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Nachricht vom 28.02.2022    

Keine Angst vor dem Tod: FSJ im Hospiz in Dernbach

Emily ist 16 Jahre alt, hat ihren Realschulabschluss gemacht, hört viel Musik, trifft sich mit Freundinnen oder geht auch mal mit ihrer Mutter spazieren. Emily macht all das, was 16-jährige eben gerne machen. Mit einer Ausnahme: Emily absolviert ein Freiwilliges Soziales Jahr im stationären Hospiz St. Thomas.

Emily bei ihrer Arbeit im Hospiz. (Fotoquelle: Dernbacher Gruppe Katharina Kasper)

Dernbach. Ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) entspricht dem Freiwilligendienst in einem sozialen Bereich und dauert in der Regel ein Jahr. Oft dient ein FSJ der Berufsorientierung nach dem Schulabschluss. Absolventen haben so die Gelegenheit, ein Jahr lang die betreuende Einrichtung und die anfallenden Aufgaben kennenzulernen. Ein FSJ kann man beispielsweise in pflegerischen Einrichtungen wie Seniorenzentren, Krankenhäusern oder wie Emily auch im Hospiz durchlaufen. In einem Hospiz können unheilbar kranke Menschen ihre verbleibende Lebenszeit in Würde verbringen. Die Arbeit in einem Hospiz ist also immer auch mit dem Tod verbunden.

Der Wunsch, ein FSJ im Hospiz zu absolvieren

Im gemeinsamen Gespräch haben Emily, ihre Eltern und die Hospizleiterin Eva-Maria Hebgen über die Idee zum FSJ, Aufgaben im Hospiz St. Thomas in Dernbach und über die Zukunftspläne der 16-jährigen gesprochen.

Im Sommer 2021 hat Emily ihren Realschlussabschluss erfolgreich bestanden. Sie hätte das Abitur direkt anschließen können, doch die 16-jährige war sich unschlüssig. Die Entscheidung für eine Ausbildung fiel ihr allerdings ähnlich schwer. Zusammen mit ihren Eltern entstand dann die Idee, ein FSJ zu absolvieren; aber in welcher Einrichtung?

Die 16-Jährige erzählt: „In einer Kindertagesstätte hatte ich bereits ein Praktikum absolviert und habe schon am ersten Tag gemerkt, dass ich mich dort nicht wohl fühle. Und dann kam mir die Idee ganz plötzlich über Nacht. Morgens bin ich aufgestanden und habe zu meiner Mutter gesagt: Ich mache das FSJ im Hospiz.“

Während der siebten Klasse in der Schule habe Emily wohl die ersten Kontaktpunkte zum Thema Tod und Sterben und auch zum Hospiz gehabt. Ein geplanter Ausflug in ein Hospiz wurde damals abgesagt, was sie sehr enttäuscht hat.

Skepsis wird schnell überwunden
„Als Mutter war ich natürlich erstmal überrascht über Emilys Entscheidung. Aber ich war auch furchtbar stolz, dass sie sich dieser Herausforderung gewachsen sieht. Familie und Freunde waren zunächst auch skeptisch, ob sich eine 16-Jährige mit solchen Themen schon belasten soll. Aber ich finde es toll, dass Emily sich davon nicht beirren lässt“, betont Emilys Mutter.

Emilys Vater, der die Hospizleiterin Eva-Maria Hebgen schon lange kennt, habe seiner Tochter dann vorgeschlagen, einmal in Dernbach anzurufen. „Ich war sehr überrascht von Emilys Anruf. Wir hatten noch nie einen FSJler in unserem Hospiz und auch sonst noch keinen Praktikanten in vergleichbarem Alter. Für mich war klar, wenn wir Emily die Möglichkeit geben, dann muss sie erst zum Probearbeiten kommen und sich damit auseinandersetzen, was Sterben und Tod eigentlich bedeutet“, so die Hospizleitung.

Im Mai 2021 kam Emily dann zum Probearbeiten und überzeugte sofort. Der Rest ist Geschichte. Seit August 2021 ist Emily nun als FSJ-lerin im stationären Hospiz St. Thomas tätig und in der Einrichtung auch kaum noch weg zu denken.



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Die ersten beiden Monate war Emily in der Hauswirtschaft tätig. Seit Oktober führt die Hospizleiterin sie langsam an andere Aufgaben heran. Neben hauswirtschaftlichen Tätigkeiten, wie Essen und Getränke reichen, geht Emily nun auch mit Gästen spazieren, spielt Karten, löst gemeinsam Rätsel oder bietet einfach ihre Gesellschaft an. Lediglich pflegerische Tätigkeiten sind in einem FSJ nicht vorgesehen.

Eine wertvolle Leistung
„Es ist schön zu sehen, dass meine Anwesenheit die letzten Tage der Gäste bereichert. Ich habe viele Lebensgeschichten gehört und merke auch, dass Angehörige für meine Arbeit dankbar sind“, betont die 16-jährige Emily.

Ihre Eltern unterstützen Emily seit Tag eins bei ihrer Entscheidung, ein FSJ im Hospiz zu absolvieren. „Emily war schon immer ein sehr empathisches Mädchen. Ich bewundere sie für ihre Stärke. Natürlich hatten wir als Eltern Angst, dass Emily mit dem Sterben und dem Tod überfordert sein könnte, aber sie kommt jeden Tag gut gelaunt und fröhlich von der Arbeit. Das zeigt uns, dass es ihr gut geht bei der Arbeit.“, erzählt ihr Vater. Im Hospiz achte man sehr darauf, dass Emily im Alltagsstress nicht zu kurz komme. Sie wird in Rituale mit eingebunden und findet bei ihren Kollegen immer ein offenes Ohr.

Dankbar für das Leben
Mittlerweile ist Emily auch schon einen Schritt weiter und kann sich vorstellen, eine Ausbildung zur Pflegefachkraft zu absolvieren, um sich dann im Palliativ- und Hospizbereich weiterzubilden. „Emily ist eine Bereicherung für unser Team. Sie ist mit 16 Jahren schon so reif und reflektiert. Unsere Gäste und deren Angehörige sind sehr dankbar für Emily und ihre offene und liebevolle Art. Wir sehen viel Potenzial in Emily und hoffen, dass wir sie für eine Zukunft in der Pflege begeistern können.“, so die Hospizleitung.

Emilys Fazit nach den ersten Monaten ist, wie nicht anders von der 16-jährigen zu erwarten, positiv. Sie sieht, dass sie und ihre Arbeit im Hospiz gebraucht werden und ist dankbar, dass das FSJ ihr eine klarere Sicht auf ihre Zukunft ermöglicht. „Das FSJ im Hospiz, das Team und vor allem die Gäste zeigen mir jeden Tag, dass wir viel dankbarer für unser Leben sein sollten. Ich lerne von den Gästen so viel über das Leben und höre ihnen gerne zu, weil wir im Hospiz den Gästen zeigen wollen, dass sie bei uns gehört und gesehen werden. Unsere Gäste sollen bei uns LEBEN bis zum Schluss und ich bin froh, dass ich dabei helfen darf. Ich habe keine Angst vor dem Tod und meine Arbeit hier bestätigt mich darin jeden Tag.“, sagt die 16-jährige Emily abschließend. (PM)



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