20 Jahre Klangexperimente versteckt im Westerwald
Professor Arnd Dolge stellt elektronische Klanginstallationen im ehemaligen Nato Bunker in Montabaur-Horressen aus.
Montabaur. Eine Klangausstellung mit elektronischen Produktionen von Prof. Arnd
Dolge ist an drei Tagen in der Woche vom 11. bis zum 25. September im Kunst- und Kulturzentrum b-05, Montabaur-Horressen, im Stadtwald 2, einem ehemaligen Munitionsdepot der Nato, zu hören. Der Eintritt ist frei.
Fasziniert von den unbegrenzten Möglichkeiten, elektronische Klänge zu formen, sind in den letzten 20 Schaffensjahren eine beträchtliche Zahl von Dolges Studien und Werke dieser Form zeitgenössischer Musik entstanden. Viele seiner Musiken werden auch visuell dargestellt.
In Dolges Musik werden die Klänge von klassischen Instrumenten, wie beispielsweise einer Klarinette nachempfunden oder aber ganz neue Klangformen entwickelt. Es erklingen vier Flügel gleichzeitig, die jeweils um einen Viertelton verstimmt sind, verfremdete Vogelgestimmen und balinesische Instrumente. Bruchstücke eines gesprochenen Satzes dienen als Sound für Bachs Klaviermusik und Lachen wird in Fragmenten zu neuer Musik geformt.
Für eine Ausstellung mit Rheinbildern komponierte er seine "Rheinmusik" und verwendete typische Geräusche, wie Schiffshupe und Wasserplätschern, die am Rhein aufgenommen wurden.
Arnd Dolge sagt zu seinen Kompositionen: "Musik ist Gewohnheit, was man weiß, ist leichter zu verstehen! Doch Neugier, das Andere, stets neue Formen aus alten Bruchstücken, bringen Leben ohne Zerstörung, vermeiden gewalttätige Aneignung und Arroganz der Identifikation."
Viele seine ersten Werke sind mit Hilfe von Grafiken entstanden. Mit dem
Computer werden Bilder gezeichnet, die dann in Musik umgerechnet und nachbearbeitet werden können. Die so entstandenen "Notenbilder" sind auch Teil der Ausstellung im ehemaligen Munitionsdepot.
In seinen späteren Werken sind Videobilder der Schwingungsvorgänge direkt nachzuverfolgen und ergeben neben dem Klang eine malerisch bildliche Komponente der Komposition. Einen optischen Sensor, ähnlich der Webkamera, benutzt Dolge zur eigenen Live-Steuerung der elektronischen Klänge mit der Video-Wiedergabe von Figuren und geometrischen Formen.
An den Ausstellungstagen kann man in stündlichen Blöcken einen Überblick über die verschiedenen Arten bekommen, wie elektronische Musik entsteht. Für das Publikum sind am Ende der stündlichen Vorführungen eigene Kompositionsversuche vorgesehen. Hier kann jeder sofort eigene zeitgenössische Musik kreieren. In Zukunft sind
Ausstellungen von Produktionen der Musikmalerei verbunden mit kleinen
Wettbewerben und Vergabe von Preisen geplant.
Die Ausstellung ist geöffnet von Sonntag, den 11. September bis Sonntag,
den 25. September, jeweils sonntags (11–18 Uhr), donnerstags (11–18 Uhr)
und samstags (14–18 Uhr).
Das Interview mit dem Komponisten:
Freude an der Zwecklosigkeit
In einem voller Elektronik gestellten Arbeitsraum geht der Musiker Arnd
Dolge hin und her, seine Arme beschreiben Figuren in der Luft. Dabei wird
er von einer Kamera erfasst und ein Strichmännchen am Bildschirm folgt
genau seinen Bewegungen. Arnd Dolge komponiert, denn der Computer
rechnet diese Figuren in Musik um. Eigentlich benutzt er die Technik von
modernen Computerspielen, die er so umprogrammiert hat, dass sie zur
Komposition von elektronischer Musik dient.
Herr Dolge, ist das klassisches Komponieren oder Spielerei, schließlich
könnte das ja jeder?
"Richtig das kann jeder, und ich mache Mut, es auch zu tun. Auf dem Klavier
klimpern kann ja auch jeder. Die durch die Bewegung erzeugten Klänge
werden später am Computer bearbeitet, Motive kopiert, höher oder tiefer wieder eingesetzt, verändert und so entsteht etwas mit der formalen Struktur einer klassischen Komposition, nur eben nicht in der gewohnte Dur-Moll-Harmonie. Die Kunst aber, – und dazu bedarf es auch einer musikalischen Bildung, – besteht darin, diese beurteilen zu können und zu entscheiden, was gut ist. Letztlich kann aber jeder „Musik malen“ und sollte sich nicht von denen bestimmen lassen, die es meinen besser zu können."
Warum tun sich die meisten Menschen so schwer mit moderner Musik, die
ja schon seit über 100 Jahren die Dur-Moll-Harmonie verlassen hat?
"Eigentlich hat das schon früher, bei Wagner, angefangen und Schönberg
hat dann die Konsequenz gezogen. Wenn wir die gewohnte Tonalität verlassen, wirkt die Musik schwebend. Es gibt keinen Bezugspunkt mehr, alle Töne stehen gleichberechtigt nebeneinander. Die wohlklingenden Dreiklänge mit ihren immer wiederkehrenden Wendungen sind aber die Gewohnheit und die ist in der Pop- und Werbemusik so dominierend, dass wir unseren Ohren nichts anderes zutrauen und dass man sich ja fast schämen muss, als Künstler etwas anderes zu machen. Und mit gefälliger Musik lässt sich schneller mehr Geld verdienen".
Sie haben mal gesagt, sie bräuchten keine Zuhörer.
"Ja, das stimmt. Ich kann diese Musik auch nur deshalb machen, weil ich als
Pensionär ein gesichertes Leben führen kann. Es ist immer wieder interessant,
neue Töne in Form zu bringen und das zu tun, was ich möchte. Ich bin wie ein Tiefseetaucher, der neugierig neue Welten und merkwürdige Kreaturen entdeckt. Meine Musik muss nicht nutzbar sein. Vielmehr entdecke ich Freude an der Zwecklosigkeit. Was ich mag, daran müssten eigentlich junge Menschen Gefallen finden. Natürlich freue ich mich über Zuhörer und deren Reaktionen, bin aber nicht abhängig davon."
Worin unterscheidet sich Ihr klassisches Klavierspiel von Ihrer elektronischen Musik?
"Mit dem Computer kann ich Töne erzeugen, die ein Instrumentalist nicht
spielen kann, weil sie zu schnell sind oder weil es kein Instrument gibt, was
diese Art Töne hervorbringt. Meine kompositorischen Möglichkeiten sind also grenzenlos. Ich kann in dem Moment alles verwirklichen, was mir einfällt, ohne, dass ich die Stücke in langer Arbeit einüben müsste, die Hände zu klein sind oder zu wenige Finger da sind."
Wenn aber die Musik vom Band kommt, fehlt dann nicht das Emotionale einer echten Aufführung?
"Richtig, das ist der Nachteil dieser Musik. Im Moment der Aufführung ist die Musik nicht mehr veränderbar. Es sei denn man erzeugt sie mit dem Computer durch die eigene Bewegung. Das muss aber dann auch wieder geübt werden und ähnelt normalem Instrumentalspiel.
Wie kommt ein Professor für Klavier auf die Idee, mit Computern Musik zu machen?
Angefangen hat alles mit dem Commodore 64, den wir für die Kinder zum Spielen gekauft haben und den ich zur Verwaltung der Musikschule nutzte. Vor rund 20 Jahren habe ich die vielen Möglichkeiten des Computers als Musikinstrument entdeckt. Seit dem fasziniert mich diese Art der Kunst.
Das Gespräch führte Eckhard Schneider
Weitere Informationen bei
Prof. Arnd Dolge
Im Rosenbusch 5
56242 Ellenhausen
Telefon (0 26 26) 31 80 46
mail@electronicartmusic.com
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