Werbung

Pressemitteilung vom 06.05.2022    

Herzinfarkt kurz vor dem Ruhestand: Jugendpfarrer wird plötzlich ausgebremst

Wie eine Krankheit Werner Schleifenbaums Pläne auf den Kopf stellte. Nach dem Herzinfarkt folgt nun die langsame Rückkehr in den Job.

Foto: Werner Schleifenbaum. Quelle: Evangelisches Dekanat Westerwald

Westerburg. Werner Schleifenbaum ist seit mehreren Jahrzehnten einer der Charakterköpfe der Evangelischen Kirche im Westerwald. Er ist Mitbegründer der Jugendkirche "Way to J", hat unter anderem die Gottesdienste im Herschbacher Fitnessstudio ins Leben gerufen und organisiert mit den jungen Leuten immer wieder außergewöhnliche Aktionen in Kirche und Gesellschaft. Ein Typ mit vielen Ideen, der bis zu seinem Ruhestand im Herbst 2022 noch einiges vorhatte: noch einmal neue und andere Jugendliche begeistern, die Übergabe der Jugendkirche an die nächste Generation vorbereiten, solche Dinge. Doch 2019 kommt alles anders. Ein Herzinfarkt bremst den umtriebigen Pfarrer aus. Nun kehrt Schleifenbaum in den Beruf zurück und möchte seinen Dienst im Dekanat abrunden – wenn auch anders, als er es sich vorgestellt hatte.

An dieses seltsame Jahr 2019 erinnert sich Schleifenbaum gut. Es ist ein Jahr des Umbruchs. Das Evangelische Dekanat Westerwald – also der Kirchenkreis, in dem der Pfarrer tätig ist – verlegt seinen Dienstsitz von Selters nach Westerburg. Für die Jugendkirche, die Schleifenbaum betreut, ist das eine neue Situation. Denn in dem alten Verwaltungsgebäude befindet sich auch der Jugendraum, in dem sich die jungen Leute jede Wochen treffen. Werner Schleifenbaum sucht mit mehreren Mitstreitern verzweifelt nach einer neuen Bleibe für die Jugend – vergeblich. Dass die Jugendlichen ihren Raum letztlich behalten werden, wissen sie damals noch nicht. Hinzu kommt das neue landeskirchliche Projekt "Perspektive 2025", das 2019 anläuft und eine "Jugendkirche mit anderen" im ländlichen Raum etablieren will. Ein spannendes Ziel findet Schleifenbaum auch heute noch. Aber er weiß, dass er sich damals überfordert hat.

"Die ständige Suche nach einem Jugendraum, das landeskirchliche Projekt … ich habe zu viel gleichzeitig gemacht und dabei nicht mehr die Zeit gehabt für die, um die es geht: die Jugendlichen", sagt er im Rückblick. "Ich war nicht mehr so präsent in den Teamtreffen, womit ich mich zusätzlich unter Druck gesetzt habe." Heute würde er einige Dinge anders tun. "Manche Aufgaben hätte ich die Jugendlichen nicht allein machen lassen sollen. Zum Beispiel, als sie den Gottesdienst zum Reformationstag geplant haben. Denn der war für das Team ziemlich frustrierend."

Der Gottesdienst am 31. Oktober 2019 ist ein weiterer Stolperstein, der Schleifenbaum aus dem Takt bringt. Am 3. Dezember meldet sich sein Körper sehr deutlich zu Wort: Schleifenbaum hat einen Herzinfarkt. In den nächsten Wochen erlebt er zwei Operationen und eine fünfwöchige Reha. Und dann kam Corona. "Mein Hausarzt sagte damals mir klipp und klar, dass ich so lange krankgeschrieben bin, bis es die Pandemie in Deutschland nicht mehr gibt", erzählt er. Der übertaktete Jugendpfarrer ist plötzlich auf Standby. Drei Jahre vor seinem Ruhestand.



In der Reha wird er psychologisch betreut und arbeitet die letzten Berufsjahre auf. "Mir ist noch einmal neu klar geworden, dass der Kontakt mit den Jugendlichen und die Arbeit im Team das Wichtigste ist", glaubt er. "Durch das Zusammensein mit ihnen haben sich viele meiner Einstellungen verändert, und ich sehe einiges anders als während meiner Zeit als Gemeindepfarrer."

Das hilft ihm, Dinge auch loslassen zu können. Während er noch krankgeschrieben ist, wird die bereits gemischt-konfessionelle Jugendkirche nun auch offiziell ökumenisch und Dekanatsjugendreferent Marco Herrlich betreut mit dem katholischen Pastoralreferenten Stefan Ley die jungen Leute. Für Schleifenbaum ist das rückblickend völlig in Ordnung. Mehr noch: Er ist dankbar für die 15 Jahre in der Jugendkirche und heilfroh über seine beiden Nachfolger bei "Way to J": "Es fällt mir nicht schwer, mich von der Jugendkirche zurückzuziehen. Ich habe das gemacht, was möglich war, und nun liegt es nicht mehr in meiner Hand."

Eines ist dem Jugendpfarrer dennoch wichtig: Er möchte nicht aus der Krankheit heraus in den Ruhestand gehen. Deshalb beginnt jetzt seine Wiedereingliederung, die sich langsam auf 100 Prozent steigert. Nur die Schwerpunkte setzt Schleifenbaum während seiner letzten Monate im Beruf neu. "Ich mische mich sicher nicht in Dinge ein, für die schon andere verantwortlich sind", sagt er mit Blick auf die Jugendkirche und freut sich, dass es dort so gut läuft. Zurzeit baut er Kontakt zu einigen jungen Geflüchteten aus der Ukraine auf, die in der Region leben. Außerdem beschäftigt er sich mit Fragen nach Gottes Schöpfung und betreut nach wie vor das von ihm initiierte Insektenhotel-Projekt: "Das ist eine Kooperation mit dem Naturschutzbund, der Kommune, der Kirche, Kitas, einer lokalen Firma und vielen anderen", erzählt er. "Bislang haben wir 250 spendenfinanzierte Insektenhotels in der Region aufgestellt und Blühstreifen angelegt. Und es werden noch mehr", kündigt er an. Denn noch ist er ja nicht im Ruhestand. Noch gibt es, einiges zu tun. (bon)


Mehr dazu:   Kirche & Religion  
Lokales: Westerburg & Umgebung

Jetzt Fan der WW-Kurier.de Lokalausgabe Westerburg auf Facebook werden!


Anmeldung zum WW-Kurier Newsletter


Mit unserem kostenlosen Newsletter erhalten Sie täglich einen Überblick über die aktuellen Nachrichten aus dem Westerwaldkreis.

» zur Anmeldung



Aktuelle Artikel aus der Region


Zwei Brände im ehemaligen Hotel Kannenbäckerland in Ransbach-Baumbach

Ransbach-Baumbach. Das einstige Hotel Kannenbäckerland in Ransbach-Baumbach wurde am Wochenende gleich zweimal von Flammen ...

Schwerer Verkehrsunfall auf der A3: Ein Toter und sechs Verletzte

Montabaur. Gegen 4.44 Uhr fuhr ein Pkw Ford am Sonntag die A 3 entlang, als der Fahrer nach links von der Fahrbahn abkam ...

Ministerrat beschließt Änderungen im Ehrensoldgesetz

Region. Der Ministerrat hat Innenminister Michael Eblings Vorschlag zugestimmt, das Ehrensoldgesetz zu ändern. Ziel ist es, ...

"Motorradtage 2024" im Stöffel-Park - Ein Festival für Zweiräder

Enspel. Die "Motorrad-Reise-Freunde Westerwald e.V." sind ein eingetragener Verein, dem sogar vom Amtsgericht Montabaur die ...

Riskantes Überholmanöver in Rennerod: Fußgänger und Hund entgehen knapp einer Kollision

Rennerod. Auf der Hauptstraße in Rennerod kam es am Nachmittag des 12. Mai 2024 zu einer Gefährdung eines Fußgängers durch ...

Brand in einer Lagerhalle: Entdeckung verhindert Katastrophe in Wirges

Wirges. Die Polizeidirektion Montabaur berichtete über einen Brand, der am Samstag (18. Mai) gegen 4 Uhr morgens, in einer ...

Weitere Artikel


Christdemokraten unterstützen Anliegen der heimischen Landwirtschaft

Westerwaldkreis. Die CDU-Kreistagsfraktion setzt ihre Impulse-Gespräche mit wichtigen gesellschaftlichen Gruppen nun wieder ...

Kita-Kinder pflanzen Kräuter und Gemüse für die eigene Küche

Linz. Weil man damit nicht früh genug beginnen kann, lässt auch die Linzer Kindertagesstätte „Hummelnest“ die Kleinen in ...

Länderübergreifende Polizeikontrollen auf BAB 3 bei Heiligenroth

Koblenz. Bei den Kontrollen arbeiteten eine Vielzahl von zivilen Fahndungskräften aus verschiedenen Polizeidienststellen ...

Verkehrsunfall mit zwei Verletzten

Meudt. Am Donnerstag, 5. Mai, gegen 18.10 Uhr, befuhr eine 84-jährige Fahrerin eines Pkw die L315 aus Berod kommend und beabsichtigte ...

"Wir Forsten auf" geht weiter: Ziel, 100.000 Bäume im Westerwald und Region pflanzen

Westerwaldkreis/Region. Mit dem Start in die zweite Runde zum Thema Baumpatenschaft eröffnet der Verein zudem gemeinsam mit ...

Verbandsgemeinde Montabaur tauscht sich mit Bürgern zum Thema Klimaschutz vor Ort aus

Montabaur. Rund 50 Teilnehmer folgten der öffentlichen Einladung der Verbandsgemeinde (VG) und nahmen an der Auftaktveranstaltung ...

Werbung