Viertes Poetry Slam-Festival in Selters begeisterte auf hohem Niveau
Von Wolfgang Rabsch
Wenn es stimmt, dass Rechtsanwälte Wortverdreher sein sollen, dann haben die meisten Poetry-Slammer den Beruf verfehlt. Denn das, was beim vierten Poetry Slam-Festival auf die Besucher in der Festhalle von Selters an Wortwitz, Wortverdrehungen und Worthülsen niederprasselte, konnte man nur mit höchster Konzentration nachvollziehen.
Selters. Die schöne deutsche Sprache, die von den meisten geliebt wird, von einigen Wenigen verändert werden soll, bietet dafür ein breites Spektrum. Die Doppelbödigkeit und Doppelzüngigkeit vieler Worte sind beeindruckend und stellen häufig einen anderen Hintergrund dar, als das, was ausgesprochen wurde. Dem Grunde nach also eine anspruchsvolle Veranstaltung, die nichts mit Comedy oder Slapstick zu tun hat. Die Sprache wird sozusagen als Instrument, als Wortwaffe eingesetzt. Die Texte der Wortakrobaten stammen aus der eigenen Feder, werden frei rezitiert oder vom Blatt abgelesen. Künstliche Hilfsmittel sind verboten, Stimme, Gestik und Mimik entscheiden über die Qualität eines Vortages.
Mario del Toro, selbst ein begnadeter Slammer, moderierte den Contest
Nach der Begrüßung stellte er die auftretenden Künstler vor: Morgaine Prinz aus Düsseldorf, Julius Esser aus Bonn, Christian Gottschalk aus Köln und Jana Esser aus Trier, die teils Neulinge oder als Routiniers ihre Auftritte absolvierten. Da es sich um einen Wettbewerb handelte, bei dem es das begehrte „Selterser Dippche“ zu gewinnen gab, musste natürlich eine Jury gebildet werden und die Jury waren die Besucher. Durch das Heben von Platzkarten nach einem Auftritt wurde festgestellt, wie viele Besucher dafür stimmten, dass der Vortrag ins Finale kommen sollte. Insgesamt wurden zwei Runden ausgespielt, jeder Slammer wurde zweimal bewertet, die Anzahl der abgegebenen Stimmen addiert und somit die beiden Finalteilnehmer ermittelt.
Die Ehre des ersten Vortrags lag bei Julius Esser, der sich mit seinem „Inneren Udo“ auseinandersetzte, mit Udo war natürlich Udo Lindenberg gemeint. Da Julius den wahren Udo stimmlich einfach perfekt imitieren konnte, entwickelte sich ein herrlicher Dialog zwischen Julius und seinem „Inneren Udo“, wobei natürlich ein „Stößchen“ mit einem „Eierlikörchen“ nicht fehlen durfte. In seinem zweiten Wortbeitrag hatte Julius Esser das Wort „vielleicht“ im Visier, welches er von allen Seiten beleuchtete. Es endete mit der genialen Weisheit „Vielleicht macht ein Vielleicht das Leben manchmal viel leichter“.
Christian Gottschalk hatte so seine Probleme mit Möbeln, weil die meisten potthässlich sind, außer den Tischen. Manche haben geschmacklose Möbel und dann noch Adel Tawil als Lieblingssänger. Punker hätten, wenn sie bettelten, drei Kästchen vor sich zu stehen, beschriftet mit Bier, Hund und Gras. Die Omas werfen immer für den Hund ihre Spende rein, aus Protest spendet Christian immer für Gras.
Morgain Prinz befasste sich mit ernsten Themen. Die Gleichgültigkeit von Menschen. In einem Bus schlägt eine Mutter ihr kleines Kind, niemand greift ein, alle sind stumm und schauen weg, bis sie eingreift und die Mutter zur Rede stellt, erst in diesem Moment solidarisieren sich die übrigen Fahrgäste. Jana Esser schildert ihren Kampf beim Frisör, als sie zur Steigerung ihres Selbstbewusstseins am Kopf einen Befreiungsschlag vornehmen wollte. Im zweiten Vortrag hatte sie die Angst von Frauen zum Thema, die in der Dunkelheit häufig jemanden spüren, der unmittelbar hinter ihnen geht.
Nachdem Mario del Toro alle Stimmen addiert hatte, kam es zum Finale zwischen Morgain Prinz und Julius Esser. Julius Esser beeindruckte erneut mit einer humoristischen Performance, wobei er ein Zwiegespräch mit seinem Hamster hielt, der im Hamsterrad immer rund lief und dabei mit holländischem Dialekt sprach, an dem Rudi Carrell sicherlich seine helle Freude gehabt hätte. Der Hamster versuchte doch tatsächlich dem Julius klarzumachen, dass die Hauptstadt von Holland Hamsterdam heißt.
Mit seinem Vortrag holte Julius Esser mehr Stimmen als Morgain Prinz, damit durfte er das „Selterser Dippche“ als Trophäe mit nach Hause nehmen. Beim Schlussapplaus standen noch einmal alle vier Slammer und Organisatorin Birgit Lantermann auf der Bühne. Mario del Toro dankte Birgit Lantermann, der Stadt Selters, den Technikern, dem Hausmeister und allen fleißigen Händen und hatte zum Ende noch eine umjubelte Überraschung parat: „Das Halbfinale der rheinland-pfälzischen Meisterschaft im Poetry Slam wird 2022 definitiv in Selters ausgetragen.“ (Wolfgang Rabsch)
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