Flutwelle an der Ahr – Lehren für den Westerwald?
Das „Impulse Digital“-Gespräch der CDU-Kreistagsfraktion über Folgen der Hochwasserkatastrophe hat eine Vielzahl von Anregungen ergeben, darunter ein Appell für eine grundlegende Neugestaltung der Alarmierung.
Region. Unter Beteiligung von Experten beriet die CDU-Kreistagsfraktion bei einem Live-Video-Chat, der sogenannten „Impulse Digital“, über Folgen der Hochwasserkatastrophe und den Lehren, die der Westerwald daraus ziehen kann. Eine Vielzahl von Anregungen kamen bei dem Gespräch zustande, darunter Vorschläge zu vorbeugenden Maßnahmen, eine grundlegende Neugestaltung der Alarmierung, Optimierungen bei der Zusammenarbeit der „Blaulicht-Familie“ sowie Ergänzungen bei der Geräte- und Fahrzeugausrüstung.
CDU-Fraktionsvorsitzender Dr. Stephan Krempel stellte zu Beginn fest, dieses Gespräch sei nur ein erster Schritt. Ziel der kurzfristig angesetzten Videolonferenz sei es, notwendige Maßnahmen auf den verschiedenen Ebenen zu beraten. „Was im Ahrtal geschehen ist, hätte auch uns treffen können", mahnte Krempel, "Es müssen Prozesse in unserer Region einfach angestoßen werden, um zu klären, ob ähnliche Auswirkungen von Stark- und Dauerregen im Westerwald verhindert oder vermindert werden können."
Im Namen der Kreistagsfraktion der CDU sprach Krempel den vielen Rettern und Hilfskräften aus dem Westerwald seine Anerkennung aus. Gerade die Hilfsorganisationen mit ihren ehrenamtlichen Kräften hätten unfassbar schnell und gut Hilfe geleistet. In solchen Krisensituationen sei zu erkennen, wie wichtig diese Hilfskräfte für unsere Gesellschaft seien, die in ständiger Bereitschaft für das Gemeinwesen stünden. Ebenso sei der Bevölkerung mit ihrer beispiellosen Spendenbereitschaft und Hilfestellung vor Ort seitens der Politik zu danken.
Die Vertreter der Hilfsorganisationen gaben einen Überblick über ihre bisherigen Einsätze und die dabei gewonnenen Eindrücke: Großes menschliches Leid, eine enorme Schadensbilanz bei Infrastruktur und Gebäuden sowie eine außerordentlich hohe Hilfsbereitschaft von Einsatzkräften und freiwilligen Helfern.
Schwachstellen beseitigen und Optimierungen angehen
In ihren Berichten zeigten die Hilfsorganisationen aber auch Schwachstellen und Optimierungsmöglichkeiten auf. So sieht der Vorsitzende des Kreisfeuerwehrverbandes und Westerburger Wehrführer, Bernd Dillbahner, die Rückbesinnung auf die Sirenenalarmierung als dringend notwendig. In den Ortsgemeinden sollten Sammelplätze für Gefahrenlagen benannt werden. Überörtlich sei eine größere Anzahl an Hubschraubern mit Rettungswinden zur Verfügung zu stellen. Auf Schutzimpfungen (darunter Hepatitis) für die Hilfskräfte müsse wieder größerer Wert gelegt werden.
Thorsten Kraft vom THW Westerburg plädiert bei der Alarmierung auch für die Rückkehr von Lautsprecheransagen für die Bevölkerung, die Ausstattung von Rettungsfahrzeugen müsste hierum ergänzt werden. Durch den Ausbau des Frühwarnsystems mit einer Pegelüberwachung auch bei kleineren Bächen könne die Bevölkerung dann gezielter informiert werden. Dringend notwendig sei auch ein Konzept für die Einbindung von „Spontan-Helfern“.
DRK-Kreisgeschäftsführer Olaf Reineck plädiert für ein länderübergreifendes einheitliches Rettungskonzept. Er regt auch eine Überprüfung der Zuwegung zu einzelnen Ortsgemeinden und deren Ortsteilen an: „Wir sollten auch über zusätzliche Wege hinweg zum Rettungseinsatz kommen können, wenn die Hauptstraßen unpassierbar sind“. Die Zusammenarbeit der Hilfsorganisationen auf Kreisebene kennzeichnete er als gut.
Henner Mattheus, Bezirksvorsitzender der DLRG, machte die Hilfsmöglichkeiten am Beispiel der Strömungsretter durch Bereitstellung von Booten deutlich. Die DLRG sei bereit sich mit ihren Fähigkeiten bei Gefahrenlagen zukünftig noch stärker einzubringen. Dies müsse allerdings den jeweiligen Einsatzleitungen auch bewusst sein, hier sieht er noch Abstimmungsbedarf.
Kritik wurde im Hinblick auf die Situation an der Ahr an der mangelnden Polizei-Präsenz insbesondere bei „Verkehrsführungsaufgaben“ geübt. Hierdurch sei es zu vermeidbaren Stausituationen gekommen, die die Hilfeleistungen deutlich erschwert hätten.
Björn Flick von „Wäller helfen“ machte deutlich, dass der seit etwa einem Jahr bestehende Verein zwischenzeitlich über ein gut funktionierendes Netzwerk verfüge, das auch bei der Flutkatastrophe gute Nachbarschaftshilfe leisten könne. Es sei deutlich geworden: „Wir können etwas bewegen“. Er ermunterte die Bevölkerung dazu, über Selbstschutzmaßnahmen für Katastrophenfälle (Beispielsweise Kerzen bei Stromausfall oder Lebensmittelvorrat) stärker nachzudenken. Die vorhandenen Netzwerke müssten gepflegt und gefördert werden.
Kreistagsmitglied Annette Aller berichtete über die Unterstützungsmaßnahmen, die durch die heimische Landwirtschaft erfolgten. Dabei sei aber in den Orten oft eine zentrale Ansprechstelle vermisst worden.
Der materielle Schaden kann laut Benjamin Becker von der Sparkassenversicherung durch den Abschluss einer Elementarschadensversicherung gemildert werden. Diese zurzeit noch freiwillige Versicherung kann mit der Brandversicherung abgeschlossen werden und beinhaltet neben den Hochwasserschäden auch Sturm und Hagel. Je nach Risikobereich beträgt sie 35 bis 100 Euro jährlich und dürfte damit, so Becker, auch noch erschwinglich sein. Mit einer Versicherungsquote von rund 60 Prozent sei das Bewusstsein für die Notwendigkeit dieser Versicherungsart in der Bevölkerung auch deutlich gestiegen.
Auch die kommunale Ebene ist gefordert
Bürgermeister Gerrit Müller (Rennerod) sieht Verbands- und Ortsgemeinden bei vorbeugenden Maßnahmen in der Pflicht. Er nannte hierbei die Reinigung der Vorfluter, die Renaturierung von Gewässerläufen, den Bau von Regenrückhaltebecken sowie die Bauleitplanung. Bei der Geräte- und Fahrzeugbeschaffung habe der Westerwaldkreis mit einem kreisweiten Beschaffungskonzept die richtigen Schritte unternommen.
Von konkreten Maßnahmen in ihren Ortsgemeinden berichteten die Ortsbürgermeister Benjamin Becker (Guckheim) und Daniel Best (Eitelborn). Die hierfür notwendigen topographischen Daten, so Kreistagsmitglied Karl-Heinz Boll, lägen beim Landesamt für Vermessung und Geobasisinformation und den weiteren Fachbehörden vor. Sie müssten allerdings für die Prävention und für Hilfsmaßnahmen auch genutzt werden.
Auch CDU-Kreisvorsitzender Dr. Andreas Nick MdB zeigte sich beeindruckt und dankbar für die von vielen Mitbürgern gezeigte Hilfe. Notwendig sei es jedoch, aus den Ereignissen für die eigene Region zu lernen. Neben einem umfassenden Alarmierungskonzept müssten zukünftig auch wieder verstärkt Übungen unter Einbeziehung der Bevölkerung vorgesehen werden. Auch sei der Bedarf an Geräten und Fahrzeugen für die Hilfsorganisationen einer Überprüfung zu unterziehen.
Abschließend stellten alle Mitwirkenden fest, dass nach dieser wetterbedingten Flutkatastrophe auch in der Bevölkerung das Bewusstsein für die Gefahrensituation gewachsen sei. Diese müsse man für konkrete Maßnahmen zur Verhinderung ähnlicher Schadensfolgen nutzen. (PM)
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