Handwerk geht in Praktikumsoffensive
Neue Internetseite www.jazubi.eu mit Anmeldeplattform für Praktikanten zur Aktion „Eine Woche – Deine Chance“ in den Osterferien.
Koblenz. Nichts geht über praktische Erfahrungen – das sagen sowohl Ausbildungsbetriebe wie auch Jugendliche im Vorfeld eines Lehrverhältnisses. Das Zauberwort lautet „Praktikum“. Doch in den vergangenen Monaten gab es hierbei Corona-bedingt einen starken Rückgang. In der Folge sanken auch die Ausbildungszahlen. Zum Jahresende 2021 wies die Lehrstellenstatistik der Handwerkskammer (HwK) Koblenz ein Minus von fast neun Prozent aus. 2.868 Jugendliche entschieden sich 2020 für eine handwerkliche Ausbildung.
Corona wirkt nach wie vor negativ in weite Teile der Wirtschaft hinein – auch wenn das mit den betrieblichen Abläufen selbst gar nicht unmittelbar in Verbindung stehen muss. So beim wichtigen Thema Ausbildung. Die Verunsicherung unter den Jugendlichen und ihren Familien ist spürbar. Wie geht es nach der Schule weiter? Studium mit Online-Vorlesungen, Ausbildung mit Kontakteinschränkungen, freiwilliges Jahr oder eine Extrarunde in der schulischen Bildung als Zwischenlösung? „Hier setzen wir ein Signal und wollen die Wege hinein in die Betriebe pro-aktiv mitgestalten und Corona-konform öffnen“, beantwortet die HwK-Spitze diese wichtige Frage. „Denn noch ein Corona-Jahr als Hängepartie für lehrlingssuchende Betriebe können wir uns schlicht nicht leisten“, stellen Präsident Kurt Krautscheid und Hauptgeschäftsführer Ralf Hellrich klar.
So hat die HwK neue Strategien entwickelt, um Jugendliche für das Handwerk zu gewinnen. Eine davon ist das „altbekannte und bewährte Praktikum – nur eben mit Corona-Test und allen Schutzvorkehrungen“. Die übernimmt die HwK selbst. Das schafft Sicherheit für die Praktikanten wie auch Unternehmen.
Mit dem Projekt „Eine Woche - Deine Chance“ legt die HwK in den Osterferien eine große Praktikumsoffensive auf. Angesprochen sind alle Jugendlichen, ob aus Schule, Studium oder freiwilligem Jahr. „Die Ausgangslage spielt keine Rolle, wichtig ist das Ziel“, macht die HwK neugierig und Lust auf die Aktion.
Vom Erfolg dieser Initiative sind die Macher wie auch die Betriebe überzeugt. Denn bereits jetzt, im Vorfeld, absolvieren viele Jugendliche ein Betriebspraktikum im Handwerk, um den Beruf wie auch das betriebliche Umfeld kennen zu lernen. So in der Tischlerei Eisenschneider aus Idar-Oberstein (Landkreis Birkenfeld). „Wir haben bereits unseren Lehrling für 2021 gefunden“, freut sich Tischlermeister und Betriebsinhaber Jörg Eisenschneider. Der 16-jährige Duncan hat hier bereits im Rahmen eines Schulpraktikums Erfahrungen gesammelt. Vor wenigen Wochen absolvierte er ein weiteres Praktikum. Nun steht für beide Seiten fest: die dreijährige Ausbildung wird ein gemeinsamer Weg! „Es geht ja nicht nur um handwerkliche Fertigkeiten, sondern auch um Teamfähigkeit“, sprechen Ausbilder und Auszubildender ein sensibles Thema an. „Unsere Mannschaft zählt sieben Mitarbeiter – eine eingeschworene Truppe und wir legen Wert darauf, dass ein Lehrling zu uns passt und natürlich auch darauf, dass er sich wohl bei uns fühlt“, bringt Eisenschneider auf den Punkt.
Das sieht Elektrotechnikermeister Martin Michels von Elektrotechnik Michels aus Höhr-Grenzhausen (Westerwaldkreis) ganz ähnlich. „Ein Unternehmen mit zehn Mitarbeitern ist ein Mikrokosmos. Wir arbeiten in Gruppen, die Ansprüche auf den ständig wechselnden Baustellen sind hoch. Also spielt neben fachlichem Wissen auch die Sozialkompetenz eine wichtige Rolle.“ Der 23-jährige Praktikant Ben bringt die mit, „hat auch keine zwei linken Hände und er hat uns sehr überzeugt“, resümiert der Chef nach einem 14-tägigen Praktikum. Er sagt auch, es sei ein Gebot der Fairness gegenüber den noch folgenden Praktikanten, erst dann eine Entscheidung zu treffen, wenn sich alle Jugendlichen beweisen konnten. „Die Nachfrage nach Praktika ist da. Wir erhalten reichlich Initiativbewerbungen. Nur mussten wir für die Durchführung ein Corona-kompatibles Programm auf die Beine zu stellen. Die Handwerkskammer hat das sehr ordentlich vorbereitet und unterstützt uns auch in der Durchführung“, lobt Michels die flankierenden HwK-Hilfen.
Im Gegensatz zu Duncan und Ben geht es für die 19-jährige Maria nicht um eine konkrete Ausbildungsstelle, sondern um grundsätzliche berufliche Erfahrungen im Handwerk. Nach einem zweijährigen freiwilligen Dienst bei der Bundeswehr sammelt sie nun Erfahrungen im Handwerk – so auch in der Tischlerei von Maik Rönnefarth in Dernau (Landkreis Ahrweiler). „Wir öffnen für alle interessierten Jugendlichen unsere Tore“, erklärt der Tischlermeister und Geschäftsführer der „Holzwürmer“. Ein Praktikum ist hier Voraussetzung für einen Ausbildungsplatz. 50 Bewerbungen sind bei ihm eingegangen, „und alle werden eingeladen. Das ist zwar viel Aufwand und Organisation, aber unersetzbar!“. Fünf Ausbildungsplätze sollen in diesem Jahr besetzt werden, drei als Tischler. Doch auch im Büro und in der Lackierwerkstatt wird ausgebildet. Ein ungewöhnlicher Fall ist auch dabei, wenn die Tischlerei einen 26-jährigen Berufsschullehrer als Lehrling unter ihre Fittiche nimmt. Der wird dann in der Berufsschule die Seiten wechseln - vom Lehrertisch hinein in die Reihen der Schüler. „Das hat er ganz klar auch als eigenen Wunsch geäußert, um mehr praktische Erfahrungen im Betrieb und im Umgang mit den Lehrlingen zu sammeln. Ein spannender Ansatz!“, freut sich Rönnefarth auf einen ganz und gar ungewöhnlichen Nachwuchskader in seinen Reihen.
Mehr Infos zu freien Praktikumsplätzen und zur Aktion „Eine Woche – Deine Chance“ bei der Handwerkskammer Koblenz: ausbildung@hwk-koblenz.de oder auf der neuen Internetseite www.jazubi.eu. (PM)
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