"Das Dschungelbuch" war auch als Erzählkonzert im Stöffel-Park ein Erlebnis
Christian Brückner und das wilde Jazzorchester erschufen Hörkultur vom Feinsten: Anderthalb Stunden sind vergangen, das Erzählkonzert ist vorbei und nun ist Zeit zum Aufbruch. Mogli geht zur Menschenwelt und die jungen Zuhörer schwenken stolz und gut gelaunt CDs, die das eben Gehörte „Dschungelbuch“ beinhalten, auf ihrem Weg zur Dampfwalze, um zu spielen.
Enspel. Welch ein Erlebnis! Alles hat super geklappt, die elf Musiker mit ihrem ausladenden und exotisch anmutenden Instrumentenarsenal haben auf der Basaltbühne im Stöffel-Park Platz gefunden und das Publikum mit ihrem Können beeindruckt, gefesselt und amüsiert.
Und „die Stimme“, Christian Brückner, hat mit ihnen ein ganz besonderes Erzählkonzert verwirklicht. Das wurde mit starkem Applaus gewürdigt und im Anschluss mit begeisterten Kommentaren. Und die kamen von allen Altersstufen – von grauhaarigen Großmüttern bis zu braunhaarigen Jungs.
Dem Veranstalter Hans Ruppert (Bad Marienberg) kamen gar die Tränen vor Freude und Erleichterung. Eine Woche zuvor war nur ein halbes Konzert aufgrund eines Gewitters in seiner Reihe „Jazz we can“ möglich gewesen. Jetzt, an diesem Samstagabend, war alles indes perfekt! Das ehemalige Silo, in dem sich die Zuschauerreihen befinden, gab an dem frühen Abend sogar Schutz vor der brennenden Sonne. Und zudem war das gute Wetter natürlich hilfreich, um sich ins „Dschungelbuch“ einzufühlen.
Nach der „Jazz we can“-Hymne lenkte Brückners Stimme schnell die Aufmerksamkeit auf die Wolfsfamilie, die das Menschenkind Mogli aufnimmt. Rüdiger Ruppert (Komponist, Produzent und hier auch Schlagzeuger, der mit Sebastian Krol Leiter der BigBand der Deutschen Oper Berlin ist) hat für das Hörkonzert den Originaltext von Rudyard Kipling ausgewählt und gekürzt.
Die Musik dazu hat der ebenfalls Mitwirkende Martin Ludwig Auer (u.a. Trompete) komponiert. Die Musik beginnt etwa mit einem witzigen, leicht eiernden Dschungelrhythmus. Wenn Brückner von den verrückten Affen erzählt, die Mogli entführen, schaukelt sich die Musik zu einem anarchistischen Primatengalopp in die Höhe, an anderen dramatischen Stellen wird es rockig – oder ganz still und andächtig.
Neben den drei Percussion-Musikern, die Glockenspiel, Marimba und Schlagzeug nutzen (Björn Matthiessen, Sebastian Trimolt, Ruppert), ist die Gitarre (Noah Sadeh) ein großer Gewinn, da sie alle Stimmungslagen großartig widergibt und untermalt. Krol spielt Posaune. Die beiden Geigen (Monia Rizkallah und Anna Matz) sowie die Cellistin Leslie Riva-Ruppert und Kontrabassist Julius Peter Nitsch geben dem Ganzen eine klassische Note, die beim wilden Jazzorchester natürlich schnell jähe Stilwechsel erlebt.
Immer wieder blitzt ein Lachen aus den Augen der Mitwirkenden, die Könner ihres Metiers sind, und die ebenfalls an dem frechen, unkonventionellen Werk ihre Freude haben. Dazu kommen die Blasinstrumente von Karola Elßner, Bassklarinette und -saxofon etwa. Und: Duduk! Dieses tiefe, wehmütig-sanfte armenische Holzblasinstrument bezaubert die Zuhörer – und es scheint ebenfalls die Schlange Kaa zu beschwören, von der Christian Brückner gerade erzählt.
Oft wechseln die Musikeinsätze mit dem Text ab, doch immer wieder wird die Erzählung untermalt oder begleitet von ihr – und natürlich auch interpretiert. Da ist nichts mit „Versuch’s mal mit Gemütlichkeit“ nach Art von Disney, aber das fehlt interessanterweise auch nicht. Der Originaltext ist ausschlaggebend, und der ist nicht so lieblich. Er spricht immer wieder das Gesetz des Dschungels an, das es zu achten gibt – im Gegensatz zum Affenchaos. Es geht um Vorurteile und um Machtkämpfe, um Liebe, Treue und Verrat. Und Platz für Humor ist ebenfalls in dem großartig gelungenen Gesamtkunstwerk. (PM / Tatjana Steindorf)
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