Überraschung im Stadtrat von Selters
In seiner jüngsten Sitzung, die virtuell mittels Video-Konferenz durchgeführt wurde, hatte der Stadtrat von Selters über einen Tagesordnungspunkt zu entscheiden, der bereits im Vorfeld für viele Diskussionen gesorgt hatte. Es ging dabei um eine Änderung des Bebauungsplans am „Landsberger Hof“.
Selters. Zur Vorgeschichte:
Die Stadt Selters hatte vor einigen Jahren das Grundstück des „Landsberger Hofs“ erworben, und als „eingeschränktes Gewerbegebiet“ ausgewiesen. Als das Grundstück zum Verkauf seitens der Stadt Selters angeboten wurde, bewarben sich mehrere Interessenten, von denen jeder die Möglichkeit hatte, den Bebauungsplan bei der Verbandsgemeinde Selters einzusehen. Daraufhin zogen einige Kaufinteressenten ihre Angebote zurück, weil sie feststellen konnten, dass das Grundstück als „eingeschränktes Gewerbegebiet“ ausgewiesen war. In Kenntnis dieser Tatsache erwarb eine in Selters ansässige Straßenbaufirma das Grundstück. Als bekannt wurde, dass das Unternehmen auf dem Areal neben einem Einfamilienhaus auch noch eine 32,50 x 15 Meter große Halle hinstellen wollte, regte sich an verschiedenen Stellen massiver Widerspruch gegen dieses Vorhaben.
Neben dem fraglichen Grundstück hatte zwischenzeitlich eine Firma aus Selters, die Software für Zeiterfassungssysteme herstellt, ihr neues Firmengebäude bezogen. Der Geschäftsführer dieser Firma wandte sich gegen das Erstellen der großen Halle, weil diese seine Grundstücksgrenze tangiere, zudem erhöhte Lärmemissionen durch Wartungsarbeiten in der Halle zu erwarten seien.
Widerstand gegen Umwidmung des Baugebietes
Im direkt angrenzenden Neubaugebiet „Im Gleichen“ regte sich ebenfalls großer Widerstand gegen das Bauvorhaben, als bekannt wurde, dass eine Umwidmung in ein „nicht eingeschränktes Gewerbegebiet“ erfolgen sollte. Es wurde eine Petition gestartet, um die beabsichtigte Umwidmung zu verhindern. Sage und schreibe 80 Hausbesitzer und Bewohner haben diese Petition unterzeichnet, und bei der Stadt Selters eingereicht. Das Straßenbauunternehmen versicherte, dass auf die Einhaltung der vorgeschrieben Lärmemissionen geachtet würde, ansonsten kein Schüttgut abgelagert würde und in der Halle nur kleine Geräte und Maschinen wie ein Mini-Bagger und Rüttelplatten abgestellt würden.
Da die Unterzeichner der Petition die Frage aufwarfen, warum man für diese wenigen Geräte eine solch überdimensionierte Halle erstellen wolle, kamen weiter Zweifel auf an der beabsichtigten Nutzung. Zwischenzeitlich hatte die Stadt Selters ein schalltechnisches Gutachten in Auftrag gegeben, welches mit dem Schlusssatz endete: „Es bestehen aus schalltechnischer Hinsicht keine Bedenken gegen eine Änderung des Bebauungsplans „Landsberger Hof“ der Stadt Selters.“
Dieses Thema war auch im Haupt- und Finanzausschuss behandelt worden. Dort wurde trotzdem mehrheitlich beschlossen, dem Stadtrat zu empfehlen, die Umwidmung in ein „nicht eingeschränktes Gewerbegebiet“ abzulehnen. Nichtsdestotrotz erschien zur Überraschung vieler in der Beschlussvorlage für die virtuelle Stadtratssitzung am 26. April 2021 der folgende Beschlussvorschlag:
„Der Stadtrat beschließt, auf der Grundlage des schalltechnischen Gutachtens des Ingenieurbüros Pies eine 1. Änderung des Bebauungsplans „Landsberger Hof“ im vereinfachten Verfahren nach § 13 Baugesetzbuch durchzuführen. Nach Einarbeitung der Ergebnisse des Gutachtens ist der Bebauungsplanentwurf zur Beteiligung der Öffentlichkeit auszulegen. Parallel hierzu sind die Behörden und Träger öffentlicher Belange zu beteiligen. Nachfolgend sind den städtischen Gremien die eingegangenen Stellungnahmen zur Entscheidung vorzulegen.“
Stadtbürgermeister Rolf Jung von der Bürgerliste Selters (BLS) erläuterte zu Beginn der Sitzung, dass er aufgrund des schalltechnischen Gutachtens für eine Umwidmung des Bebauungsplanes eintritt, da die Straßenbaufirma zudem ein typisiertes Tiefbauunternehmen sei.
Widerstand gegen die Meinung des Bürgermeisters regte sich bereits aus dem ersten Statement von Ralf Urban, dem Fraktionsvorsitzenden der BLS Selters, der die Meinung seines Parteifreundes nicht teilte. Urban: „Wir haben gegen geltendes Recht verstoßen, weil Mitbieter beim Ankauf des Grundstückes bewusst außen vorgelassen wurden und sich ausschließlich auf das Gutachten bezogen wurde. Wir hätten dem Verkauf an die Tiefbaufirma nicht zustimmen dürfen, die zu Unrecht den Zuschlag erhalten hat. Auch die Nachbarschaft hätte miteinbezogen werden müssen. Ein Urteil des Bundesverfassungsgerichtes (BVG) mahnte in einem ähnlich gelagerten Fall an, dass alle Lärmschutzmaßnahmen einzuhalten sind, auch um den Rechtsfrieden unter Nachbarschaften zu befrieden, dafür hat die Gemeinde zu sorgen., da ansonsten andauernde Rechtsstreitigkeiten zu erwarten sind.“
Dennis Savas, Fraktionsvorsitzender der CDU, erklärte: „Der Stadtrat hat einen Bock geschossen, als wir dem Kaufvertrag zustimmten. Diesen Fehler sollten wir nicht noch einmal begehen. Die Fraktion der CDU ist für eine Rückabwicklung des Kaufvertrages.“ Thorsten Kutsche (CDU) blies in das gleiche Horn: „Wir können nicht so einfach die Umwidmung durchziehen. Wir sollten eine Rückabwicklung des Kaufvertrages in Betracht ziehen und dem Unternehmer bei der Beschaffung eines geeigneten Grundstückes helfen.“ Weitere Wortbeiträge lehnten eine Umwidmung des Baugebietes ebenfalls ab.
Stadtbürgermeister Rolf Jung ergriff nochmals das Wort, er betonte, dass seitens der Stadt nicht gegen geltendes Recht verstoßen wurde. Das Urteil des BVG träfe nur teilweise zu, da der angestrebte Rechtsfrieden für alle gelte. „Ich verwahre mich auch gegen die Aussage, die Stadt Selters hätte einen Bock geschossen. Ich setzte mich nach wie vor für eine Umwidmung des Baugebietes zu einem „nicht eingeschränkten Gewerbegebiet mit beschränkten Lärmemissionen“ ein.“
Danach sprachen nochmals Vertreter der im Stadtrat vertretenen Parteien, die jedoch an ihrer ablehnenden Haltung festhielten. Die nun folgende Abstimmung brachte ein eindeutiges Ergebnis zutage: Von 20 Stimmberechtigten stimmten zwei Personen mit Ja (Stadtbürgermeister Jung und der 1. Beigeordnete Hanno Steindorf), drei Ratsmitglieder enthielten sich, und 15 Ratsmitglieder votierten zu einem Nein.
Erstaunlich an diesem klaren Votum war die Tatsache, dass auch einige Mitglieder der Fraktion der BLS gegen die Annahme der Beschlussvorlage gestimmt haben müssen, obwohl Stadtbürgermeister Rolf Jung Mitglied in der Bürgerliste Selters ist. Das Abstimmungsverhalten ist aber auch gutes Beispiel für gelebte parlamentarische Demokratie. Wolfgang Rabsch
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