Jenny Groß zu Besuch bei der Bäckerei Schink und der Metzgerei Lehmler
Um sich im Handwerk vor Ort aktuell über die Probleme rund um die explodierenden Energiepreise zu informieren, besuchte Jenny Groß, Mitglied des Landtages für den Wahlkreis Montabaur, auf Einladung der Kreishandwerkerschaft Rhein-Westerwald jetzt die Metzgerei Lehmler in Welschneudorf und die Bäckerei Schink in Horbach.
Horbach/Welschneudorf. Groß stieß dabei auf eine Mischung aus Ratlosigkeit, Wut und Trotz. Metzgerei-Inhaber Mike Lehmler beklagte: „Die Politik ist zu weit entfernt vom Alltag. Unsere fünf Kühlhäuser sind alle voll, laufen 24 Stunden am Tag, da kann man nicht einfach abschalten, um Strom zu sparen. Und die Notversorgungspreise der Energieanbieter können wir nicht auf unsere Produkte umlegen, das wird viel zu teuer. Die Regierung lässt uns gegen die Wand fahren“.
„Die Krise ist zwar noch nicht da, aber sie kommt“, war auch seine Schwester Eva Lehmler überzeugt. „Die EVM hat neue Tarife angekündigt, die müssen wir dann zahlen, doch eine Umstellung der Energienutzung oder Energiesparen geht nicht von jetzt auf gleich, wir brauchen weiterhin Gas zum Heizen und für das Kesselwasser“.
Bereits angekommen ist die Krise dagegen bei der Bäckerei Schink. „Unser Stromversorger hat uns zum 31. Dezember die Stromlieferung gekündigt, weil er bestenfalls noch seine regionalen Kunden beliefern kann“, berichtete Daniel Schneider, der bei Schink für alles Kaufmännische zuständig ist. „Und für die Versorger hier vor Ort oder die Stadtwerke sind wir in dieser Situation als Neukunde uninteressant, sie müssen uns als Betrieb auch keine Grundversorgung anbieten“. Bestenfalls eine Ersatzversorgung für drei Monate mit mehreren hundert Prozent Kostenaufschlag steht noch im Raum, wie die aussehen soll und was wirklich ab dem 1. Januar passiert, wissen sie bei Schink im Moment aber noch nicht.
Gefährdung von Stammkunden und guter Auftragslage
Angesichts drohender Preissteigerungen von 300 bis 500 Prozent in den nächsten Monaten sieht auch Rolf Wanja, Vorsitzender Kreishandwerksmeister, die Existenz vieler solide geführter Betriebe, die über eine treue Stammkundschaft, eine gute Auftragslage und Entwicklungschancen verfügen, gefährdet. „Trotz explodierender Steuereinnahmen haben Bund und Länder die KMU bei ihren Hilfeplänen nicht auf dem Schirm. Wir brauchen jetzt sofort einen Preisdeckel bei Gas, Öl und Strom mit Preisen Stand 2021 für ein Jahr, auch ein Hilfsfond im Land für gefährdete KMU wäre hilfreich“.
Nur so könnten die Unternehmen die zuletzt schon gestiegenen Rohstoffpreise, zum Beispiel bei Weizen (plus 43 Prozent), Rapsöl (plus 245 Prozent), Hefe und Zucker (Verdopplung), Butter oder auch Verpackungen und Papier bewältigen. Von den abgeschlossenen und noch laufenden Corona-Maßnahmen sowie den demnächst ansteigenden Mindestlöhnen ganz zu schweigen.
„Wir müssen auch regelmäßig investieren, um das Geschäft am Laufen zu halten“, erklärte Schneider und nannte die Erneuerung der Kühlräume, einen neuen Brotwirker und einen Gährunterbrecher sowie die Aufbesserung der Böden als Beispiele der letzten Jahre.
Eigentlich sollte nun die Modernisierung des Verkaufsraumes anstehen – nun liegt das Projekt auf Eis. Wie bei Metzger Lehmler trägt auch die in der vierten Generation seit rund 130-150 Jahren und mit viel Herz und Hingabe betriebene Bäckerei Verantwortung für derzeit 16 Mitarbeiter und eigentlich ist man auf der Suche nach zusätzlichen Arbeitskräften für die viele Arbeit. Da ist jetzt guter Rat teuer. „Wir liefern unsere Martinsbrezel in den ganzen Westerwald und bis nach Limburg, beliefern Altenheime, Kitas, Schulen und ein Krankenhaus – wer soll das machen, wenn nicht wir?“, fragt der Kaufmann, „ein Discounter macht das nicht“.
Mit dem Wegfall des Handwerks gehe auch das Dorf- und Vereinsleben kaputt, machte Hubert Quirmbach, Obermeister der Bäckerinnung Rhein-Westerwald klar, und Elisabeth Schubert, Hauptgeschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Rhein-Westerwald beobachtete gar eine Endlosspirale, die den Mittelstand zerstöre.
Auf die Frage der Landtagsabgeordneten, worauf sich die Kunden einstellen müssten, lautete die klare Antwort: „Preiserhöhungen beziehungsweise Preisverhandlungen“. Doch auch das helfe nicht unbedingt. „Seit einer Woche spüren wir eine ganz extreme Kaufzurückhaltung“, berichtete Senior-Chefin Kornelia Schink. Groß nickte: „Die Verbraucher nutzen die Discounter als Ausweg“.
Genau dazu soll es aber nicht kommen. Durch eine „Entscheidung in den nächsten drei bis vier Wochen“ und schnelle und unkomplizierte Hilfen, hofft Schneider noch auf eine rechtzeitige Wende zugunsten der KMU und gegen den Verdrängungswettbewerb durch die Industrie, die mit ihren Lobbyisten bei den Entscheidungen in Berlin mit am Tisch sitze.
Beim kommenden Tag der Wirtschaft für den Westerwald in der nächsten Woche müsse man diese Problematik besprechen, so Groß. „Ich bin ab morgen wieder in Mainz und werde mich dafür einsetzen, dass ihre Probleme gehört und Lösungen gesucht werden“. (PM)
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