Rundreise: Wie barrierefrei ist der Westerwald?
Den Westerwald in Verkehr, Arbeit und Gemeinde barrierefreier machen: Dies war das Thema einer Inklusionstour des Senioren- und Behindertenrates Südlicher Westerwald (SBR-SÜW). Mit dabei war Landesbehindertenbeauftragter Matthias Rösch, der leider coronabedingt nur von einigen wenigen engagierten Personen aus der Region begleitet werden konnte.
Westerwaldkreis. An vier Stationen wurde mit den einzelnen Gastgebern und Beteiligten festgestellt, dass der Abbau von Alltagsbarrieren vorankommt, aber noch viel zu tun bleibt.
Wirges, Bürgerhaus
Erste Station war die Stadt Wirges im sanierten und barrierefrei gestalteten Bürgerhaus. Ein Ergebnis einer breit aufgestellten Zukunftswerkstatt war die Forderung nach mehr Barrierefreiheit im Stadtgebiet. Als ehrenamtlicher Behindertenbeauftragter hatte sich Christoph Seimetz dazu Gedanken gemacht und konnte den Gästen gemeinsam mit Stadtbürgermeister Andreas Weidenfeller und der 1. Beigeordneten Sylvia Bijou-Schwickert erste Vorschläge präsentieren.
In dem Konzept aufgeführt sind Verbesserungen in der Bahnhofstraße, Am Merzenborn, an der L 313 Nähe Netto-Parkplatz sowie am Hüter-Einkaufzentrum. Handlungsbedarf wird von allen Anwesenden auch an der Unterführung am Friedhof unter der stark befahrenen L 313 gesehen. Die dortige Rampe ist zu steil und kann von Rolli-Fahrern nicht ohne Hilfe genutzt werden. Der Einbau eines Fahrstuhls wurde bei einer anschließenden Ortsbesichtigung verworfenen.
Auf die Wichtigkeit des Themas Barrierefreiheit im öffentlichen Raum wies auch Michael Ortseifen als scheidender Bürgermeister der VG Wirges hin: „Jeder soll teilhaben können, weshalb viele Barrieren noch verschwinden müssen!“ Matthias Rösch riet, dem Beispiel anderer VGs zu folgen und mit den Ortsgemeinden einen vom Land unterstützten Aktionsplan zu erarbeiten.
Hillscheid, CAP-Markt
Der CAP-Markt in Hillscheid ist nicht nur ein besonders gelungenes Beispiel für die Versorgung der Einwohnerschaft mit Lebensmitteln und Gütern des täglichen Bedarfs. Dort werden auch viele Menschen mit einer Beeinträchtigung beschäftigt, die einen sicheren und meist dauerhaften Arbeitsplatz gefunden haben. Marktleiter Oliver Zils wies darauf hin, dass der Markt seit der Eröffnung vor neun Jahren immer besser von der Bevölkerung angenommen wurde, der Umsatz dadurch gestiegen ist und als Folge notwendige Investitionen in die Modernisierung getätigt werden konnten.
„Dies gelingt auch dadurch gut, da wir regionale Partner und Produkte angemessen einbeziehen“, so Zils. Für die Stiftung Scheuern und deren Tochter Inklusa gGmbH als Betreiber zeigten sich auch deren Geschäftsführer Bernd Feix und Jörg Röder sehr zufrieden mit der Entwicklung. Diese will auch die VG Höhr-Grenzhausen nicht gefährden, die mit ihrem Einzelhandelskonzept den CAP-Markt schützen will.
„Wir brauchen solche Märkte, die nah an der Bevölkerung sind – immer größer funktioniert bei uns auf dem Land nicht“, stellte Thilo Becker als Bürgermeister der VG Höhr-Grenzhausen fest. Dem stimmte auch Gerhard Schmidt als Beigeordneter der Ortsgemeinde Hillscheid zu.
Beim Rundgang durch den freundlich und barrierefrei gestalteten Markt kamen die Gäste auch mit einem jungen Mann ins Gespräch, der dort als Arbeitnehmer mit einer Behinderung beschäftigt ist. Er ist ein tolles Beispiel dafür, dass hier Menschen mit einer Behinderung, die sonst kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt bekommen, fest integriert und zu einem Leistungsträger werden können.
Radweg von Wallmerod bis Westerburg
Im August 2017 hatte Matthias Rösch mit einem Handbike den Radweg von Wallmerod bis Westerburg mit dem Handbike befahren und war sich hinterher mit den Verantwortlichen aus beiden VG´s einig: Der Weg hat das Potential um zu einem barrierefreien Vorzeigeprojekt für Radwege im Land zu werden!
Die beiden Verbandsbürgermeister Klaus Lütkefedder (Wallmerod) und Markus Hof (Westerburg) berichteten beim Ortstermin den Gästen, dass mit viel Aufwand und Sachverstand ein Konzept erstellt und für dessen Umsetzung Leader-Mittel bewilligt wurden. Aktuell laufen die Baumaßnahnamen und die größte davon konnte besichtigt werden: Bei Bilkheim mussten die „Kuppen“ um 2 Meter abgetragen und die Senke um bis zu 2,50 Meter aufgeschüttet werden, um den künftigen „Alleenradweg“ barrierefrei nutzen zu können.
Auch zwei Behinderten-WCs werden an der Strecke gebaut und rollitaugliche Ruhebänke aufgestellt, so Tourismusexperte Martin Rudolph. Der Gast aus Mainz zeigte sich begeistert: „Klar, ich komme mit dem Handbike zur Eröffnung!“, so Matthias Rösch.
AWO-Tagesstätte in Ransbach-Baumbach
Die ganztägige Inklusionsrundreise durch den Westerwald, die auch von der langjährigen Landtagsabgeordneten und Kandidatin für den Bundestag, Dr. Tanja Machalet, sowie der heimischen und Sport-Inklusionslotsin Susanne Bayer, begleitet wurde, endete mit einem Besuch der AWO-Tagesstätte in Ransbach-Baumbach. Dort erhalten Menschen mit einer psychischen Erkrankung eine Tagesstruktur.
Leiterin Ute Jergol führte die Gäste, zu denen für die VG Ransbach-Baumbach auch deren Beigeordneter Wolfgang Zirfas gehörte, durch die wohnlichen und einladend gestalteten Räume und erläuterte, wie die insgesamt 19 Personen von Fachpersonal betreut und begleitet werden. „Auch während der Pandemie konnten wir den Betrieb im täglichen Wechsel mit zwei Schichten weiterlaufen lassen“, so Jergol.
Sie bat darum, für solche Menschen die Barrieren am Arbeitsmarkt zu verringern und mehr passende Arbeitsplätze mit reduzierten Anforderungen zu schaffen. Die AWO-Geschäftsführerinnen Anja Jung und Dr. Ulrike Petra nannten Beispiele, wo Menschen in AWO-Einrichtungen mit einer psychischen Erkrankung oder einer Suchtabhängigkeit erfolgreich in Arbeit integriert werden konnten.
In einer abschließenden Gesprächsrunde erläuterte Matthias Rösch als Gast aus Mainz die Politik für Menschen mit Behinderungen der neuen Landesregierung. „Die Inklusion zieht sich von Mobilität über Barrierefreiheit und Tourismus bis zum Arbeitsmarkt und Bildung durch das gesamte Werk“, so der Landesbehindertenbeauftragte.
Besonders hob er hervor, dass die Zahl der Arbeitsplätze für Menschen mit einer Behinderung in Inklusionsfirmen möglichst verdoppelt werden soll. Dr. Tanja Machalet sagte dem neuen „Senioren- und Behindertenrat Südlicher Westerwald“ ihre Unterstützung beim Engagement für die wichtige Zielgruppe zu und hoffte auf eine baldige Ausweitung auf den gesamten Kreis.
„Inklusion bedeutet, dass alle Menschen selbstverständlich dazugehören – egal wie sie aussehen, welche Sprache sie sprechen oder ob sie eine Behinderung haben“, stellte Uli Schmidt als „Reiseführer“ fest und äußerte die Hoffnung, dass dieser Tag im Westerwald etwas dazu beigetragen hat. (PM)
Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder): |