Wirges

Wirges. Die Polizeidirektion Montabaur berichtete über einen Brand, der am Samstag (18. Mai) gegen 4 Uhr morgens, in einer ...

Weitere Artikel


Charlotte Candrix - mit dem Bob aus dem Westerwald zur Meisterschaft

Hachenburg. Schnell ist sie unterwegs, sogar ganze 130 Kilometer pro Stunde schnell. Und die verblüffende Schnelligkeit liegt ...

Rehe: Rücksichtsloses Überholen führte beinahe zu Frontal-Crash mit Streifenwagen

Rehe/Hellenhahn-Schellenberg. Am 9. Februar, gegen 21.30 Uhr, kam es auf der B 255 zwischen Rehe und Hellenhahn-Schellenberg ...

Jugendgericht Montabaur schickt "Kiffer" in den Jugendarrest

Montabaur. Ingo Buss, Jugendrichter beim Amtsgericht Montabaur, konnte es selbst kaum glauben, als der 18-jährige Angeklagte ...

112: Twittergewitter bei Deutschlands Berufsfeuerwehren

Koblenz. Die Aktion findet bereits zum vierten Mal statt. Wieder nehmen mehr als 50 Berufsfeuerwehren daran teil und berichten ...

Notruftag für die 112 am 11. Februar : Qualifizierte Hilfe am anderen Ende der Leitung

Region / Berlin. „Rufen Sie die Feuerwehren direkt über 112 an, um qualifizierte Hilfe am anderen Ende der Leitung zu haben! ...

Schulbau in Ruanda: Mit Landrat Enders auf Spendenwanderung

Altenkirchen. Die Grundschule wird im Westen des Landes in Gataka im Bezirk Karongi entstehen. Neben verschiedenen Einzelspendern ...

Werbung