BUND: Gegen Hochwasser vorsorgen - Flächenverbrauch stoppen
Von Wolfgang Tischler
BUND fordert gemeinsame Maßnahmen der Kommunen an Saynbach und der Wied und fordert, dass die ausufernden Neubauplanungen zurückgefahren werden müssen.
Region. Die Flutkatastrophe im Ahrtal, aber auch örtliche Überschwemmungen nach Starkregen haben gezeigt: Hochwasser ist auch in unserer Region Mittelrhein-Westerwald ein brisantes Problem, das zusätzliche Maßnahmen erfordert. Nach den schlimmen Erfahrungen an der Ahr und der zunehmenden Wahrscheinlichkeit von Extremwetterereignissen infolge der sich verschärfenden Klimakrise müssen nun überall gemeinsam abgestimmte Maßnahmen ergriffen werden zum Schutz von Leib und Leben sowie gewässernaher Gebäude und Infrastruktur. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Landesverband Rheinland e.V. hat insbesondere den Saynbach und die Wied näher in den Blick genommen, weil es hier ähnliche Geländeverhältnisse wie an der Ahr gibt und ein großes Einzugsgebiet.
„Im Falle eines extremen, langandauernden Starkregens wie Mitte Juli in der Eifel könnte es auch an Bächen und Flüssen im Westerwald zu Flutwellen und Überschwemmungen kommen, die alles bisher Dagewesene übersteigen“, befürchtet der BUND-Regionalbeauftragte Egbert Bialk. In einem umfangreichen Schreiben an die Landräte des Kreises Neuwied und des Westerwaldkreises und zahlreiche Verbands- und Ortsbürgermeister der betroffenen Kommunen sowie an das Umweltministerium und die Obere Wasserbehörde SGD Nord erläutert der BUND die Problemlage und fordert die Erstellung neuer und umfangreicher Hochwasservorsorgepläne auf der Basis der Erfahrungen an der Ahr: „Hätte das Dauerregen-Tief nur 30 Kilometer weiter südöstlich gelegen, hätten wir hier die Katastrophe gehabt. Mit diesem Risiko müssen sich die Kommunen und Gremien sowie die Fachbehörden und Katastrophendienste eingehend befassen und gemeinsam so weit wie möglich Vorsorge treffen. Die Enquete-Kommission im Landtag deckt gerade erhebliche Mängel und Systemfehler im Ahrtal auf. Das Problem stellt sich aber überall im Land, prinzipiell auch bei uns. Hier besteht dringender Diskussions- und Handlungsbedarf“, erklärt Bialk.
Auch bei kürzeren örtlichen Starkregen können Überschwemmungen auftreten. So wurde die Gemeinde Isenburg am Zusammenfluss von Saynbach, Ommelsbach, Wiebbelsbach, Caaner Graben und Iserbach in den letzten Jahren bereits mehrfach von Überschwemmungen heimgesucht, zum Beispiel am 1. Juni 2018, 22. Mai 2021 und 10. September 2021. Gebäude, Autos und Gärten kamen zu Schaden. Der BUND sieht eine der Ursachen dafür auch in der zunehmenden Flächenversiegelung an den Oberläufen der Gewässer und hat die Herkunft der Wassermengen analysiert: „Hier nimmt das Bachtal das Oberflächenwasser von rund dreißig Wohngemeinden und sechs, teil größeren Gewerbegebieten und der Autobahn A 3 auf. Das Einzugsgebiet reicht von Meinborn bis nach Freilingen, Ransbach/Mogendorf und Sessenbach/Caan, insgesamt 160 Quadratkilometer.
In vielen Gemeinden werden aber gerade eine Reihe von neuen Baugebieten geplant. Der möglicherweise bald auslaufende § 13b des Baugesetzbuches erleichtert und beschleunigt das für die Kommunen. Die Versiegelungen werden dadurch noch einmal erhöht, die Umweltprüfungsstandards reduziert. Für die Unterlieger an Sayn und Wied kann das böse Folgen haben“, befürchtet Bialk.
Der BUND ruft deshalb alle Gemeinden im Gebiet der genannten Fließgewässer auf, ihre Bauleitpläne grundlegend so zu überdenken, dass der Flächenverbrauch reduziert wird, möglichst auf null, aus Gründen des Landschafts- und des Hochwasserschutzes. Innenentwicklung müsse Vorrang vor der Bebauung neuer Außengebiete haben, wie im Baugesetzbuch § 1a und im regionalen Raumordnungsplan festgelegt. „Verlust von natürlichem Boden und Oberflächenversiegelung können durch technische Maßnahmen nur teilweise ausgeglichen werden. Darum müssen Neubaugebiete gestoppt, Klimaschutzerfordernisse beachtet und Umweltprüfungen sofort wieder gründlich durchgeführt werden.
Einen Neubaubedarf muss jede Gemeinde laut Baugesetzbuch mit belastbaren Daten und Prognosen nachweisen. Alles andere wäre rechtlich fragwürdig, produziert in einigen Jahren öden Leerstand in den Dörfern und ist hinsichtlich des Hochwassers reichlich fahrlässig. Am wichtigsten ist aber die vorsorgende Kooperation der Kommunen und Kreise im Einzugsbereich unserer Gewässer. Der BUND möchte mit dem offenen Brief darum nicht nur auf die Probleme hinweisen, sondern einen umfassenden öffentlichen Dialog und abgestimmte Maßnahmen anregen“, heißt es in der Pressemitteilung.
Das der Redaktion vorliegende umfangreiche Schreiben kann wie folgt zusammengefasst werden:
Der BUND Rheinland-Pfalz bittet die Landräte des Kreises Neuwied und des Westerwaldkreises, ihre Kreistage und Verwaltungen verstärkt mit dem Thema Hochwasservorsorge bei Extremwetterlagen und Starkregen zu befassen mit dem Ziel einer Koordination von verstärkten präventiven Maßnahmen und eines wirksamen Katastrophenschutzes.
Die Verbandsgemeinden im Einzugsbereich des Saynbaches einschließlich der Zuflüsse (VG Dierdorf, Ransbach-Baumbach, Wirges und Selters) werden dringend gebeten, ihre Hochwasservorsorgepläne im Hinblick auf die erhöhten Risiken nach dem neuesten Stand der Daten und wasserwirtschaftlichen Technik zu überarbeiten. Die SGD Nord als obere Wasserbehörde und die Nachbargemeinden, vor allem die Unterlieger, sind einzubeziehen. Die Bevölkerung und Träger öffentlicher Belange und Gremien sollten umfassend beteiligt werden, und die Maßnahmen müssen wirksam öffentlich kommuniziert werden.
Das Gleiche regt der BUND für den Bereich der Wied und ihrer Zuflüsse an.
Alle Gemeinden im Einzugsgebiet der genannten Flüsse und Bäche werden aufgerufen, ihre Bauleitplanung grundlegend so zu überdenken, dass der Netto-Flächenverbrauch deutlich reduziert wird, möglichst auf null. Die Flächenversiegelung muss gestoppt werden, auch im Interesse des Hochwasserschutzes. Die Empfehlungen des regionalen Raumordnungsplanes und des Baugesetzbuches bezüglich des Vorrangs der Innenentwicklung vor der Bebauung der Außenbereiche müssen unbedingt beachtet werden, ebenso die eher negativen Bevölkerungsprognosen für die Region. Im Hinblick auf den auslaufenden § 13 b BauGB sollte die derzeit ausgesetzte Umweltprüfung wieder bei allen Planungen durchgeführt werden.
(woti)
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