Amtsgericht Montabaur stuft gefährlichen Eingriff in Straßenverkehr als Verbrechen ein
Von Wolfgang Rabsch
Beim Einzelrichter des Amtsgerichts Montabaur wurde ein Fall des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verhandelt. Dem 77-jährigen Angeklagten wird seitens der Staatsanwaltschaft Koblenz vorgeworfen, am 26. April 2020 auf der L 318 zwischen Görgeshausen und Heiligenroth einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vorgenommen zu haben.
Montabaur. In der sogenannten „Hermolder“ hatte sich ein Verkehrsunfall zwischen einem PKW und einem Motorrad ereignet, infolge des Unfalls erfolgte eine Vollsperrung der L 318. Der Angeklagte wird beschuldigt, trotz aufgestellter Absperrungshinweise, diese ignoriert zu haben und sich auf seinem Motorroller der Unfallstelle genähert zu haben. Da bei dem Unfall Schmiermittel ausgelaufen waren, stellte sich ein Zeuge vor diesen Ölfleck, als er den Roller ankommen sah, um ein eventuelles Wegrutschen zu verhindern.
Der Roller näherte sich dem Zeugen mit unverminderter Geschwindigkeit von geschätzten 40 km/h und fuhr ohne abzubremsen oder auszuweichen frontal auf den Zeugen zu. Der Zeuge konnte noch einen Schritt zur Seite machen, wurde aber trotzdem von dem Motorroller seitlich erfasst, wodurch er Prellungen an den Armen und Händen erlitt und in der Folge eine Woche arbeitsunfähig war. Der Angeklagte fuhr trotz der Kollision mit dem Zeugen weiter in Richtung Großholbach und missachtete dabei eine weitere Polizeiabsperrung. Wir berichteten.
Zur Person gab der Angeklagte an, dass er gelernter Kfz-Mechaniker sei, sich aber jetzt im Ruhestand befindet und im Monat lediglich 641 Euro Rente erhält. Bei seinem Sohn würde er sich durch leichte Hausmeistertätigkeit etwas hinzuverdienen. Er sei verheiratet und habe zwei erwachsene Kinder. Auf Anraten seiner Verteidigerin sagte der Angeklagte zur Sache nicht aus. Der Vorsitzende Richter Ingo Buss erklärte, dass zwischen den Beteiligten keine Erörterung zur Herbeiführung einer tatsächlichen Verständigung stattgefunden habe.
An dem Tag war ein Videoteam des WW-Kuriers vor Ort, um Aufnahmen von dem Unfallgeschehen zu fertigen. Genau in dem Moment, als es zu dem Unfall zwischen Motorrad und dem Zeugen kam, hatte der Kameramann seine Kamera auf das Unfallgeschehen gerichtet und hat so den gesamten Hergang auf Film dokumentieren. Diese Videosequenz wurde der Polizei bei den Ermittlungen zur Verfügung gestellt und konnte im Sitzungssaal während der Verhandlung vorgeführt werden. Es war deutlich zu erkennen, dass der Fahrer des Rollers mit unverminderter Geschwindigkeit frontal auf den geschädigten Zeugen zusteuerte, dabei keinen Versuch unternahm abzubremsen oder dem Zeugen auszuweichen und letztlich den Zeugen touchierte. Am Ende des Textes sehen Sie einen Zusammenschnitt der damalig veröffentlichten Aufnahmen.
Sodann wurde der Geschädigte in den Zeugenstand gerufen. Er sagte aus, dass man auf den Abschleppdienst vom ADAC wartete. Die L 318 war komplett abgesperrt, trotzdem kam der Roller mit relativ hoher Geschwindigkeit angefahren. Der Zeuge weiter: „Als ich den Roller ankommen sah, stellte ich mich auf den Ölfleck, damit der Roller nicht darüberfahren konnte, um eventuell ins Rutschen zu kommen. Trotzdem hielt der Rollerfahrer frontal auf mich zu, er machte keinerlei Anstalten, auszuweichen oder abzubremsen. Der Roller berührte mich am Oberkörper, dabei vor allen Dingen an meinem linken Arm und an der linken Hand, wodurch ich schmerzhafte Verletzungen erlitt. Der Rollerfahrer hätte mich auf jeden Fall sehen müssen. Im Vorbeifahren konnte ich erkennen, dass ein Mann den Roller führte, der älter als 40 Jahre dem Anschein nach gewesen ist. Hinten auf dem Roller saß auf jeden Fall eine Frau.“
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Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Koblenz regte an, zu prüfen, ob nicht die Abgabe des Verfahrens an das Schöffengericht in Montabaur erfolgen müsste, da eventuell der Vorwurf des Verbrechens im Hinblick auf das Herbeiführen eines Unglücks gemäß Paragraf 315b, Absatz 3, Ziffer 1a des Strafgesetzbuchs (StGB) infrage kommt.
Die Verantwortung des Angeklagten am Zustandekommen des Unfalls wird in Abrede gestellt, obwohl der Angeklagte bei der Polizei zugegeben hatte, den Roller zum fraglichen Zeitpunkt geführt zu haben. Diese Aussage bei der Polizei ist jedoch nicht gerichtsverwertbar, da sie ohne vorherige Belehrung erfolgte.
Ein Polizeibeamter, der die Unfallstelle aus Richtung Großholbach absperrte, konnte das Unfallgeschehen mit eigenen Augen verfolgen und schildern. Er bestätigte die Angaben des geschädigten Zeugen. Der Roller sei auch bei ihnen vorbeigefahren, ohne anzuhalten. Im Vorbeifahren konnte jedoch das Kennzeichen abgelesen werden. Halter des Rollers ist der Sohn des Angeklagten, darum wurde die Anschrift des Sohnes von der Polizei in Limburg seinerzeit aufgesucht. Nach einigem Zögern bestätigte der Sohn, dass sein Vater zusammen mit seiner Mutter mit dem Roller unterwegs sei.
Daraufhin hat der Polizeibeamte den Vater als Beschuldigten in der Anzeige geführt. Bei der polizeilichen Vernehmung habe der Vater zugegeben, verantwortlicher Fahrer des Rollers gewesen zu sein. Der Polizeibeamte habe sich nur gewundert, dass die Statur des Vaters nicht mit der Statur des Rollerfahrers seiner Meinung nach übereinstimmte.
Nach dieser Aussage beantragte die Vertreterin der Staatsanwaltschaft Koblenz formell die Verweisung an das Schöffengericht Montabaur. Die Verteidigung gab zu diesem Antrag keine Erklärung ab.
Der Vorsitzende Richter verkündete sodann den folgenden Beschluss:
Das Verfahren wird an das Schöffengericht Montabaur verwiesen, da die Verwirklichung eines Verbrechenstatbestands gemäß Paragraf 315 b Absatz 3 in Verbindung mit Paragraf 315 Absatz 3, Ziffer 1a StGB (Herbeiführen eines Unglücksfalls) im Raum steht, und dadurch die sachliche Zuständigkeit des Strafrichters nicht mehr gegeben ist.
Da Richter Ingo Buss auch Vorsitzender des Schöffengerichts Montabaur ist, konnte er bereits vorab den Termin auf 23. März 2022 um 9 Uhr festlegen. Zu diesem Termin sollen sämtliche Zeugen geladen werden, so dass mit einem ganztägigen Verfahren zu rechnen ist.
Die Verweisung der Anklage an das Schöffengericht hat für den Angeklagten zur Folge, dass er im Falle einer Verurteilung, mit einer wesentlich höheren Freiheitsstrafe zu rechnen hat. (Wolfgang Rabsch)
Video von der Einsatzstelle am 26. April 2020
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