Pressemitteilung vom 18.05.2022
Gegen das Vergessen: Bekommt Westerburg bald "Stolpersteine"?
Sie sind das größte dezentrale Denkmal der Welt. Stolpersteine, wie sie in 26 Ländern in unzähligen Städten verlegt sind, dienen als kleine Gedenktafeln im Pflaster. Sie führen zum Stolpern und machen dadurch auf die jüdischen Opfer des Holocaust aufmerksam. Auch einige Westerburger kämpfen bereits seit Jahren für Stolpersteine.
Westerburg. „Der Mensch wird nur vergessen, wenn sein Name nicht mehr existiert“, so steht es im Talmud geschrieben, einem der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums. Dass dieser Satz einmal eine so tragische Bedeutung haben wird, hätte sich bei der Niederschrift wahrscheinlich niemand vorstellen können. In diesem Jahr im August sind es genau 80 Jahre her, dass die letzten Juden aus Westerburg unter dem NS-Regime deportiert und ermordet wurden. Lebten im März 1933 noch 88 jüdische Mitbürger in Westerburg, wurde die Stadt am 28. August 1942 mit der Deportation der letzten neun Juden „judenfrei“. Weltweit erinnern Stolpersteine in den Städten an die Namen der Vernichtungsopfer, in Westerburg fehlen sie bislang.
Maria Meurer widmete viele Jahre der Aufarbeitung der Schicksale der jüdischen Menschen zu Zeiten des Nationalsozialismus in Westerburg. Bereits 2013 lehnte die Stadt Westerburg einen Antrag auf Stolpersteine ab, nun will es die SPD-Stadtratsfraktion mit ihrem Vorsitzenden Markus Kachler erneut versuchen. So wurde Anfang Mai ein Antrag an Stadtbürgermeister Janick Pape gestellt, auch in Westerburg endlich mit Stolpersteinen der jüdischen Opfer zu gedenken, wie es andere Städte im Westerwald bereits seit Jahren vormachen. Um sich ein Bild zu machen, an welchen Stellen Stolpersteine errichtet werden sollten, führte Maria Meurer kürzlich durch Westerburg. Auch Abgeordneter und Landtagspräsident Hendrik Hering war bei diesem Termin zugegen und lauschte den detaillierten und bedrückenden Erzählungen Maria Meurers.
15 Häuser gehörten jüdischen Familien
Der Rundgang durch Unterstadt und Oberstadt führte die Teilnehmer an 15 Häusern vorbei, die einst von jüdischen Familien bewohnt wurden. Auch die jüdische Ärztin Dr. Naira Enuka aus Hachenburg nahm an der Führung teil. Ihre Tochter leitet eine Abteilung des jüdischen Museums in Jerusalem und interessiert sich für die Dokumente der Juden der Stadt Westerburg. Maria Meurer wusste zu allen Häusern die Geschichten der früheren Bewohner zu erzählen. Jede einzelne der Familiengeschichten war erschütternd, waren sie doch geprägt von Zwangseinweisungen, Deportationen und Tod – teils unter falschen Vorwänden wie einer „Evakuierung in den Osten“.
Die 2019 von der Stadt Westerburg errichtete Stele an der Synagoge wurde bei diesem Rundgang ebenfalls besucht. Sie soll ein Ersatz für Stolpersteine in der Innenstadt sein, jedoch ist sie kaum bekannt und abseits gelegen. In Westerburg müssten eigentlich 39 der dezentralen Denkmäler ins Pflaster eingefügt werden; 38 für die Juden, die zu Opfern des Holocaust wurden und vor ihrem Tod ihren letzten frei gewählten Wohnsitz in Westerburg hatten, und ein Stein für einen Westerburger Christen, der politisch verfolgt sein Leben im KZ Dachau ließ. „Ich verstehe nicht, wie man sich als Stadt gegen Stolpersteine aussprechen kann“, erklärte Hendrik Hering zum Ende des Rundgangs, nachdem er sich bei Maria Meurer für die interessante, wenn auch bedrückende Führung, bedankte. „Es ist wirklich bemerkenswert, wie viele Details Sie zu diesem dunklen Teil der Geschichte recherchiert haben“, lobte er Maria Meurer. „Wir hoffen alle, dass dem Antrag auf Stolpersteine in Westerburg dieses Mal zugestimmt wird, damit all die Namen und Familien nicht vergessen werden“, so Hering abschließend. Auf jeden Fall werde er das Vorhaben unterstützen, soweit es ihm möglich ist.
(Pressemitteilung SPD OV Westerburger Land)
Lokales: Westerburg & Umgebung
Jetzt Fan der WW-Kurier.de Lokalausgabe Westerburg auf Facebook werden!