Pressemitteilung vom 20.03.2022
Pfarrer aus Unnau holt 34 ukrainische Kriegsflüchtlinge sicher in den Westerwald
Pfarrer Christof Schmidt und sein Team nahmen eine lange Reise und zahlreiche Strapazen auf sich, um ukrainische Flüchtlinge von der rumänischen Grenze aus in den Westerwald zu bringen und ihnen hier eine sichere Unterkunft zu bieten. Der Pfarrer berichtet von den Herausforderungen, aber auch der Solidarität, die dem Team unterwegs begegnete.
Unnau. "Wir standen abends im Schneetreiben in den Karpaten und wussten weder ein noch aus": Eine sechstägige Odyssee quer durch Rumänien haben Pfarrer Christof Schmidt aus Unnau und ein Helferteam auf sich genommen, um ukrainischen Flüchtlingen zu helfen. Tausende Fahrtkilometer, wenig Schlaf und emotionale Anspannung inklusive. In einer enormen Kraftanstrengung haben die Helfer insgesamt 34 ukrainische Kinder, Frauen und Männer von der Grenze über Rumänien, Ungarn und Österreich nach Deutschland gebracht.
Team war auf dem Weg nach Moldawien: "Vor der Grenze hörten wir, dass der Krieg begonnen hat"
Der Pfarrer der Kirchengemeinde Unnau im Westerwald war gerade auf dem Weg nach Moldawien, um einige Hilfsgüter in die dortige Partnergemeinde zu bringen. Seit rund 30 Jahren engagiert sich die Kirchengemeinde Unnau in wirtschaftlichen Krisengebieten und hat eigens einen Kirchenverein gegründet, um Projekte zu finanzieren, die über das übliche Budget hinausgehen - zunächst im damaligen Jugoslawien, später in der Ukraine und jetzt seit rund einem Dutzend Jahren in Moldawien.
"Noch vor der Grenze hörten wir, dass der Krieg begonnen hat", berichtet Pfarrer Schmidt. "Da konnten wir den eigentlichen Zweck unserer Reise direkt vergessen, denn nach Moldawien konnten wir nicht mehr einreisen." Die Unnauer fuhren trotzdem zur Grenze, trafen sich dort mit einem moldawischen Helfer und kauften Lebensmittel für ein moldawisches Kinderfreizeitheim, das praktisch sofort von ukrainischen Flüchtlingen überflutet worden war. "Es herrschte überall der Ausnahmezustand", erzählt Pfarrer Schmidt. "Die Straßen in Rumänien waren voll mit ukrainischen Autos. Die Ukrainer, die noch Geld von der Bank abgeholt hatten, stellten fest, dass ihr Bargeld praktisch wertlos ist. Banken lehnen es inzwischen in ganz Europa ab, die ukrainischen Devisen in Euro zu tauschen." Noch unterwegs entschieden sich Pfarrer Schmidt und seine Begleiter, Menschen aktiv aus dem Krisengebiet herauszuhelfen.
Zurück in Unnau wurde alles vorbereitet, um die Geflüchteten zu holen
Zurück in Unnau setzten die Gemeindehelfer die vier Kleinbusse des Kirchenvereins instand. Die Busse mussten zugelassen und teilweise mit neuen Reifen versehen werden, da sie wegen der Corona-Pandemie lange nicht benutzt worden waren.
"Auf den letzten Drücker war alles und waren alle startklar", berichtet Pfarrer Christof Schmidt. "Mit insgesamt acht Freiwilligen fuhren wir in den rumänischen Grenzort Oradea." Durch einen dortigen Freund bekamen die Helfer Kontakt zu ukrainischen Familien. Zwei der Kleinbusse luden elf Menschen südlich der Karpaten ein und fuhren sofort zurück in den Westerwald. Für die beiden anderen Busse begann nun eine mehrtägige Odyssee durch Rumänien. An mehreren Anlaufstellen nahmen die Helfer ukrainische Familien auf. Zunächst eine Familie mit drei Söhnen, einer von ihnen querschnittgelähmt. Dann eine Familie aus Kiew mit achtjährigen Zwillingsmädchen. "Die hatten praktisch gar nichts mehr", sagt Pfarrer Schmidt. "Es war bestürzend, wie wenig Gepäck die Menschen hatten. Meist nur eine größere Tasche und jeder einen Rucksack. Tatsächlich hatten die Helfer aus Deutschland mehr Gepäck dabei als die Geflüchteten."
Unterwegs bekamen die Helfer Kontakt zu einer zehnköpfigen Familie, die mit einem eigenen Kleinbus geflüchtet war und sich dem kleinen Konvoi anschloss. "Das sind wunderbare Menschen, die sechs der Kinder angenommen haben, nur zwei sind eigene Kinder", berichtet Schmidt. Dann hatten die Helfer noch vier Plätze übrig und nahmen nochmals eine vierköpfige Familie auf - eine Mutter mit Kind und die Großeltern -, der Vater musste zum Kämpfen in der Ukraine bleiben.
Eine sechstägige Reise zurück nach Deutschland: Viele Strapazen, aber auch viel Solidarität
Der Konvoi machte sich auf den Rückweg nach Deutschland. "Mit insgesamt 26 Personen auf einer Flüchtlingsroute eine Übernachtungsmöglichkeit zu finden, war alles andere als einfach", berichtet Pfarrer Schmidt. "Wir standen im Schneetreiben in den Karpaten und waren nach der langen Fahrt sehr müde. Eine der Familien hatte zuvor schon vier Tage im Auto gelebt und sehnte sich nach einer Dusche." Pfarrer Schmidt fuhr schließlich einfach in den Hof eines Hotels und tatsächlich konnte man ihnen dort eine Unterbringung anbieten. "Das war eine Gebetserhörung", ist Pfarrer Schmidt überzeugt. Da standen der Gruppe die ärgsten Schwierigkeiten aber noch bevor.
Bei der Einreise nach Ungarn sahen sich die Reisenden weiteren Schikanen ausgesetzt. Acht Stunden lang, von abends bis drei Uhr morgens, musste die Gruppe dort ausharren, bis man sie weiterfahren ließ. "Wir waren fix und fertig", so Schmidt. Im gebuchten ungarischen Hotel kamen Geflüchtete und Helfer so erst morgens an, weswegen die Gruppe spontan noch eine Nacht blieb, um sich ausschlafen zu können. An der Grenze zu Österreich und Deutschland gab es dann keine Probleme bei der Einreise. "Tatsächlich haben wir unterwegs viel Unterstützung erlebt. Einmal kam ein Rumäne an der Grenze zu uns und schenkte den Kindern Süßigkeiten und Kuscheltiere; ein anderes Mal gab uns ein LKW-Fahrer aus dem Kosovo seine Verpflegung. Viele Menschen zeigten sich auf der Reise beim Vorbeifahren mit einem Daumen hoch solidarisch."
Nach einer sechstägigen Reise kamen die drei Kleinbusse schließlich in Unnau an. Hier war in der Zwischenzeit Wohnraum gesucht und gefunden worden, um die Geflüchteten unterzubringen, die zunächst im Westerwald bleiben wollen. "Es sind Menschen, die gerade noch ein normales Leben gelebt haben. Die haben noch gar nicht begriffen, was mit ihnen passiert ist. Die Frauen und Kinder finden sich in einer komplett anderen Lebenssituation wieder, während der Vater in der Heimat eine Waffe in der Hand hält und das Ziel von russischen Angriffen ist." Pfarrer Schmidt ist froh, dass die 34 Menschen nun in Sicherheit sind. Aber er ist auch besorgt. "Die eigentliche Not spielt sich bei denen ab, die im Land bleiben müssen. Die kein Auto und keine Kontakte in den Westen haben. Die prekären Bevölkerungsgruppen werden von Lebensmitteln und Wasser abgeschnitten und verlieren durch den Krieg alles. Vielleicht sogar ihr Leben." (PM)
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