Trotz Schwerstbehinderung erstmal keine Corona-Impfung?
Wie ergeht es schwerstkranken Menschen, die zu Hause betreut werden, in der Corona-Krise? Gleichermaßen aufschlussreiche wie nachdenklich stimmende Einblicke in diese Thematik erhält, wer in der Woche vom 3. bis 8. Mai den CAP-Markt in Hillscheid besucht.
Hillscheid. Dort erzählen anlässlich des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung (Inklusionstag) am 5. Mai mehrere „in Endlosschleife“ gezeigte Videos die Geschichte von Benni Over.
Benni Over, heute 30, erkrankte als Kind an schleichendem Muskelschwund (Duchenne-Muskeldystrophie). Seit seinem elften Lebensjahr ist er auf den Rollstuhl angewiesen. Inzwischen ist die unheilbare Krankheit so weit fortgeschritten, dass er sich kaum noch bewegen kann. Zudem muss er seit einem Herzstillstand vor vier Jahren rund um die Uhr künstlich beatmet werden. Eine Infektion mit dem Corona-Virus würde der junge Mann aller Wahrscheinlichkeit nach nicht überleben. Fast überflüssig zu erwähnen, dass es in einem solchen Fall von entscheidender Bedeutung ist, so schnell wie möglich eine Covid-19-Schutzimpfung zu bekommen.
Aber genau daran hakte es in seinem Fall. Weil er nicht in einem Pflegeheim, sondern zu Hause betreut wird, gehörte der Hochrisikopatient laut der Priorisierungs-Liste der Ständigen Impfkommission (Stiko) nicht zu denjenigen, die als erstes eine Impfung bekommen sollten. Demnach wäre er erst in der Impfgruppe 3, zusammen mit den über 60-Jährigen, an der Reihe gewesen. Benni Over fühlte sich vergessen, durch Raster gefallen, im Stich gelassen. Um das Ansteckungsrisiko dennoch so weit wie möglich zu minimieren, lebten seine Eltern Klaus und Conni Over und er selbst über viele Monate hinweg in einer strikten selbst auferlegten Quarantäne. Selbst der ambulante Intensiv-Pflegedienst, der sich sonst zehn Stunden am Tag um Benni kümmert, kam nicht mehr ins Haus, sondern gab Klaus und Conni Over per Videoschalte Anleitungen, damit sie die Intensivpflege übernehmen konnten.
Inzwischen ist Benni Over, ebenso wie seine Eltern, gegen Corona geimpft. Doch den Weg dorthin musste er sich hart erkämpfen. Über 2000 Politiker, darunter Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, hat er angeschrieben, hat auch im Sinne anderer schwerstbehinderter Menschen, die zu Hause betreut werden, an sie appelliert, die Impfreihenfolge zu ändern, ist mit YouTube-Videos und vielem mehr an die Öffentlichkeit gegangen.
Leider lange erfolglos. Doch Benni Over gab nicht auf. Dass er ein Kämpfer ist, hat er übrigens auch vorher schon bewiesen. Seit Jahren setzt sich der junge Mann für den Erhalt des Regenwalds in Indonesien und den Schutz der dort lebenden Orang-Utans ein – ein Engagement, für das ihm Ministerpräsidentin Malu Dreyer den Verdienstorden den Landes Rheinland-Pfalz verlieh. Mit welchen Aktionen und Aktivitäten sich Benni Over für den Klima- und Tierschutz stark macht, mit welcher bewundernswerten Energie er sein Leben meistert und vor allem, wie es ihm schließlich doch noch gelungen ist, eine vorgezogene Corona-Impfung zu bekommen – das alles erzählen die Videos, die in der Woche vom 3. bis 8. Mai im CAP-Markt in Hillscheid zu sehen sind. (PM)
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