Pressemitteilung vom 23.08.2022
Erinnerungen an früher: Senioren beklagen Kneipensterben auf dem Land
Der immer stärker voranschreitende Klimawandel hat Folgen - insbesondere für ältere Menschen. Spürbar ist dies beispielsweise bei den Treffen der Initiative "555 Schritte - fit bis ins höchste Alter" im Buchfinkenland. So sind die Treffen zunehmend wegen großer Hitze kaum noch durchzuführen.
Buchfinkenland. Die Schuld für die sinkende Teilnehmendenzahl suchen die Verantwortlichen aber nicht nur bei Hitze und Corona: die "555er" der ersten Stunde waren beim Start um die 80 Jahre und mehr alt. Sie sind jetzt über 90 Jahre und viele sind inzwischen auch verstorben oder körperlich so belastet, dass ihnen eine Teilnahme nicht mehr ohne zu große Anstrengung möglich ist. Ein großes Problem ist auch, dass die heute 80-jährigen als angesprochene Zielgruppe nicht dazustoßen, da sie nicht zu den "Alten" (also den noch Älteren) wollen. Ein Problem, das in der Seniorenarbeit nicht neu ist, und nun auch bei dem ein Jahrzehnt erfolgreich laufenden Projekt im Buchfinkenland negative Wirkungen zeigt.
Spürbar war das auch beim letzten Treffen, das bei fast 35 Grad mit einem vielseitigen Konzert von Ralf Cieslik in der Gackenbacher Pfarrkirche begann. "Einfach nur wunderbar, welche Klänge der Organist der einzigartigen Doppelorgel entlockt hat", so eine Teilnehmerin aus Hübingen. Das in drei Blöcken gespielte Konzert sah ordinariums- und choralgebundene Orgelmusik vor. Bei einigen Stücken der Freien Orgelmusik wie der "Fanfare" von Noel Rawsthorne und der "Tuba Tune" von John Stanley kamen die beiden digital verbundenen Instrumente voll zu Geltung. Zu gefallen wusste auch Alois Schmidt aus Gackenbach mit zwei Liedbeiträgen, begleitet von Cieslik an der Doppelorgel.
Der letzte Orgelton war kaum verklungen, da trafen sich die 555er in einer schattigen Ecke im Freien hinter der Kirche zum regelmäßigen Gesprächskreis mit dem Titel "So war das früher bei uns im Buchfinkenland". Ein Stuhlkreis für alle war vorbereitet, um diesmal Erinnerungen auszutauschen, welche Bedeutung die Gastwirtschaften in der Region von der Nachkriegszeit bis zur Jahrtausendwende hatten. Viele Geschichten wurden lebendig: So erinnerten sich alle noch gut an die Story vom "Dachwirt" im Horbacher Gasthaus "Zum grünen Baum", über die vor fast 50 Jahren von vielen Medien berichtet wurde.
Eine Bewohnerin des Altenheimes aus Nentershausen meinte mit einem Grinsen: "Es muss wohl schön gewesen sein in den Kneipen, da unsere Männer oft den Heimweg nicht gefunden haben". Dem stimmten viele Damen in der Runde zu. In einigen Beiträgen wurde deutlich, dass heute mit dem Verschwinden vieler Dorfgaststätten ein Stück Heimat verloren geht. "Das gilt besonders auch für die Vereine", erinnerte der Ehrenvorsitzende des MGV Cäcilia Horbach, Ludwig Labonte, an unzählige schöne Stunden der Sänger im Vereinslokal. Alle waren sich einig: Das Kneipenstreben kann nur beendet werden, wenn man sich nicht immer mehr auf "Soziale Medien" zur Kommunikation beschränkt, sondern sich wieder in der Wirtschaft zum Schwätzen und Feiern trifft.
Nach der zunächst schleppenden, dann doch lebhafteren Gesprächsrunde hatten fleißige Hände das benachbarte Pfarrheim in ein gemütliches Café verwandelt, in dem es nach Kuchen und frischem Kaffee duftete. Beim wie immer stattfindenden Heimatquiz wollte "Quizmaster" Franz-Josef Jung unter anderem wissen, wann es eine ähnliche große dauerhafte Hitze bei uns gab wie derzeit: erst nach einigem Raten kam die richtige Antwort: 1904. Auf die Frage, mit welchen Worten sich echte Westerwälder begrüßen, kam aus vielen Kehlen dagegen sofort die Antwort: "Hui Wäller? - Allemol!" Bei so viel Programm blieb dann keine Zeit mehr für die angekündigte kurze Bewegungseinheit am Sitzplatz.
Zum nächsten Treffen der "555er" sind viele alte und neue "ab-80-Senioren" aus Gackenbach, Hübingen, Horbach und darüber hinaus zum jährlichen "Waldcafé" am Mittwoch, dem 7. September, bei hoffentlich angenehmem Wetter willkommen.
Treff zum Spaziergang ist um 14 Uhr am Ignatius-Lötschert-Haus. Von dort führen die 555 Schritte Richtung Sportplatz, wo in unmittelbarer Nähe unter schattigen Bäumen das Café aufgebaut ist. Beim Gesprächskreis, wie es früher im Buchfinkenland war, dreht sich dann alles um die Entstehung des traditionsreichen Seniorenzentrums vor fast 60 Jahren… und wie sich dieses in Zukunft zu einem möglichen "Senioren-Campus" weiterentwickeln sollte.
Als Gesprächspartner wird der langjährige Heimleiter seit Gründung, Benno Heibel, von damals berichten. Ende ist gegen 16.30 Uhr. Das Organisationsteam und die Helfer aus dem Altenheim und den beteiligten Vereinen freuen sich auf viele Gäste. Info gerne im Ignatius-Lötschert-Haus oder beim 555er-Orgateam unter uli@kleinkunst-mons-tabor.de. (PM)
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