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Nachricht vom 26.06.2021    

Anstieg von Alkoholerkrankungen in Folge von Covid-19 erwartet

Expertise zum Internationalen Tag gegen Drogenmissbrauch am 26. Juni 2021: Fachärzte von MEDIAN rechnen mit steigender Zahl Abhängigkeitserkrankter / Lockdowns, Ängste und Stress verschlimmern Situation Betroffener und fördern Alkoholkonsum bei bisher gesunden Menschen / Auch Amphetamine und Stimmungsaufheller bergen Gefahren.

Symbolfoto

Wied. Der Piccolo am Morgen, der Schuss Cognac in den Kaffee zur Videokonferenz und das Feierabendbier bereits um 15 Uhr: Experten von „MEDIAN“, dem größten deutschen Reha-Anbieter bei Abhängigkeitserkrankungen, erwarten als Folge der Pandemie in den nächsten Jahren deutlich mehr Patienten mit Alkoholabhängigkeit. Darauf weisen die Fachärzte anlässlich des Internationalen Tages gegen Drogenmissbrauch am 26. Juni 2021 hin. „Es ist mittlerweile durch Untersuchungen gut belegt, dass in Zeiten der Pandemie der häusliche Konsum von Alkohol erheblich zugenommen hat", erklärt dazu Doktor med. Konstant Miehe, Sprecher des Medical Boards Suchterkrankungen von „MEDIAN“ und Chefarzt der „MEDIAN“ Psychotherapeutischen Klinik Bad Liebenwerda. „Das wird zeitverzögert zu erheblich verstärkten Fallzahlen in den Einrichtungen der Suchthilfe und in Fachkliniken führen, mit denen wir uns noch Jahre werden auseinandersetzen müssen." Nach Zahlen des Fachverbands Sucht e.V., der Fachvereinigung von Einrichtungen für die Behandlung, Versorgung und Beratung von Suchtkranken, vergehen bis zu 13 Jahre, bevor Betroffene den Schritt in eine Behandlung gehen.

Belastung lässt Menschen zum Alkohol greifen
Die Gründe für den erhöhten Alkoholkonsum in der Pandemie sind vielfältig. Sie reichen von psychischen Belastungen und depressiven Verstimmungen durch den Lockdown mit Leere, Langeweile und Schlafstörungen über häusliche Auseinandersetzungen und Stress durch den Wegfall der Berufstätigkeit bis zu massiven finanziellen Sorgen oder der simplen Tatsache, dass Gastronomiebetriebe geschlossen hatten. „Das Problem ist auch, dass die soziale Kontrolle fehlte", erklärt Dr. Miehe. „Niemand sagt ‚Stopp', und im Homeoffice hat kein Kollege die Alkoholfahne gerochen." Wenn Ehepartner oder Kinder den stärkeren Alkoholkonsum zu Hause bemerkt und deshalb Vorwürfe gemacht hätten, habe dies bei Betroffenen nicht selten zu noch mehr Stress bis hin zur körperlichen Auseinandersetzung geführt. Ein Teufelskreis, aus dem nur sehr schwer herauszukommen sei, gerade für Menschen, die schon vorher Probleme mit Alkohol hätten.

Gefahr auch durch andere Drogen
Nicht nur in der Psychotherapeutischen Klinik Bad Liebenwerda, auch in anderen Kliniken von „MEDIAN“, die sich auf die Behandlung von Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen spezialisiert haben, sind die Auswirkungen der Pandemie zu spüren. „Unsere Patienten berichten uns derzeit immer wieder, wie sie der Lockdown in die Sucht getrieben hat – auch von anderen Substanzen", berichtet Doktor med. Hubert Buschmann, Chefarzt der „MEDIAN“ Klinik Tönisstein in Bad Neuenahr-Ahrweiler, der sich regelmäßig im Medical Board Suchterkrankungen mit seinen ärztlichen Kolleginnen und Kollegen austauscht. „Besonders Menschen im Spannungsfeld von Berufstätigkeit, Haushalt, Pflege von Angehörigen und Kinderversorgung trifft die Pandemie hart. Uns liegen Berichte zum Missbrauch von leistungssteigernden Substanzen wie Amphetaminen oder stimmungsaufhellenden Medikamenten vor, um gegen den permanenten Stress anzukämpfen."



Besonders schwierig sei die Situation bei Menschen, die schon vorher psychisch instabil oder abhängigkeitskrank gewesen seien, so Dr. Buschmann: „Weil die sicheren Tagesstrukturen gestört waren oder fehlten, ist es vermehrt zu Rückfällen auch bei bereits abstinent lebenden Patienten gekommen." Erlernte Bewältigungs- und Ablenkungsstrategien oder sinnvolle Freizeitgestaltung wie etwa Sport, Hobbys, Kino oder Theater hätten im Lockdown nicht mehr wie gewohnt stattfinden können. Auch im Bereich der PC/Internet-Sucht oder der Online-Spielsucht erwartet der Experte eine wachsende Zahl Betroffener.

MEDIAN hilft mit Hotline und Sucht-Post-Covid-Reha
Schwierig war und ist die Situation vor allem auch deshalb, weil das bewährte Hilfesystem für Abhängigkeitskranke und von Abhängigkeit Bedrohte in der Pandemie nicht mehr griff. „Wir hatten nur wenige Selbsthilfegruppen und Online-Sprechzeiten in Beratungsstellen", beschreibt Doktor Miehe die Situation. „Dazu kam, dass viele, die sich Sorgen um ihren Gesundheitszustand machten, aus Angst vor einer Infektion gar nicht mehr zum Arzt gingen." Selbst der Austausch unter Freunden und Verwandten, bei dem man seine Sorgen hätte besprechen können, fand weitestgehend nicht mehr statt. Menschen, die bei sich einen vermehrten Alkoholkonsum feststellen oder das Gefühl haben, die Kontrolle zu verlieren, empfiehlt der Experte, sich an eine Beratungsstelle und Selbsthilfegruppe zu wenden oder zumindest den Hausarzt zu kontaktieren. Auch „MEDIAN“ bietet unter der Telefonnummer 01805-212099 eine Hotline für Betroffene an. Die Suchthotline ist montags bis freitags von 10 bis 17 Uhr erreichbar (Anruf 14 Cent pro Minute aus dem deutschen Festnetz).

„MEDIAN“ hat außerdem eine spezielle Post-Corona-Rehabilitation bei Suchterkrankungen entwickelt. Sie soll Menschen, die durch die Pandemie in eine Abhängigkeit geraten sind oder einen Rückfall erlitten haben, dabei helfen, ihren Weg zurück in die Gesellschaft, zu Arbeit und Familie zu finden. Im Mittelpunkt der individuellen und multimodalen Behandlung stehen Psycho- und Verhaltenstherapie mit dem Ziel der Abstinenz. Für einen umfangreichen Behandlungserfolg arbeiten die Fachkliniken eng mit niedergelassenen Medizinern und Fachärzten, psychologischen Psychotherapeuten, Fachambulanzen, Suchtberatungsstellen sowie Sozialdiensten von Krankenhäusern und Betrieben zusammen. (PM)


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