Der Deutsche Meister im Cruisergewicht kommt aus dem Westerwald
Von Thomas Sonnenschein
Was Yakup Saglam im Westerwald erreicht hat, darauf ist er zurecht sehr stolz. Der charmante Profiboxer hat das Herz am richtigen Platz. Dabei hatte er es nicht leicht, hat sich selbst hochgezogen. Ob im Leben oder im Ring: Yakup Saglam steht nach jedem Tiefschlag wieder auf. Die Kuriere trafen ihn in Hachenburg.
Hachenburg/Weitefeld/Region. Mit 42 Jahren steht Profiboxer Yakup Saglam noch immer im Ring. Mehr noch: Mit einem Knock Out in der ersten Runde siegte er im Kampf um den Titel gegen Andy Höschler und ist jetzt neuer Deutscher Meister im Cruisergewicht.
Höschler war nach dem Kampf mächtig sauer. Er hatte seinen Gegner unterschätzt. Dabei boxte Saglam bisher in der Schwergewichtsklasse. Mit einem Gewicht von mehr als 103 Kilogramm hatte er bereits gegen wahre Kraftpakete anzukämpfen, darunter ist er gegen vier Weltmeister angetreten. Auch hatte er in der Schwergewichtsklasse bereits vier Mal den Deutschen Titel geholt.
Der Kampf findet im Kopf statt
Für den Kampf gegen Höschler jedoch wurde Saglam nur zehn Tage zuvor eingeplant, nachdem der ursprüngliche Gegner Höschlers wegen einer Corona-Infektion absagen musste. Höschler hatte bereits sechs Wochen für den Kampf trainiert.
Um sich für den Fight zu qualifizieren, stand Saglam eine harte Woche bevor. Er musste zehn Kilogramm abspecken, um für die Cruiserklasse zugelassen zu werden. Und tatsächlich: Diese unlösbar scheinende Aufgabe schaffte er mit Entbehrungen, Hunger, hartem Training und viel Schwitzen. Da war es klar, dass sein Gegner dachte, er sei gesundheitlich so angeschlagen, dass es ein leichtes Spiel mit ihm sei.
Aber Saglam lehrte ihn eines Besseren. "Boxen ist mental, der Kampf findet nicht in den Muskeln statt, sondern im Kopf", sagt Saglam. Mit der eigenen Freude darüber, die Gewichtsabnahme erfolgreich bestanden zu haben, die Entbehrungen in Kauf genommen zu haben, sah er es als Zeichen für den Sieg. Und mit einer Energie, die aus seinem Innersten, aus seinem Willen heraus in seine Treffer strömte, ging Höschler in der ersten Runde auf die Bretter und konnte nicht mehr weiter kämpfen.
Yakup Saglam aus dem Westerwald
Was nach einer Rocky-Verfilmung klingt, ist tatsächlich so gewesen im Titelkampf des BDB bei der Kölsche Fightnight. Angekündigt wurde Saglam lautstark als Yakup aus dem Westerwald. Damit trägt der Profi seinen Titel auch für seine Heimat, in der er sich wohl fühlt und in der Menschen leben, die ihm schon sehr geholfen haben. Die breite Westerwälder Öffentlichkeit indes hat von ihm bisher kaum Notiz genommen. Kaum jemand kennt ihn. Dabei hat er schon in Neuseeland im Schwergewicht gekämpft. Auch auf dieser anderen Seite der Welt ist Yakup aus dem Westerwald bekannt und wurde selbst dort genauso angekündigt.
Vom Fußball zum Profiboxen
Yakup Saglam wurde in der Türkei geboren und kam im Alter von 10 Jahren ohne Eltern nach Deutschland. Er wuchs dann bei seinem Onkel erst in Kirchen und dann in Nauroth auf und wurde streng erzogen. Als angehender Erwachsener fiel ihm ohne Förderung von Haus aus der berufliche Einstieg nicht leicht, weshalb ihn sein Onkel unter Druck setzte und ihm damit drohte, ihn zurück in die Türkei zu schicken.
Da kam ihm ein Mensch zuhilfe, dem bis heute all seine Dankbarkeit gebührt. Als Fußballer in Langenbach lernte er Manfred Strunk kennen, der sich seiner annahm und ihn bei sich in der Firma aufnahm. Noch heute geht Saglam, seiner sportlichen Karriere zum Trotz, in dieser Firma seiner geregelten Arbeit nach. Vom Fußball hingegen musste er sich im Alter von 26 Jahren wegen eines Miniskusproblems verabschieden.
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In dieser Zeit interessierte sich Saglam für die klassischen Boxlegenden wie Muhammed Ali oder Larry Holmes. Jenen Größen, die damals noch in bis zu 15 Runden dauernden Kämpfen mit viel zu harten Handschuhen gekämpft haben. So versuchte er sein Glück beim Freizeitboxen. Richtige Sparring-Partner sind im Westerwald aber nicht zu finden, weshalb er einem Tipp folgend nach Koblenz fuhr und in einem Boxclub dort - unerfahren wie er war - um einen Probekampf bat. Er traf auf Profi-Trainer Detlef Loritz, der Saglam nur allzu gerne beweisen wollte, dass es viel Erfahrung braucht im Boxsport. Also stellte er Saglam in den Ring, wo er im Sparring von einigen erfahrenen Boxern immer wieder niedergeschlagen wurde. Loritz dachte, Saglam sehe er so schnell nicht wieder. Aber weit gefehlt, denn schon am nächsten Tag trat Saglam einschließlich seiner Blessuren im Gesicht wieder vor Loritz und fragte: "Wer ist jetzt dran?" Da musste Loritz erst mal tief Luft holen, denn diese Hartnäckigleit beeindruckte ihn sehr.
Von diesem Tag an unterwies er Saglam in ein eigenes Trainigsprogramm. Während andere sich am Punchingball austoben durften, hieß es für Saglam monatelang erst mal Bewegung, Technik, Bewegung, Technik, Bewegung.
Detlef Loritz war es dann auch, der Saglams ersten Profikampf gegen einen Russen ermöglichte, der unentschieden ausfiel. Danach siegte Yakup Saglam bei zehn aufeinander folgenden Profikämpfen mit K.O.
Yakup Saglam bildet seinen Nachfolger aus
"Ich bin ein Westerwälder Basaltkopp geworden. Ich bin in 50 Kämpfen immer aufgestanden. Meine innere Stimme sagt mir jedes Mal: Mach weiter!", konstatiert Saglam, der inzwischen seinen eigenen Zögling hat, den er zu seinem Nachfolger ausbildet. Der 22-jährige Kazim Hamad war von Saglams Geschichte von Anfang an fasziniert und inspiriert. Er nimmt wie sein Vorbild viele Entbehrungen in Kauf, um selbst einmal große Ziele zu verwirklichen. Von neun Amateurkämpfen hat er bereits acht gewonnen und steht mit seinem Training dank Saglam kurz vor seinem Profi-Debut.
"Boxen verlangt viel Disziplin", sagt Saglam, der sich darüber freut, auch für die Jugend mit seiner eisernen Willenskraft eine Vorbildfunktion zu besitzen, "Schwätzer haben wir genug. Wir brauchen Macher." Damit ist klar, dass sich Yakup Saglam nicht auf seinen Lorbeeren ausruht, Starallüren kennt er nicht.
Die Stadt im Westerwald, die Yakup Saglam am meisten anzieht ist Hachenburg. Da möchte er sich auch gerne niederlassen und sucht zur Zeit dort nach einer geeigneten Wohnung für sich. (Thomas Sonnenschein)
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