GrünRockt 2021: "Rettet den Festiwald"
Von Thomas Sonnenschein
Ein Benefiz-Konzert im Hachenburger Burggarten verstand sich nicht als Open-Air-Party, sondern als Botschaft. „Grün rockt“ ist Sensibilisierung für Klimaschutz, Treffpunkt für FÖJ'ler und Naturschützer und bietet neben wissenschaftlichen Fakten gute Vorschläge auf die Frage: "Was kann ich tun?"
Hachenburg. Erstmals fand am Wochenende „GrünRockt“ im Hachenburger Burggarten statt. Bereits seit 2010 organisieren jedes Jahr eigenständig junge Menschen des FÖJ, des FÖJ-AKTIV e.V. und dem Förderverein ökologischer Freiwilligendienste dieses Festival im Sinne von Klima- und Naturschutz. Unterstützt wird das Projekt von Landesforsten, mehreren Naturschutzverbänden und zahlreichen weiteren staatlichen, kirchlichen und öffentlichen Institutionen.
Der Themenschwerpunkt variiert von Jahr zu Jahr. Passend zu den deutlich sichtbar gewordenen Klimaschäden im Hachenburger Wald stand „GrünRockt“ dieses Mal unter dem Motto „Rettet den Festiwald“. Der Förster und FÖJ-Leiter der Landesforsten, Dirk Hennig, unterstützte die Macher beim Genehmigungsverfahren, damit das Event Coronagerecht stattfinden durfte. Über den Tag verteilt kamen bei freiem Eintritt mehr als 900 Besucher zu diesem Benefiz-Konzert in den weitläufigen Burggarten. Außer der Bühne waren zahlreiche Infostände und Workshopstationen im gesamten vorderen Burggarten-Bereich aufgebaut. Weitere Workshops fanden direkt im forstlichen Bildungszentrum statt.
FÖJ steht für Freiwilliges ökologisches Jahr und richtet sich an junge Menschen, die sich aktiv für den Umweltschutz engagieren möchten. Rund 14.000 Bewerbungen um einen der begehrten FÖJ-Plätze gehen jedes Jahr bei den Stellen ein. Im gesamten Bundesgebiet werden derzeit 3000 Stellen alljährlich besetzt, davon 145 in Rheinland-Pfalz. In der Verbandsgemeinde Hachenburg sind es aktuell 3 FÖJ-Stellen. In Zusammenarbeit mit Stadtbürgermeister Stefan Leukel möchte Dirk Hennig die Anzahl dieser Stellen erhöhen. Das FÖJ bietet Schwerpunkte in Naturschutz, Waldpflege, Arbeit mit Tieren, Landwirtschaft und Ernährung.
Das Benefiz-Konzert bot musikalisch überwiegend Rock und Hardrock. Die Bands Cannon, Are we used to it,Teuer und Shellz bestimmten maßgeblich die Show. Als Regionalprominenz traten die Westerwälder Band Utah und das Hachenburger Duo G2 auf.
Klimastress für den Westerwald
Stadtbürgermeister Stefan Leukel sprach in seiner Begrüßungsrede davon, wie sehr der Westerwald unter dem Klimastress schon jetzt leide. Die aktuelle Überschwemmungskatastrophe in der Eifel habe den Westerwald nur um Haaresbreite gestreift und unterstreiche die Werthaltigkeit von „GrünRockt“. „Es hätte genauso gut hier passieren können“, mahnte Leukel, der einen Dank an die Freiwillige Feuerwehr und den Bauhof der Verbandsgemeinde Hachenburg aussprach. Diese seien nämlich direkt in das Katastrophengebiet gefahren, um vor Ort koordiniert zu helfen. „Wer bis vor kurzem glaubte, es betrifft uns nicht, der muss einsehen: Doch! Es betrifft uns sehr wohl. Es ist jetzt Zeit zu handeln!“, sprach Leukel mit deutlichen Worten. Er bot den Organisatoren an, „GrünRockt“ in Hachenburg zukünftig zu etablieren. Der Burggarten stehe dafür zur Verfügung.
Als Moderatoren-Team führten Rebekka Niethammer aus Heidelberg, Vorstandsvorsitzende der FÖJ-Aktiv e.V., und Natalie Grün aus Mainz, FÖJ-Landessprecherin RLP, durch das Programm. Auch diese beiden jungen Frauen zeigten sich sehr engagiert in Sachen Klima- und Umweltschutz. Niethammer betonte auf der Bühne die ernste Message hinter „GrünRockt“. Gegenüber den Kurieren sagte sie, sie sei von dem Burggarten als Kulisse für das Event sehr angetan, das von jungen Menschen für junge Menschen konzipiert worden sei. Sie zeigte sich auch stolz darauf, was ihre Generation zu leisten vermag. Das Aufwachsen in einer vernetzten Welt und die globalisierte Einstellung der Jugend mache ihr Hoffnung, den Kampf gegen den Klimawandel zu gewinnen. Vorwürfe, die Jugend sei unpolitisch, wären nicht haltbar. Das werde bei „GrünRockt besonders deutlich, da sich hier viele Gleichgesinnte treffen. Aus Aktivismus vieler Jugendlicher werde großartiges Engagement, äußerte sich Niethammer.
Tatkräftiges Engagement
Dirk Hennig verwies darauf, dass Vorurteile der „Fridays for Future“-Bewegung vorwerfen, die jungen Menschen würden zwar protestieren, aber selbst nichts tun. Dieser Vorwurf werde alleine dadurch entkräftet, wenn man sehe, wieviele „Fridays for Future“-Anhänger sich für ein FÖJ bewerben würden und sich tatkräftig engagieren. Auch der aktive Zusammenschluss der Ehemaligen im Verein FÖJ-Aktiv e.V. liefere nachhaltig Unterstützung und realisiere zahlreiche Projekte, darunter eben auch diese Veranstaltung. So ist auch der 20-jährige FÖJ-Bundessprecher Bruno Nitsch aus dem Harz angereist, um eine Zukunftswerkstatt im Rahmen interaktiver Gruppenarbeiten zu betreuen. Nitsch selbst stammt aus eben dieser „Fridays for Future“-Bewegung.
In einem durch die FÖJ-Aktiv e.V. ausgelosten Kreativwettbewerb wurde der erste Preis im Rahmen des Events an FÖJ'ler David Guhl für eine zweigeschossige Skulptur vergeben, die ein zerstörtes einem intakten Biosystem gegenüberstellt. „Es deutet darauf hin, was passiert, wenn wir unseren Umgang in Bezug auf die Natur nicht unverzüglich ändern", resümiert Guhl, der sich über einen FÖJ-Hoodie, ein Motto-Sweatshirt aus Fair Trade-Baumwolle, freuen durfte.
Wissenschaftliche Vorträge über den Wald im Klimastress des FÖJ-Leiters Dirk Hennig waren in einer derartigen Menge angefragt worden, dass das Angebot spontan um weitere Vorträge ergänzt wurde. Aufgrund der Corona-Bestimmungen hätten sonst viele nicht mehr in den Vortragssaal gedurft. Immerhin ging es um nichts weniger, als einen Blick in die Zukunft des Westerwaldes.
Ebenso begehrt war erwartungsgemäß die Klimaexpedition mit Live-Satellitenbildern. Diplom-Biologe Holger Vogt vom Bochumer Verein Geoscopia steuerte dabei in Echtzeit Kamera und Messinstrumente eines echten Satelliten und machte die Auswirkungen von Klimawandel und Rohstoffabbau in erschreckender Weise deutlich.
„Faszination Wald Westerwald“
Gezeigt wurde außerdem „Faszination Wald Westerwald“, der zweite Kinofilm des 19-jährigen Streithauseners Florian Havranek, der bereits vor zweieinhalb Jahren neben der Schule in einem Seminar zum Klimabotschafter ausgebildet wurde. Der Film beschäftigt sich mit Westerwälder Flora und Fauna im Klimawandel und visualisiert die Waldschäden infolge von Trockenheit und Borkenkäfer-Befall. Das Publikum hatte vor Ort die Möglichkeit mit Havranek persönlich zu sprechen.
Um das Event aufzubauen und alle erforderlichen Planungen umzusetzen kamen bereits Tags zuvor 92 aktive FÖJ'ler aus Rheinland-Pfalz und ganz Deutschland. Zunächst folgte in großer Runde bei einem Kaffee ein Gedankenaustausch gemeinsam mit den Ehemaligen, die sich noch immer als Mitglied des Vereins FÖJ-Aktiv e.V. sehr engagiert für Klima- und Umweltschutz einsetzen. Übernachtet wurde in Zeltlagern auf dem Gelände der Stadt, des forstlichen Bildungszentrums und des Biohofes Mies.
Auf diesem Biohof ist in diesem Jahr Leonie Kruschke aus Mainz noch bis August als FÖJ'lerin in Hachenburg beschäftigt. Landwirt Christoph Mies bietet die FÖJ-Stelle bereits seit 9 Jahren an. Zunächst sei er skeptisch gewesen, doch dann merkte er schnell, wie engagiert sich die jungen FÖJ-ler zeigen – vor allem, wenn sie aus einer Großstadt kommen. Im Unterschied zu einem Praktikum lernen die FÖJ'ler in einem ganzen Jahr einen vollen Zyklus mit allen Jahreszeiten kennen. Und sie packen bereitwillig mit an. „Das ist sensationell“, zeigt sich Mies begeistert. Die FÖJ'ler sähen auch stets ein, dass es ganz ohne Tierhaltung nicht gehe, denn die Tiere bilden einen natürlichen Nahrungs-Kreislauf mit den Grünflächen.
Im gleichen Sinne zeigten sich auch die Hüttenstände, die rund um das Festivalgelände vegane oder vegetarische Kullinaritäten anboten. Dabei gehe es nicht darum, ganz auf den Fleischkonsum zu verzichten, sondern anhand leckerer Beispiele aufzuzeigen, wie der Fleischkonsum deutlich verringert werden kann. Denn dadurch würde Massentierhaltung am besten bekämpft - zugunsten des Tierwohls, vor allem aber zugunsten des Klimas. Einige Workshops boten Rezepte an für vegane Brotaufstriche, vegetarische Pizza, Waffeln und Salate. Einige Anbieter sorgten für weitere Rahmenprogramme. So konnten Besucher zum Beispiel bei der Green Longue, die Fair Trade Cocktails anbot, das Jonglieren erlernen.
Im Rahmen des Benefiz-Konzertes kamen genügend Spenden an, um die Kosten zu decken. Der Überschuss wird für die Opfer der Flutkatastrophe gespendet.
Im Nachgang resümierte das FÖJ-Planungsteam über den Veranstaltungsort und kam zu dem Schluss, das Angebot Stefan Leukels annehmen zu wollen, „Grün rockt“ alljährlich fest in Hachenburg zu etablieren. Somit würde Hachenburg auf Jahre gesehen zu einem zentralen Treffpunkt junger engagierter Klima- und Naturschützer aus ganz Deutschland werden.
Lokales: Hachenburg & Umgebung
Jetzt Fan der WW-Kurier.de Lokalausgabe Hachenburg auf Facebook werden!
Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder): |