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Pressemitteilung vom 04.04.2022    

In die Gummistiefel - fertig - los: Bachbegehung der Nister

Der NABU Rennerod lud kürzlich Mitglieder und Interessierte zu einer Bachbegehung an der Nister ein. Die Naturveranstaltung für die ganze Familie wurde von dem Diplom-Geografen Frank Steinmann geführt, welcher den Teilnehmenden viel Wissenswertes zur Nister und den Bewohnern erzählen konnte.

Spannende Erkenntnisse und Funde bei der Begehung der Nister. (Foto. Rainer Perlik)

Höhn. Treffpunkt der Naturveranstaltung für die ganze Familie war hinter Höhn, wo auf die Teilnehmenden der Diplom-Geograf Frank Steinmann wartete, dessen Fachgebiet die Gewässer- und Fischökologie umfasst. Frank Steinmann führte zu einem besonders schönen und natürlichen Abschnitt des Flüsschens. Vor Ort erklärt er die aktuelle Lage des Ökosystems Bach, die leider nicht so gut ist, wie es ein erster Eindruck vermuten ließ. Um diese Jahreszeit müsste eigentlich viel mehr Wasser in der Nister sein. Steine mit weiß-grauem Belag von vertrockneten Kieselalgen zeigten den Rückgang des Wasserstands deutlich. Die Mühle nebenan produziert Strom durch Wasserkraft, jedoch stehe die geringe Ausbeute in keinem Verhältnis zur ökologischen Beeinträchtigung des kleinen Flüsschens. Stellvertretend für eine Vielzahl an Kleinkraftwerken entlang der Nister zeigte sich exemplarisch, wie die überwiegende Wassermenge des Baches an diesen Stellen durch den Mühlgraben zur Stromgewinnung geleitet werde, während das Bachbett der Nister fast komplett trocken falle. Da müssten andere Lösungen gefunden werden, meint Frank Ebendorff vom NABU Rennerod dazu.

Dort, wo das Wasser wieder in das Bachbett zurückgeleitet wird, ist die Welt noch in Ordnung und die Teilnehmenden bekamen die typischen Bewohner des kalten, klaren und sauerstoffreichen Mittelgebirgsbachs vorgestellt: die Bachforelle, Elritze, Groppe (auch Mühlkoppe genannt) und das Bachneunauge, allesamt Fischarten, die als FFH-Arten (Fauna-Flora-Habitat Arten unter besonderem Schutz) gezählt werden. Schließlich ging es mit Gummistiefeln, Keschern und kleinen Schalen hinunter in den Bach. Vor allem die Kinder waren mit Begeisterung tätig. An, auf und unter den Steinen wimmelte es von Köcherfliegenlarven mit ihren selbst gebauten Schutzhüllen aus kleinen Kieseln und Holzstückchen. Verschiedene Arten, auch Eintagsfliegenlarven, Steinfliegenlarven, Krebstierchen und Schnecken, gab es zu entdecken. Bestimmt wurden diese mithilfe verschiedener Bildbestimmungstafeln.

Mit den Kindern wurde der Bach durchquert und die Wildnis, die im ständigen Wandel und immer für eine Überraschung gut ist, erkundet. Beim letzten Hochwasser hat die Nister beispielsweise Baumstämme und Wurzeln aufgetürmt – ähnlich einer Biberburg. Solche Totholzansammlungen, der Gewässerökologe nennt sie “Verklausungen“, sind biologisch sehr wertvoll. Um den natürlich gestauten Bereich herum haben sich neue Bachläufe ausgebildet. Im ruhigen Nebengerinne wächst Quellmoos, eine selten gewordene Art, die hohe ökologische Qualität anzeigt. Ein intakter Auwald sei ein Lebensraum von hochgradiger Diversität, erklärt Herr Steinmann. Eine besondere Lebensgemeinschaft von Tier- und Pflanzenarten finde in ihm ihr Habitat entlang des frei fließenden Baches mit all seiner ungebremsten Dynamik. Auenwälder bedürfen eines besonders hohen Schutzes, denn sie gehören zu den besonders bedrohten Lebensräumen in unserer Kulturlandschaft! Vergleiche man diesen wenige hundert Meter langen Abschnitt der Nister mit dem im Grün- und Weideland gelegenen und stark durch den Menschen beeinflussten Bereich, werde einem schnell klar, warum Flüsse und Bäche auch als Lebensadern bezeichnet werden. Sogar Bachflohkrebse konnten die Kinder hier entdecken, ebenfalls ein Indikator für die gute Wasserqualität dieses Nisterabschnittes.



Zum Abschluss wanderte die Gruppe durch den Buchenwald mit Blick auf die Nister. Dabei kamen sie sogar an einem üppig sprudelnden “Quell-Wasserfall“ vorbei, wo das Wasser aus der stillgelegten Grube Alexandria in die Große Nister stürzt. Untersuchungen zur Trinkwassergewinnung wurden zwar bereits durchgeführt, aber es wäre fatal, wenn an dieser Stelle dem Bach-Ökosystem das Lebenselement, das durch die anhaltende Trockenheit immer weniger wird, weggenommen würde. “Wir müssen nachdenken, wie wir mit unserem wichtigsten und am besten kontrollierten Rohstoff und Lebensmittel Trinkwasser umgehen“, sagte Frank Steinmann. Die Nister habe seit Jahren ungelöste Probleme mit der Wasserqualität und strukturellen Defiziten. Insbesondere der Oberlauf brauche mehr Beachtung. Fehlende Beschattung durch Bäume, insbesondere entlang der Uferlinie auf landwirtschaftlichen Nutzflächen, führten zu einer starken Erwärmung des Nisterwassers. Zusätzliche Einträge von Nährstoffen durch Düngemittel würden das Algenwachstum im Bach fördern, was den Sauerstoffrückgang mit sich bringe. Der Kiesboden, die sogenannte Gewässersohle, ein kleines Ökosystem für sich, verschlamme durch die abgestorbenen Algen. Eingeschwemmte Sedimente, die der Bach aus den ungeschützten Uferpartien abträgt, ersticken alles Leben am Gewässergrund. Regenrückhaltebecken, die ungeklärte Abwässer beinhalten, müssten anders gebaut und Kläranlagen weiter verbessert werden. Zu Rückständen aus Kläranlagen, die bei Starkregen in die Bäche gelangen, gesellen sich viele gefährliche Haushaltsrückstände wie unter anderem das Arzneimittel Diclofenac. Hormone und Mikroplastik erreichen immer noch ungefiltert unsere Gewässer.

Gewässerökologe Steinmann verabschiedete sich mit aufmunternden Worten an die Kinder, die gut mitgearbeitet und Bachhindernisse geschickt überwunden hatten. Besonders bedankte er sich bei der NAJU-Gruppenleiterin Christina Schneider für die Anleitung der Kinder mit anschaulichem Naturkundematerial. Nach dem erfolgreichen Start wird es in diesem Jahr auch weitere Bachbegehungen geben. (PM)


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