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Nachricht vom 22.03.2021    

Prozess: Mit 2,88 Promille in den Gegenverkehr - Familienvater starb

Das Amtsgericht Montabaur hatte unter dem Vorsitz von Richter am Amtsgericht Ingo Buss eine Tat zu verhandeln, die zunächst als fahrlässige Tötung, in Verbindung mit fahrlässiger Körperverletzung gemäß Paragraphen 222, 229 Strafgesetzbuch seitens der Staatsanwaltschaft Koblenz angeklagt war.

Archivfoto vom Unfall: Klaus-Dieter Häring

Montabaur. Fürchterlicher Unfall mit schrecklichen Folgen
Dem Angeklagten, der die usbekische Staatsangehörigkeit besitzt, wird vorgeworfen, am 24. August 2019 fahrlässig den Tod eines Menschen verursacht zu haben sowie sich der fahrlässigen Körperverletzung in mehreren Fällen schuldig gemacht zu haben. Erheblich beeinträchtig durch übermäßigen Alkoholkonsum sowie Drogenkonsum durch Rauchen von Cannabis, befuhr der Angeklagte die L318 von Großholbach kommend in Richtung Montabaur. In der Senke auf dieser Strecke, „Hermolder“ genannt, geriet der Angeklagte in einer leichten Rechtskurve in den Gegenverkehr und prallte ungebremst auf das Auto einer Familie, in welchem die Eltern mit zwei Kindern saßen. Die Ehefrau war Fahrerin, der Ehemann saß angeschnallt auf der Rückbank. Durch die Wucht des Aufpralls wurde der Familienvater leider so schwer verletzt, dass er noch an der Unfallstelle seinen schweren Verletzungen erlag. Die anderen Geschädigten, auch der Unfallverursacher, wurden ebenfalls schwer verletzt.

Vor Eintritt in die Beweisaufnahme erklärte Richter Buss, dass im Vorfeld der Hauptverhandlung keine Erörterungen zur Herbeiführung einer tatsächlichen Verständigung (unjuristisch auch „Deal“ genannt) stattgefunden haben. Weiter erteilte der Vorsitzende Richter den rechtlichen Hinweis, dass auch eine Verurteilung gemäß Paragraph 323c StGB wegen Vollrauschs in Betracht kommen kann. Die entsprechende Vorschrift wurde verlesen, es wurde keine Vertagung nach dem rechtlichen Hinweis beantragt.

Unfallverursacher war so „besoffen“, dass er keine Erinnerung mehr hat
Rechtsanwalt Opper ließ sich für den Angeklagten dahingehend ein, dass der Angeklagte ein massives Drogen- und Alkoholproblem gehabt habe. Die Trennung von seiner Frau, mit dem Verlust des Arbeitsplatzes einhergehend, habe die Situation verschlimmert. Nach einem verbalen Streit mit seiner damaligen Ehefrau sei er am Vorabend des Unfalls in seine Garage gegangen, dort habe er sich regelrecht „besoffen“, dazu habe er drei bis vier Joints geraucht. Am nächsten Morgen habe er noch Restalkohol gehabt, zudem starke Kopfschmerzen, trotzdem sei er nachmittags zu seinem Cousin nach Kölbingen gefahren. Vorsichtshalber habe der Angeklagte für seinen Cousin eine Kiste Bier mit 24 Flaschen á 0,33 Liter mitgenommen, er selbst habe einige Flaschen Bier á 0,5 Liter als Durstlöscher mitgebracht. Ob der Angeklagte während des Trinkens in Kölbingen Cannabis konsumiert habe, könne nicht gesagt werden, da er sämtliche Erinnerung an das Geschehen vor dem Unfall und auch danach, verloren habe. Rechtsanwalt Opper: „Der Angeklagte bedauert zutiefst, was geschehen ist.“

Nunmehr wurde die Nebenklägerin, die Ehefrau des Getöteten als Zeugin vernommen. Der Richter fragte fürsorglich nach, ob sie sich psychisch in der Lage sehe, eine Aussage zu tätigen. Die Zeugin, die in Begleitung von Verwandten sowie einer Psychologin erschien, bejahte die Frage des Richters, auch weil ihr die Aussage bei der Bewältigung und Verarbeitung des Unfalls helfen könnte. Es war tief beeindruckend, wie die Zeugin versuchte Ruhe zu bewahren und sachlich auszusagen. Ihre Emotionen kaum mehr zurückhaltend, erklärte die Zeugin: „Ich war Fahrerin, das Auto kam in der Senke plötzlich auf mich zugefahren, ich hatte keine Chance auszuweichen und wir knallten fast frontal aufeinander. Die Situation im Auto war fürchterlich, Schock und Schmerzen und die Sorge um meine Kinder und meinen Mann. Meine Kinder und ich wurden aus dem Auto gezogen, mein Mann starb wohl auf der Rückbank, ich glaubte, seinen letzten Atemzug zu hören. Mein Mann und ich waren 28 Jahre zusammen, davon 20 Jahre verheiratet. Die ganze Familie leidet auch heute noch extrem unter dem Geschehen. Ich bin in psychiatrischer Behandlung, meine Tochter hat große physische und psychische Probleme, sie hat Narben am Körper, die bleiben und eine Verletzung an der Wirbelsäule, die sie zeitlebens begleiten wird. Mein Mann hat als Maschinenbauingenieur gut verdient, deshalb leben wir zurzeit von der Witwenrente.“



Im Anschluss wurden die Zeugen sowie die Sachverständigen gehört
Der Cousin, bei dem das „Saufgelage“ stattgefunden hat, hatte nicht viel zu sagen. Er berief sich immer wieder auf Erinnerungslücken wegen des Alkohols. „Ich war so betrunken, dass ich mich an nix erinnern kann“, war immer wieder zu hören. Ein am Unfallort anwesender Polizeibeamter erinnerte sich, dass im Auto des Verursachers mehrere Bierflaschen im ganzen Auto verstreut gelegen hätten, auch habe es stark nach Alkohol gerochen.

Der Sachverständige (SV) von der Rechtsmedizin der Uni Mainz erklärte, dass die Blut-Alkohol-Konzentration (BAK) einen Mittelwert von 2,42 Promille zum Zeitpunkt der Blutentnahme ergeben habe. Bei der Rückrechnung auf den Unfallzeitpunkt habe die BAK bei maximal 2,88 Promille gelegen. Die toxikologische Untersuchung des Blutes ergab zudem eine Aufnahme von THC kurz vor dem Unfall. Der neurologische Sachverständige kam zu dem Schluss, dass eine Unterbringung gemäß Paragraph 64 StGB nicht erforderlich sei, er bejahte aber die Anwendung des Paragraphen 21 StGB (verminderte Schuldfähigkeit). Der Vorsitzende stellte noch fest, dass das DEKRA-Unfallgutachten berechnet hatte, das die Zusammenstoßgeschwindigkeit beim Angeklagten zwischen 65 und 70 km/Stunde betragen hat, und bei den Geschädigten zwischen 40 und 50 Stundenkilometern.

Plädoyers der Prozessbeteiligten
Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragte wegen fahrlässigen Vollrauschs eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren sowie weitere Sperrfrist zur Erteilung einer Fahrerlaubnis von drei Monaten. Der Vertreter der Nebenklage hielt ein sehr emotionales Plädoyer und schloss sich letztendlich dem Antrag der Staatsanwaltschaft Koblenz an. Rechtsanwalt Opper beantragte eine Freiheitsstrafe, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann, weil der Angeklagte seit Monaten abstinent lebe, zudem eine Arbeitsstelle als Staplerfahrer habe. Der Angeklagte erklärte in seinem letzten Wort lapidar: „Tut mir leid, was passiert ist.“

Richter Ingo Buss verkündete dann das Urteil: Der Angeklagte wird wegen vorsätzlichen Vollrauschs im Zustand der verminderten Schuldfähigkeit zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Die Fahrerlaubnis wird für weitere drei Monate entzogen. Zur Begründung des Urteils führte Richter Buss aus, dass er den vorsätzlichen Vollrausch angenommen hat, da der Angeklagte für sich und seinen Cousin Alkohol mitgenommen habe, um in Kölbingen „weiterzusaufen“. Restalkohol, inklusive „Kater“ plus neuen Alkohol ergibt den vorsätzlichen Vollrausch, so lautet die Gleichung. Eine Aussetzung der Freiheitsstrafe zur Bewährung kam für das Gericht nicht in Frage, da eine Verurteilung zur Bewährung der Verteidigung der Rechtsordnung widersprochen hätte, weil jeder „normale“ Bürger nicht verstehen würde, warum der Angeklagte unter den gegebenen Umständen nicht eine Freiheitsstrafe verwirkt hätte, die er auch verbüßen muss.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da keine Erklärungen abgegeben wurden.
Wolfgang Rabsch


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