Gaudi in Ransbach-Baumbach: Jürgen von der Lippe hadert übers Gendern und die Libido im Alter
Von Wolfgang Rabsch
Slapstick, Comedy, Kalauer und Situationskomik: Das Rezpt für Jürgen von der Lippes Programm-Mix klingt einfach, machte aber dem Publikum in der rappelvollen Stadthalle von Ransbach-Baumbach einen Heidenspaß. Hier gastierte das kabarettistische Urgestein im Rahmen seiner Deutschlandtour, im Gepäck unzählige Einsichten in das Leben eines "alten weißen Mannes" zwischen schwindender Libido und Gender-Wahn.
Ransbach-Baumbach. "Nonstop Nonsens" von und mit Didi Hallervorden war Ende der 70-er Jahre eine der erfolgreichsten Fernseh-Shows und hatte ein Millionenpublikum. Hallervorden legte dabei keinen Wert auf niveauvolles Kabarett, er blödelte, was das Zeug hielt, spielte absolut irreale Situationen des Lebens durch, ohne sich selbst zu schonen. Genau diesem Gustus folgt Jürgen von der Lippe nunmehr seit 50 Jahren, er will die Welt nicht verbessern, sondern die Menschen mit der besten Medizin heilen, die zudem nichts kostet und rezeptfrei verordnet werden kann: Lachen. Was die wenigsten wissen, von der Lippe war Mitglied der berühmten "Gebrüder Blattschuss", die mit "Kreuzberger Nächte" 1978 einen Riesenhit landeten.
Genau diese Medizin, nämlich Lachen, verabreichte Jürgen von der Lippe seinem erwartungsvollen Publikum in der bis auf den letzten Platz besetzten Stadthalle in Ransbach-Baumbach. Die Besucher bekamen auf dem silbernen Tablett serviert, weshalb sie die Stadthalle aufsuchten. Kein Politiker-Bashing, keine Flüchtlingskrise, kein Klimawandel, kein Heizungstheater, kein Parteienfilz wurde thematisiert. Nein, von der Lippe hatte im Grunde nur zwei Themen im Visier: Seine absolute Abneigung gegen das Gendern und die zwischenmenschlichen Beziehungen bei Mann und Frau.
Der alte weiße Mann und die Libido
Beim letzteren Thema sprach er häufig verdeckt auf seine eigenen Erfahrungen an, wie es sich so anfühlt, wenn es als alter weißer Mann mit der Libido nicht mehr so recht klappen will, wie man damit umgehen kann, ohne das Gesicht zu verlieren. Bei den Beschreibungen zum Thema Sex nahm er kein Blatt vor den Mund, ohne dabei vulgär oder ordinär zu wirken.
Jedenfalls erreichte er bei dem Thema Zweisamkeit voll sein Publikum, welches sich bei der Schilderung von teilweise abstrusen Situationen oft selbst erkannte und in schallendes Gelächter ausbrach. Eine Lebensweisheit jagte die nächste. SO sinnierte von der Lippe zum Beispiel: "Beim Sex einzuschlafen ist schön, das Wachwerden dagegen ist Mist. Peter Maffay ist mit 69 Jahren Vater geworden, Jean Pütz mit 76 Jahren und Jack White mit 83 Jahren. Glauben sie jedenfalls."
Natürlich philosophierte von der Lippe auch über sein eigenes Alter (74 Jahre), als er meinte: "Ich könnte theoretisch eine um 30 Jahre jüngere Frau haben, ein 40-jähriger kann das doch gar nicht von sich behaupten". Er nahm auch GNTM (Germans Next Top Model) auf den Arm: "Bei GNTM sind überwiegend attraktive Mädchen und Frauen zu sehen. Wenn sie doch bloß ihren Mund halten würden. Neulich hatte eine mit piepsiger Stimme gesagt: Wir sind ja nur noch vier Meeedchen, da habe ich eine Chance von 40 Prozent, zu gewinnen."
Schabernack mit dem Publikum
Als Routinier im Showgeschäft (50 Jahre Bühnenerfahrung) spielte von der Lippe natürlich auch mit seinem Publikum, er wusste genau, an welcher Stelle er sich ein Opfer aussuchen sollte, nicht um es bloßzustellen, aber um seinen Schabernack mit ihm zu treiben. Es war keine One-Man-Show, die von der Lippe abzog, weil er dauernd den Kontakt zum Publikum suchte. So entstand folgerichtig ein Mix aus Slapstick, Comedy, Kalauer und Situationskomik.
Auch wenn von der Lippe sich zurzeit auf einer großen Deutschlandtour befindet, entstand zu keiner Zeit der Eindruck, er würde routinemäßig einfach sein Programm abspulen, am Ende sich artig bedanken und in die nächste Stadt weiterreisen. Wie ein roter Faden zog sich sein Problem mit dem Gendern durch das Programm. Er selbst hat Philosophie, Germanistik und Linguistik studiert, darum ist es ihm ein Gräuel, wie seiner Meinung nach die deutsche Sprache von einer elitären Minderheit "verhunzt" wird.
Von der Landesgebärenden zur Watzperson
Dass er mit seiner Meinung nicht allein unterwegs war, bewies das Publikum, in dem es vorbehaltlos seine Wortkapriolen mit großem Beifall und Gelächter unterstützte. Entsetzt zeigte sich von der Lippe, als er davon berichtete, dass in Zukunft untersagt werden soll, eine Mutter Mutter zu nennen, sie sei eine Gebärende. Er hätte in einer Tageszeitung eine Traueranzeige von einer Frau gelesen, dort stand: In tiefer Trauer nehmen wir Abschied von unserer Gebärenden, von unserer Großgebärenden und von unserer Ur-Großgebärenden. Manuela Schwesig und Malu Dreyer wären ja keine Landesmütter mehr, denn korrekt sind sie ab sofort Landesgebärende. Ein Mann dürfe auch nicht mehr als Mann bezeichnet werden, den gendergerecht sei er eine Person. Im Hinblick darauf fragte sich von der Lippe, ob die Firma Mannesmann sich nur noch Personenperson nennen dürfe und der Watzmann in Watzperson umgetauft wird.
Als neulich bei Anne Will eine "Gästin" von einer SteuerInnenzahlerin sprach, hätte ein deutschsprechender Asylbewerber bestimmt gedacht, die Dame hätte einen Schlaganfall. Dann richtete von der Lippe noch eine Frage an das Publikum, wer ihm sagen könne, was Biolärm sei. Da keine Antwort kam, klärte er auf: Unter Biolärm versteht man Flatulenz, Darmwind, Furz oder Blähung.
Es mag nicht jeder im Publikum jeden Gag für gut befunden haben, doch letztendlich hatte von der Lippe alle seine Fans aus dem Westerwald in Ransbach Baumbach hinter sich versammelt, die ihn gebührend abfeierten, weil er ihnen schenkte, was sie eigentlich nur wollten: Über zwei Stunden Spaß, fast jeder Satz ein Volltreffer, der zu regelrechten Lachsalven im Saal führte. Nach mehreren Zugaben, weil die Leute ihn einfach nicht von der Bühne gehen lassen wollten, setzte er noch einen drauf, als er mit dem gesamten Saal seinen Hit "Guten Morgen, liebe Sorgen" anstimmte.
Ach ja, ganz zum Schluss noch eine kleine Episode: Von der Lippe versprach, nach Ende der Show sofort ins Foyer zu kommen, um dort seine vier Bücher und CDS zu signieren. Es hätte ihn sehr stutzig gemacht, als bei einer seine letzten Auftritte ein Gast ihn bat, ein Buch mit folgendem Text zu signieren: Liebe Erbtante, von Herzen schenke ich dir ein Buch, es ist eines zum Totlachen. (PM)
Mehr dazu:
Veranstaltungsrückblicke
Lokales: Ransbach-Baumbach & Umgebung
Jetzt Fan der WW-Kurier.de Lokalausgabe Ransbach-Baumbach auf Facebook werden!
Weitere Bilder (für eine größere Ansicht klicken Sie bitte auf eines der Bilder): |