Schlagabtausch der Kuhheck-Gegner mit den Investoren endete mit Patt
Kreisverwaltung muss jetzt entscheiden – Bürgerinitiative will baden-württembergischen Ministerpräsidenten einschalten
Dierdorf. Im zweiten Teil der öffentlichen Anhörung für das Bauvorhaben „Windenergieanlagen in der Kuhheck“ wurden heute Nachmittag wieder viele Kritikpunkte geäußert, die sich auf die Gesundheit und die Wohn- und Lebensqualität der Bewohner umliegender Ortschaften beziehen. Eine Vertreterin des Gesundheitsamtes sagte aber, es gebe keine Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Windenergieanlagen, solange die gesetzlichen Bestimmungen und Grenzwerte eingehalten werden.
Was das persönliche Empfinden und die Wohn- und Lebensqualität angeht, sagte der die Firma EnBw-Altus vertretende Rechtsanwalt Schermer: „Diese Dinge sind menschlich zwar nachvollziehbar, aber nicht Gegenstand des rechtlichen Genehmigungsverfahrens.“ Ein Bürger aus Freirachdorf hatte gesagt: „Hier setzen Sie sich mit Ihrer Profitgier und Ihren Abschreibungsinteressen gegen unsere Lebensqualität durch!“ Eine Frau kündigte an: „Wir in meiner Familie lassen uns jetzt alle ärztlich untersuchen. Und sobald wir krank werden, machen wir den Kreis Neuwied in vollem Umfang haftbar dafür!“
Eher könnte allerdings – so das Fazit der eingeschalteten Experten - eine Beeinträchtigung der Tierwelt durch die Windräder nachgewiesen werden. Ein von Altus beauftragter Gutachter sagte: „Der Standort Kuhheck ist aus Fledermaussicht als kritisch anzusehen!“ Sollten nach einer eventuellen Genehmigung überdurchschnittlich viele tote Tiere in der Nähe der Windräder gefunden werden, könnte dies zu zeitweisen oder gänzlichen Abschaltungen von Windrädern führen. Die Kontrolle über die Auswirkungen der Windräder auf die in der Kuhheck im großen Umfang festgestellte Population von Fledermäusen wird von unabhängigen Fachfirmen durchgeführt, die Kosten dafür muss der Betreiber der Anlagen übernehmen.
Im Verlauf der gegenseitigen Vorhaltungen und Erwiderungen zwischen den Kuhheck-Gegnern und den Betreibern des Verfahrens war auch Kritik des Investors an den im Vorfeld beteiligten Behörden zu hören. Altus-Geschäftsführer Ulrich Eylmann warf dem Vertreter der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord, Manfred Braun, vor, sich nicht an abgesprochene Vorgehensweisen gehalten zu haben. Eylmann sagte: „Wir haben alle Untersuchungen durchgeführt, die Sie vor drei Jahren von uns gefordert haben und sind zu positiven Ergebnissen gekommen, was den Standort Kuhheck angeht. Und heute sitzen Sie hier und führen alle möglichen Gründe auf, warum die Kuhheck kein geeigneter Standort ist.“ Darauf erwiderte der angesprochene Manfred Braun: „Ich habe heute durch die Gutachten der Bürgerinitiative bessere Informationen über das Gebiet Kuhheck.“
Einzelheiten aus dem Genehmigungsantrag von EnBw-Altus wurden bekannt: Der Pferdebetrieb Birkenhof in Freirachdorf liegt den geplanten Windanlagen am nächsten. Der Lärm-Grenzwert darf hier 45 dB nicht überschreiten. Laut Planung bleibt der Wert am Birkenhof 10 dB unter diesem Grenzwert. An allen anderen Stellen liege der Wert noch deutlicher unter den Grenzwerten, sagte ein Sprecher der Gewerbeaufsicht.
Thema Schattenwurf der Rotorblätter: Überschreitet er die maximal zulässige Tagesdauer, werden die Windräder automatisch abgeschaltet. Es gibt keine Hinweise auf gesundheitliche Beeinträchtigungen von Menschen oder Tieren durch Schattenwurf.
Als problematisch für das Projekt Windkraft in der Kuhheck könnte sich der Einwand des Mitarbeiters Teutsch der Verbandsgemeindeverwaltung Hachenburg erweisen. Er sprach von unzulässigen Einschränkungen der Verbandsgemeinde, wenn EnBw-Altus einen Windpark so dicht an die Grenze zur Nachbar-VG baue. Spätere Redner warfen sogar ein, dies sei verfassungswidrig.
Für den Bau der geplanten fünf Windräder müssen laut Altus-Aussage 3 Hektar Wald gerodet werden. Die Dierdorfer Forstverwaltung war zuvor in der Versammlung noch von 1,5 Hektar Waldverlust ausgegangen. Der verlorene Wald wird allerdings an anderer Stelle wieder aufgeforstet. Unmutsäußerungen wurden laut, als die Zuhörer in der Realschulturnhalle erfuhren, dass allein die Gemeinde Marienhausen in den Genuss der Aufforstung sowie auch der Ausgleichsmaßnahmen kommt.
Marienhausen ist Besitzer der Exklave Kuhheck und profitiert ohnehin vom Bau der Windräder, weil Betreiber EnBw-Altus Pacht an die Gemeinde zahlen würde. Am Rande der Veranstaltung war von Summen zwischen 12.000 und 15.000 Euro jährlicher Pacht pro Windrad die Rede. Im Fall der Kuhheck – mit unter Umständen fünf Windrädern – wären dies zwischen 60.000 und 75.000 Euro Pachteinnahmen für Marienhausen pro Jahr. Ortsbürgermeister Egon Radermacher wollte diese Zahlen zwar nicht bestätigen, sagte aber, dass pro Windrad in etwa der Neuwert eines Kleinwagens an Pacht gezahlt werde.
Nach der halbstündigen Mittagspause waren von den anfangs über 100 Anhörungsteilnehmern nur noch rund 50 anwesend. Mehrmals war von den Bürgern der Veranstaltungstermin in den Ferien kritisiert worden. Sonst hätten mehr Menschen teilnehmen können. Zuhörer, die während der Anhörung die Turnhalle verließen, gingen mit gemischten Gefühlen nach Hause. Zum Beispiel Anja Schneider und Kerstin Schudt aus Rossbach. Sie sagten zum NR-Kurier: „Wir fühlen uns nicht ernst genommen. Wir sind enttäuscht, dass der Dierdorfer Bürgermeister Benner nicht da war. Und wir finden es nicht gut, dass der Marienhausener Ortsbürgermeister Radermacher sich nicht an der Diskussion beteiligt hat.“ Die Chancen, das Windkraft-Projekt Kuhheck noch verhindern zu können, schätzen die beiden jungen Frauen 50:50 ein.
Ilse Bracher, eine der Hauptinitiatorinnen der Kuhheck-Bewegung, war nach der Anhörung zuversichtlich: „Uns hat sehr gut gefallen die Stellungnahme von Manfred Braun von der Struktur- und Genehmigungsdirektion.“ Braun hatte ebenfalls das massive Rotmilan-Vorkommen in der Kuhheck und den zu geringen Abstand von zwei geplanten Windrädern zu Milan-Horsten ins Feld geführt. Auch der Hinweis, dass sich die Verbandsgemeinde Hachenburg durch einen Windpark in der Kuhheck in ihren Hoheitsrechten verletzt fühlt, wird von Ilse Bracher und ihren Mitstreitern als positives Signal gewertet, dass es vielleicht möglich ist das Projekt noch verhindern zu können.
Die Entscheidung über den Antrag der EnBw-Altus wird in der Kreisverwaltung im Referat 62 Umwelt, Natur und Energie von der Amtsrätin Ina Heidelbach getroffen und Ende Oktober bekannt gemacht. Ist einer der Beteiligten mit dieser Entscheidung nicht einverstanden, kann er Widerspruch einlegen, der dann vom Kreisrechtsausschuss behandelt wird. Danach steht noch der Klageweg vor den Verwaltungsgerichten offen.
Heute Abend, am Ende der Anhörung um 19 Uhr, teilten die BI-Mitglieder dem NR-Kurier einen weiteren Plan gegen das Windkraft-Projekt von Altus mit: Sie wollen mit dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann sprechen. Denn der Altus-Kooperationspartner EnBw gehört zu 45 Prozent dem Land Baden-Württemberg. Im Gespräch mit Kretschmann wollen die BI-Mitglieder auf die moralische Verwerflichkeit des Windkraft-Projekts in der Marienhausener Exklave Kuhheck hinweisen und dass dadurch der Ruf der erneuerbaren Energien insgesamt geschädigt wird. Holger Kern
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