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Nachricht vom 12.08.2022    

Ärger bei Ärzten und Patienten – KV stoppt ambulante Radiologie in Selters

Von Katharina Kugelmeier

Ärzte und auch Patienten der Radiologie im Krankenhaus Selters sind fassungslos und verärgert. Nach einem tollen Start der neuen ambulanten Versorgung für Kassenpatienten wurden im Laufe der letzten Tage sämtliche Termine "aus politischen Gründen" abgesagt. Wir haben mal nachgehört, was dahintersteckt.

Symbolfoto. (Foto: Pixabay)

Selters. Nachdem im April nach wochenlanger Vorbereitung der Zulassungsausschuss der neuen ambulanten radiologischen Versorgung für Kassenpatienten in Selters zugestimmt hat, wurde dies Ende Juli mit einem Widerspruch durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) gestoppt. Ein Vorgehen, welches nur Unverständnis und Kopfschütteln hervorruft. Wie fatal die Folgen aber für viele tatsächlich sind, mag man kaum glauben. “Wir haben nach dem Widerspruch noch ein paar Tage weiter gemacht, bis wir allen Kassenpatienten absagen mussten. In diesen Tagen haben wir die Untersuchungen umsonst gemacht“, erzählt Dr. Sebastian Steil, Chef der Radiologie Hunsrück-Mosel-Westerwald, welche den neuen Standort in Selters übernommen hat. “Seit einiger Zeit haben wir mit Dr. Daniel Borsotto einen tollen und fähigen Kollegen in Selters, welcher bereits die Untersuchungen für stationäre und Privatpatienten durchführt“, erklärt Steil weiter. Für diese Stelle sei Borsotto extra aus München in den Westerwald gekommen.

Da der Betrieb in Selters wirtschaftlich nicht auf die Behandlung von Kassenpatienten angewiesen ist, ist die Stelle für Dr. Daniel Borsotto weiterhin sicher. Weniger Glück hatte eine alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, welche am 1. August als Arzthelferin für das Mehr an Patienten eingestellt wurde. Noch vor ihrem ersten Arbeitstag musste Sebastian Steil ihr wieder kündigen, weil niemand weiß, wie es durch den Widerspruch der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) weitergeht. Ein Rechtsstreit bis vors Sozialgericht kann sich über Jahre hinziehen, Jahre, in denen die Patienten der Region weiterhin monatelang auf teilweise lebensentscheidende Untersuchungen warten müssen.

Einer dieser Patienten ist ein 59-Jähriger aus der Verbandsgemeinde Selters. Nach einer schweren Krebsdiagnose Ende 2021 mit anschließender OP, in dessen Folge er nun mit einem Stoma leben muss, sowie einem schweren Herzinfarkt im Frühling dieses Jahres wurde bei ihm im Rahmen eines Notfalls während seiner Reha eine unklare Raumforderung an der Brustwirbelsäule festgestellt. Um der Ursache dieser auf den Grund zu gehen, sollte zeitnah eine MRT Untersuchung gemacht werden. Wer im Westerwald schon mal einen Termin für eine ambulante MRT Untersuchung gemacht hat, weiß, dass zeitnah und MRT Termin nicht zusammenpassen. Durch die Medien erfuhr die Familie des 59-Jährigen von der Öffnung der Radiologie Selters für Kassenpatienten und machte umgehend einen Termin. Die Wartezeit von Anfang Juni bis Mitte August war schon nicht wirklich schnell, aber wesentlich besser als alle Alternativen. Bis dieser Termin vor wenigen Tagen abgesagt wurde und die Suche erneut beginnt. Mit im schlimmsten Fall lebensbedrohlichen Konsequenzen, denn manche Tumore wachsen schneller, als man als Kassenpatient einen MRT Termin bekommt.



Wie fatal die Lage ist, erkennt man daran, dass es Menschen gibt, die nur über eine stationäre Aufnahme die Chance gesehen haben, eine notwendige Untersuchung zu bekommen. Eine stationäre Aufnahme, die eigentlich nicht nötig wäre. Angeblich habe man im Westerwald eine Überversorgung an Untersuchungskapazitäten, in Simmern, dem Hauptsitz der betreibenden radiologischen Praxis, habe man hingegen einen Mangel, so die Kassenärztliche Vereinigung auf Nachfrage. Dass der Arzt, welcher in Selters tätig ist, so und so nicht in Simmern ist, scheint dabei niemand zu bedenken. Darüber hinaus sind die Geräte in Simmern ebenfalls ausgelastet und auch ausreichend Ärzte sind für deren Betrieb vor Ort. Da man keine zwei Patienten gleichzeitig untersuchen kann, wäre ein weiterer Arzt in der Praxis auch wenig hilfreich. Wirklich absurd wird es, wenn man sich die Tatsache vor Augen führt, dass die Kassenpatienten aus Selters theoretisch nachts in Simmern untersucht werden könnten, ohne dass die KV was dagegen hätte. Natürlich wäre dies mit unzähligen und unnötigen Kilometern verbunden, die angesichts der Klimakrise nun wirklich nicht gewollt werden können. Die Kosten, welche die Krankenkassen – deren Vertreter die Versorgung in Selters ja befürworteten – zu tragen haben, würden durch den neuen Standort ja auch nicht erhöht, schließlich kann ein Patient mit einer Überweisung nur einmal zu der benötigten MRT Untersuchung, wer diese durchführt, ist dabei irrelevant.

Dr. Sebastian Steil wird auf jeden Fall weiterkämpfen. Denn er hat alles richtig gemacht. Bereits 2019 hat die KV auf Anfrage den Bedarf in Selters bestätigt. Der Zulassungsausschuss hat auch ohne Einwände zugestimmt und bei der Entscheidung im April auf Nachfrage bestätigt, dass man sofort in Selters loslegen könne. Erst Ende Juli kam dann kurz vor Ablauf der Frist der Widerspruch aus dem Vorstand der KV, wegen angeblich nicht passender Versorgung in den beteiligten Gebieten. In einem Gerichtsurteil zu einem anderen Fall aus dem Juni dieses Jahres wurde der radiologische Bedarf in der Region allerdings bestätigt. Wie lange der Kampf dauert, kann leider niemand sagen – bis zu einem gerichtlichen Urteil können auch mal Jahre ins Land ziehen, Jahre, in denen Patienten im Westerwald stundenlang durch die Gegend fahren und monatelang auf einen Termin warten müssen – so lange, dass es für manche Diagnose vielleicht für einen guten Ausgang zu spät ist.

Auf Nachfrage bei der KV wurde eine Sonderrufnummer mitgeteilt, unter welcher betroffene Patienten Unterstützung bei der Vermittlung eines neuen Termins bekommen sollen. Sie sollen sich an die Nummer 06131 326 4599 wenden.


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