Mahnwache gegen rechts
Von Thomas Sonnenschein
Nachdem der AFD Spitzenkandidat Sebastian Münzenmeier einen Besuch in der Fassfabrik, der Hachenburger AFD-Zentrale, angekündigt hatte, stellte der Verein Demos e.V. unterstützt von SPD, Grüne und Linke eine Mahnwache auf.
Hachenburg. Die Fassfabrik in "Der Tiefenbach" in Hachenburg: Während des Nazi-Regimes damals ein Ort, an dem laut Demos e.V. mehr als 40 Zwangsarbeiter überwiegend aus Russland und der Ukraine schuften mussten, ist heute Zentrale der AFD Westerwald. Nachdem sich Sebastian Münzenmaier (Platz 1 der AFD-Landesliste) für einen Wahlkampfauftritt angekündigt hatte, fühlte sich der antifaschistische Verein Demos e.V. berufen, auf den Plan zu treten.
Angemeldet war eine Mahnwache mit 50 Teilnehmern. Die Teilnehmer hielten sich strikt an die Vorgaben, Veranstalter Demos e.V. stellte auch eigene Ordner. Zu Zwischenfällen kam es nicht. Von vorneherein zeigte sich, dass der Protest völlig friedlich ablaufen würde. Entsprechend entspannt zeigte sich auch die anwesende Polizei.
Aus sicherer Entfernung beobachteten immer wieder mutmaßliche Teilnehmer des Treffens der AFD die Demonstranten. Zu einem verbalen Austausch, geschweige denn einer direkten Diskussion kam es nicht. Nur ein Mal rief ein Mann laut Sieg Heil, die Demonstranten ließen sich davon aber nicht provozieren und behielten stoisch die Fassung.
Lissi Pfeiffer, Vorsitzende der Demos e.V. richtete Grußworte von Bürgermeister Peter Klöckner aus, der aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen konnte. Pfeiffer sieht in der rechten Vernetzung eine wachsende Gefahr. So habe sie selbst die Verbindung der Westerwälder AFD zu Waffen- und Immobilienhändlern, zu der vom Verfassungsschutz beobachteten Identitären Bewegung und zu Rechtsradikalen recherchiert, die – obwohl offiziell gar nicht in der AFD oder ausgetreten – ihrer Meinung nach bestens mit der Hachenburger Fassfabrik vernetzt seien. Die Besucher in der AFD-Zentrale Fassfabrik seien laut Pfeiffer zum Teil ehemalige Zuhälter und verurteilte Schläger. Auch Sebastian Münzenmeier sei bereits wegen Beihilfe zu Körperverletzung rechtskräftig verurteilt worden.
Münzenmeier selbst gilt aufgrund der niedrigen Höhe der Geldstrafe aber nicht als vorbestraft. Er ist es gewohnt, überall bei seinen Wahlkampfauftritten auf Polizei und Demonstranten zu stoßen. Auch gilt er als Impfgegner und als Parteimitglied am rechten Rand. Er selbst ordnet sich nicht klar ein und äußert in der Öffentlichkeit nur, dass er schlicht das Parteiprogramm umsetzen wolle.
Pfeiffer war sich nicht sicher, ob Münzenmeier überhaupt kommen würde oder ob er angesichts der Coronakonformen 3G-Regel fernbleiben würde. Fakt sei, dass im Zuge einer Kunstaktion das Bündnis „Aktives Gedenken“ eine Infotafel am Abend des 23. August unter dem Motto Denkzettel Hassfabrik in der Straßenzufahrt Zur Tiefenbach in Hachenburg installierte, um an die Zwangsarbeit in der Fassfabrik während des Nationalsozialismus zu gedenken. Diese Tafel sei übermalt worden.
Nach Rücksprache mit Stadtbürgermeister Stefan Leukel habe dieser versprochen, den Archivar mit der Recherche zu betrauen und im Falle erwiesener Tatsachen eine offizielle Gedenktafel seitens der Stadt aufstellen zu lassen.
Pfeiffer äußerte, dass seit Gründung des Vereins Demos in der Westerwälder Öffentlichkeit keine Rechtsradikalen mehr agieren würden. Sie selbst aber fürchtet um ihre eigene Sicherheit, denn als Vorsitzende muss sie im Register ihren Wohnort offen legen. Da sei es gut, dass sie keine Kinder habe. Sie ist auf Gehhilfen angewiesen und berichtet davon, dass ihr diese bereits - von ihrer Meinung nach Rechtsextremen - weggetreten worden seien. Sie sieht keinen Grund, sich von der Westerwälder Antifa zu distanzieren. Diese Aktionisten seien nicht gewalttätig, sondern leisteten Widerstand mit friedlichen, geradezu künstlerisch anmutenden Aktionen.
Jüngster Redner war mit gerade einmal 13 Jahren Giuseppe, der in diesem Zusammenhang seinen Nachnamen nicht genannt haben möchte, denn auch er fürchtet um seine Sicherheit. Giuseppe engagiert sich für neue Mitglieder der Grünen Jugend im Westerwald. Es sei Zeit für einen Generationenwechsel, denn die bisherigen Mitglieder der Jugend erreichen allmählich die Altersgrenze. Selbstbewusst sprach er in seiner Rede davon, dass Demokratie nur so stark sei, wie seine Verfechter.
Auffällig war die prominente Beteiligung einiger Parteien, die sich auch in ihren Ansprachen deutlich von der rechten Szene distanzierte. Viele von ihnen haben in ihrer Laufbahn selber Erfahrungen durch rechte Gewalt erlebt oder durchlitten. Zumindest sind sie überzeugt davon, denn beweisen können sie es nicht.
Heftig erwischt hat es zum Beispiel Natalie Brosch, die in Oberahr einem regelrechten Terror-Stalking zum Opfer fiel. Der Bundestagskandidatin der Partei "Die Linke" für den Westerwald, Mutter von vier Kindern, wurde systematisch über einen längeren Zeitraum übel mitgespielt. Mal wurden die Eingänge mit Mülltonnen verbarrikadiert, dann wurden die Türschlösser mit Superkleber versiegelt. Als dann auch noch die Reifen am Wohnwagen zerstochen wurden, fasste sie schweren Herzens, alleine schon der Sicherheit ihrer Kinder wegen, den Entschluss, Oberahr zu verlassen und zog nach Nassau. Dort habe sie gelebte Inklusion und Integration vorgefunden.
Auch Hachenburg habe im Westerwaldkreis in Sachen Integration Vorbildfunktion. Gerade in der Hachenburger Innenstadt habe sie im Wahlkampf ausgesprochen gute Gespräche geführt. Da sei es extrem schade, dass ausgerechnet dort aus der Fassfabrik ein rechtes Netzwerk geknüpft werde. Hass und Neid entstünden immer dann, wenn es keinen persönlichen Kontakt gebe.
Brosch hat sich auf Facebook den Account Heimatliebe Westerwald gesichert. Ein Begriff, den sicherlich auch so manch ein AFD-Mitglied gerne für sich beansprucht hätte. „Aber meine Heimat ist anders, sie ist bunt – und offen“, sagt Brosch. Sie hält die AFD für eine Hetzpartei ohne Inhalte, welche die Lebensgrundlage für die Kinder ablehne.
Broschs Parteifreund Martin Klein sitzt für die Linke seit 2009 im Kreistag, ist dort Fraktionsvorsitzender und sitzt im Landesvorstand. Auch er nahm an der Mahnwache teil. In seiner Ansprache rief er mit bekannten Göbbels-Zitaten, die ja schon 2015 und 2018 in den Medien und sozialen Netzwerken mit Reden von Björn Höcke verglichen wurden, die rechtsradikale Gesinnung des AFD-Flügels in Erinnerung.
Höckes Rhetorik wird ja allgemein als bewusst angesehen, denn nicht nur der damalige Reichspropagandaminister der Nazis war rhetorisch talentiert. Höcke ist es auch. Auf der Homepage der AFD Westerwald stellt die Partei der Jugend ebenfalls rhetorische Schulungen in Aussicht.
Klein sagte, gerade die AFD Westerwald sei dem rechts-außen Flügel der AFD sehr zugeneigt. Deren Mitglieder würden auch regelmäßig zu Höcke fahren. Mehr noch: In all den Jahren seiner politischen Arbeit habe Klein mehr und mehr erkannt, wie verzweigt rechtsradikale Organisationen mit der AFD im Westerwald seien. Er selbst habe auch jahrelang Drohungen erhalten.
Ebenfalls anwesend war Claudia Boas, Kandidatin von "Die Partei". Sie sagte, der Westerwald sei nicht faschistisch. Es sei fatal, wenn einige Wenige von Hachenburg aus ein rechtes Netzwerk aufbauen würden.
Konrad Adenauer, Urkanzler der Bundesrepublik, sah das nach Ende des Zweiten Weltkrieges anders. Er war der Überzeugung, die ganze Gegend sei durch und durch nationalsozialistisch gewesen.
Wie man politisch auch immer dazu stehen mag, die Vorwürfe lasten schwer. Und auch wenn die Demonstranten die Fassfabrik kurzerhand als Hassfabrik bezeichneten, so blieb die gesamte Veranstaltung, abgesehen von etwas Linksrock, ruhig und gesittet.
Rechercheveröffentlichungen von Demos e.V. finden sich hier, hier, hier und hier.
Hinweis: Die Recherche-Ergebnisse wurden nicht redaktionell überprüft. Die Richtigkeit der Informationen unter den Links kann deshalb seitens der Kuriere nicht bestätigt werden. Die Verlinkung dient lediglich dazu, die Beweggründe von Demos e.V. zu verdeutlichen.
(Thomas Sonnenschein)
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