Shoa-Gedenken: Die Höhr-Grenzhäuser Juden waren nicht nur Opfer, sie waren Menschen
Ein besonders bewegender Gottesdienst fand in der Evangelischen Kirche in Höhr-Grenzhausen statt. Schwermütige jüdische Musik, epische Orgelklänge, Texte und Gebete auf aramäisch und hebräisch, Gedenkkerzen und eine Pfarrerin, die daran erinnerte, dass es Menschen waren, die nicht vergessen werden dürfen.
Westerwaldkreis. 24 Lichter leuchten in der Evangelischen Kirche Höhr-Grenzhausen. Auf ihnen stehen Namen wie Johanna, Rosa, Max, Fritz. Es sind die Namen der Höhr-Grenzhäuser Juden, die während des NS-Regimes umgebracht wurden. Wenn an die Shoa, also das "große Unheil" erinnert wird, ist oft von den Opfern die Rede. Der Gedenkgottesdienst in der Evangelischen Kirche möchte den Blick weiten: auf die Menschen hinter den Namen.
Der Davidsstern am Arm
Dass Rosa, Fritz, Max und all die anderen nur Opfer sind, wird ihnen nicht gerecht. Und schon gar nicht, wenn ihr Leid mit dem derjenigen verglichen wird, die unter den Einschränkungen der Corona-Pandemie leiden. Für die Pfarrerin der Evangelischen Kirchengemeinde, Monika Christ, ist das die rote Linie: „Ich sehe Männer und Frauen auf Corona-Demonstrationen einen Gelben Stern tragen und behaupten, es sei heute so schlimm wie damals. Nein, das ist es nicht!“
Bei allem Verständnis für diejenigen, die angespannt seien und an der Situation fast zerbrächen: Solche Parallelen verböten sich, findet die Pfarrerin: „Lasst uns nicht vergleichen. Sondern lasst uns lernen zu erzählen, was uns erschöpft, aber auch was uns Kraft gibt und woher wir unseren Glauben nehmen. Lass nicht aus, was Dich beschäftigt, aber erzähle auch, was Dich strahlen lässt. Wenn Dich Dein Kind morgen fragt, dann erzähle und verschweige nicht. Und lass Deinem Gesicht ansehen, dass Du Mut hast.“
Jüdische Musik
Diese Mischung aus Leid und Zuversicht prägt viele Leben. Und sie prägt seit jeher die Geschichte der Juden in Europa und dem Rest der Welt. Diese Spannung ist in deren Liedern besonders spürbar. Odelia Lazar und ihr Partner Michael Wienecke sangen und spielten Stücke zwischen Klagen und Trotz. Schwermütiges und Schönes wie „Wir lejben ejwig“ oder „Donaj, Donaj, Donj“, aus denen immer wieder ein hoffnungsvolles Lächeln zwischen den Takten aufblitzte.
Die rund 50 Gottesdienstbesucher spürten, wie nahe Odelia Lazar diese Lieder gehen. Auch in ihrer Familie sind Menschen der Nazi-Diktatur zum Opfer gefallen. Davon erzählt sie mit den Liedern, und die fremden Worte, so scheint es, werden ihre eigenen.
Ein sehr bewegender, einzigartiger Gottesdienst
Die Orgelmusik griff die eigentümliche Stimmung auf: Die instrumentalen Werke jüdischer Komponisten sind oft geprägt von den schweren Harmonien der Romantik. Manchmal bleiben die Klänge sperrig und unangenehm; manchmal lösen sich die Dissonanzen in vertraute Akkorde auf, als ob uns die Komponisten sagen wollen: alles wird wieder gut.
Kirchenmusikerin Eva Maria Mombrei bewies bei der Auswahl und der Interpretation ein feines Gespür für das, was an diesem Abend angemessen war: das ruhige Hinhören. Hören auf die hebräisch und aramäisch vorgetragenen Gebete von Wolfgang Elias Dorr, auf die Worte der Lesung von Stefan Händel, auf die Musik. „Hinhören, weil Hörende immer auch Erzählende sind“, wie es Pfarrerin Monika Christ ausdrückte. „Die Menschen, die damals gelebt haben, waren wie Du und ich. Ahnt ihr Leben. Und vergesst nicht ihr Sterben.“ (PM)
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