Gericht Montabaur sühnt Todesfahrt mit Ferrari
Beim Amtsgericht in Montabaur wurde unter dem Vorsitz von Richter am Amtsgericht Ingo Buss ein Fall verhandelt, der in der Region im Vorfeld für viel Aufsehen sorgte. Die Staatsanwaltschaft Koblenz hatte Anklage gegen einen 42-jährigen Mann aus der Verbandsgemeine Montabaur erhoben.
Montabaur. Dem Mann wurde fahrlässige Tötung in Tateinheit mit Verkehrsunfallflucht und Straßenverkehrsgefährdung unter Alkoholeinfluss zur Last gelegt.
Was genau wurde dem Angeklagten vorgeworfen?
Eine 39-jährige Frau aus der VG Montabaur wird am 27. Juni 2020 gegen 3.30 Uhr auf der L 327 zwischen dem Montabaurer Stadtteil Horressen und dem Nachbarort Niederelbert auf der Straße liegend überfahren. Für die Frau kommt jede Hilfe zu spät, sie verstirbt aufgrund ihrer schweren Verletzungen noch an der Unfallstelle. Der Fahrer eines Ferrari Sportwagens verließ zunächst die Unfallstelle, kehrte jedoch nach kurzer Zeit wieder zurück, nachdem er nach Hause fuhr, sich dort die Beschädigungen an dem Ferrari angesehen hatte, und seiner Frau sagte, es sei etwas passiert. Seine Frau fuhr mit dem Angeklagten sofort zurück zur Unfallstelle. Die Blutuntersuchungen ergaben zum Unfallzeitpunkt bei dem Angeklagten eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,23 Promille, und bei der Getöteten eine BAK von 1,4 Promille.
Nachdem die Staatsanwaltschaft die Anklage verlesen hatte, entwickelte sich eine hochemotionale Beweisaufnahme, bei der die Schwester der Verstorbenen als Nebenklägerin zugelassen war und diese immer wieder von Weinkrämpfen geschüttelt wurde, wenn es um die Details des Unfalls und den Verletzungen ging. Auch der Angeklagte kämpfte mit den Tränen, als er sich geständig zeigte und beteuerte, dass es ihm unendlich leidtun würde, was passiert sei. Er wäre in Limburg zu einem Geschäftstermin gefahren, habe danach einen alten Freund getroffen, man sei in eine Disco gegangen, dort habe er fünf oder sechs Glas Gin Tonic getrunken. Den Alkohol spürte er nach eigenen Angaben schon, als er gegen 3 Uhr nach Hause gefahren ist.
„Mein erster Gedanke war, als ich den Schlag auf der L327 hörte, ich hätte ein Stück Holz oder einen Fuchs überfahren. Ich hatte aber zuvor nichts auf der Straße liegen gesehen. Zuhause besah ich den Schaden und ahnte, dass etwas passiert sein musste. Darum fuhren meine Frau und ich sofort zurück zur fraglichen Stelle auf der L 237. Erst dort erfuhr ich, was wirklich Schlimmes passiert war.“
Der Verteidiger des Angeklagten erklärte, dass die Versicherung bisher 23.000 Euro an die Angehörigen gezahlt habe. Da sein Mandant sehr gut verdiene, wollte er durch Zahlung eines weitaus höheren Betrages an die Angehörigen vermeiden, dass der Eindruck entstehen könnte, der Angeklagte wolle sich von seiner Schuld „freikaufen.“
Schlimme Gerüchte machten die Runde
Bei der Einvernahme von drei Zeugen stellte sich übereinstimmend heraus, dass sie die Verstorbene kurz vor dem Unfall an der L237 gesehen hätten und kurz anhielten, um zu fragen, ob sie helfen könnten. Die Frau habe darauf jedoch hysterisch reagiert und sich auch teils aggressiv gezeigt, schlug sogar mit einer Faust in eine Hecke. Ein Polizeibeamter berichtete von dem Gerücht, dass der Angeklagte mit der Getöteten eine Affäre gehabt habe und er die Frau absichtlich überfahren hätte. Dieses fürchterliche Gerücht zog umfangreiche Ermittlungen nach sich, die sich in keinerlei Hinsicht bestätigten.
Die Mutter der Getöteten erzählte, dass ihre Tochter sie vor dem Unfall angerufen habe, weil sie große Probleme als Alleinerziehende ohne Mann und zudem Stress in ihrem Job als Kellnerin habe. Sie sei nach Horressen gefahren, um mit ihrer Tochter zu reden. Zu den psychischen Problemen wollte die Mutter weiter nichts sagen, einen eventuellen Suizidversuch schloss sie kategorisch aus. Ihre Tochter sei aber vor rund acht Jahren in Dernbach einmal zu einer ambulanten Therapie gewesen, weil sie Hilfe suchte und auch mit jemanden sprechen zu können. Auch der vernommene Stiefvater der Getöteten „mauerte“ bei der Frage nach psychischen Problemen der Tochter, der Verteidiger des Angeklagten beschuldigte ihn deshalb sogar der uneidlichen Falschaussage. Beim Rausgehen aus dem Saal ging der Stiefvater zu dem Angeklagten, beugte sich zu ihm herab und sagte: „Schau mir in die Augen.“
Anschließend erstatteten die Sachverständigen vom DEKRA und der Rechtsmedizin aus Mainz ihre Gutachten. Der DEKRA-Gutachter erklärte, dass die Verstorbene auf der Sperrfläche der L237 auf keinen Fall gestanden hat, entweder gekniet oder gelegen. Der Ferrari befand sich in einem Top-Zustand ohne technische Mängel. Die Kollisionsgeschwindigkeit betrug zwischen 115 und 126 km/h, damit war er zwischen 15 und 26 km/h zu schnell. Bei 86 bis 90 km/h hätte er eine Sicht von 60 Meter auf das Unfallopfer gehabt, und hätte noch abbremsen können, wenn er das Hindernis gesehen hätte.
Die Rechtsmedizinerin hatte die Obduktion durchgeführt und schilderte die schweren Verletzungen der Getöteten, vor allen Dingen auf der linken Seite, der Anstoßstelle. Auf keinen Fall hätte sie vor dem Unfall gestanden oder gesessen, wahrscheinlich gelegen. Als Trost für die Angehörigen konnte die Ärztin den Angehörigen versichern, dass der Tod innerhalb von Sekunden eintrat.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft wurde das Verfahren wegen der Verkehrsunfallflucht gemäß § 154 Absatz 2 Strafprozessordnung eingestellt. Zu den Persönlichen Angaben sagte der Angeklagte, dass er in der Immobilienbranche tätig sei und überdurchschnittlich verdiene. Der Angeklagte ist nicht vorbestraft, hat allerdings zwei Eintragungen wegen Geschwindigkeitsüberschreitungen.
Nachdem die Beweisaufnahme geschlossen wurde, plädierte zunächst die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Koblenz, sie beantragte eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten, die jedoch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Als Bewährungsauflage hat der gutverdienende Angeklagte eine Geldsumme in Höhe von 300.000 Euro innerhalb von drei Jahren an den Sohn der Verstorbenen zu zahlen als Schmerzensgeld und Schadensersatz. Weiterhin Entzug der Fahrerlaubnis von 18 Monaten. Der Vertreter der Nebenklage stellte keinen konkreten Strafantrag, beantragte Schuldfeststellung und Verurteilung und die Leistung von Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe vom 300.000 Euro an den Sohn der Verstorbenen. Die Verteidigung des Angeklagten beantragte eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten zur Bewährung, mit der Bewährungsauflage zeigte sich der Verteidiger einverstanden. In seinem letzten Wort wiederholte der Angeklagte, dass ihm alles sehr, sehr leidtun würde.
Freiheitsstrafe konnte zur Bewährung ausgesetzt werden
Richter Ingo Buss verkündete das Urteil: Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Als Auflage muss der Angeklagte innerhalb von drei Jahren 300.000 Euro als Schadensersatz und Schmerzensgeld an den Sohn der Verstorbenen zahlen. Richter Buss begründete die Bewährung unter anderem auch damit, dass die Verstorbene sich in einer psychischen Ausnahmesituation befand, und ein Mitverschulden am Zustandekommen des Unfalls nicht auszuschließen sei.
Alle Prozessbeteiligten erklärten nach der Rechtsmittelbelehrung, dass sie auf Einlegung von Rechtsmittel verzichten, somit wurde das Urteil noch im Gerichtssaal rechtskräftig.
Wolfgang Rabsch
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