Buchtipp: „Das Verkehrte und das Richtige“ von Annegret Held
Von Helmi Tischler-Venter
Auf dieses Buch hat die große Fangemeinde lange gewartet. Es ist der intimste und anrührendste Roman der Westerwälderin. Er handelt davon, wie sie alleinerziehende Mutter wurde in der katholischen Provinz, in Pottum am Wiesensee. Im Sommer 2021 fürchtete die Autorin, sich mit der Publikation im Dorf zu blamieren bis auf die Knochen.
Dierdorf. Aber das Buch ist eine Liebeserklärung an Helds Heimat, an ihr Dorf „Scholmerbach“, an seine Bewohner, an die Eltern und Mutters Erdbeermarmelade und ganz besonders an das „wunderbare Kind“, das vom ersten Moment der Zeugung an gesegnet und von Engeln beschützt ist.
Der Herrgott und die Orgel haben auch mitgespielt, und „schuld“ an der Entstehung dieses Kindes ist das Dorf, das feierwütig und trinksüchtig 1987 ein großes Fest für seine Freiwillige Feuerwehr und den Musikverein ausrichtet. Mit zwölf goldschimmernden Ehrendamen, zu denen die 25-jährige Anna gehört, die als Polizistin in Hessen in senfgelb-grüner Uniform böse Kerle festnimmt und Liebeskummer hat wegen ihres verheirateten Kollegen Heinz, der sie am Anfang „Bullette, die zu Höherem geboren ist“, nennt und der sie nun verlassen hat. In diesem emotionalen Ausnahmezustand erhält die Ehrendame Anna vom Festausschuss den Auftrag, sich zusammen mit ihrer Freundin Ria um die beiden Pfarrer zu kümmern.
So triff die Leidende auf den evangelischen Pfarrer der Nachbargemeinde, der, höllisch schön wie ein Schlagersänger mit schwarzen Haaren und Feuerteufel-Augen, der Schwarm aller Frauen ist. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Und für alle Sünden eine biblische Absolution.
Die sündhafte Beziehung zu einem verheirateten Priester ist in den Augen der katholischen Kirche ganz verkehrt, noch verkehrter wird sie, als sich Folgen zeigen, die durch die „Pille danach“ nicht zu eliminieren sind und die Anna bald nicht mehr missen will, weil sie schnell eine liebevolle Beziehung zu dem Fünkchen in ihrem Unterleib entwickelt hat.
Wohl wissend, dass die Eltern sehr enttäuscht sein werden, offenbart die junge Frau, die vom Polizeidienst in Hessen in ein Völkerkunde-Studium nach Heidelberg gewechselt ist, ihren Zustand an Heiligabend. Doch die Mutter findet die Bescherung ganz entsetzlich und hört nicht auf zu schreien. Der Vater weint. Ein uneheliches Kind ist die absolute Schande für eine Frau im Dorf. „Ein abgelecktes Butterstück“, das keiner mehr haben will, eine Asoziale.
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Verständnis zeigen nur die Brüder, und Annas Scholmerbacher Freundinnen und Mitwisserinnen Ria und Thea halten in allen Situationen dicht und zu der Schwangeren.
Die nutzt an Karneval den Auftritt des schwergewichtigen Männerballetts, das sie wie immer trainiert, um der karnevals- und biertrunkenen Gemeinde ihren schwellenden Babybauch zu präsentieren. Der Faschingsskandal: Anna hat kein Geld, keine Arbeit und keinen Mann, dazu noch ein Kind von einem unbekannten Mann, dessen Namen die werdende Mutter nicht verrät.
Doch die Dorfbevölkerung gewährt, schneller als die Eltern, recht bald Vergebung und Hilfe. Schließlich ist Anna nicht die erste Scholmerbacherin, die auf wundersame Weise zu einem Kind kommt. Dessen Ankunft gerät erneut zum öffentlichen Spektakel. Und dieses Kind ist das Richtige im Leben der Schriftstellerin.
Obwohl der Roman sehr persönlich ist, so malt er auch anschaulich ein allgemeingültiges Sittengemälde des Lebens auf dem Dorf.
Erschienen ist der packende Roman bei Eichborn als gebundenes 365-seitiges Hard-Cover-Buch ISBN 978-3-8479-0654-4 und als E-Book, ISBN 978-3-7325-7188-8. (htv)
Unseren Bericht von der Lesung, bei der Annegret Held dieses Buch ankündigte, finden Sie hier.
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