Pressemitteilung vom 28.07.2023
Neue Wildnis auf wilden Weiden: Wie Biodiversität machbar ist
Jan Haft ist ein wunderbarer Naturfilmer, vielfach ausgezeichnet. Seine Aufnahmen faszinieren, ob es die Wiese nebenan ist mit ihren Insekten oder die Rheinfauna, Moore oder Fjorde. Er schreibt auch Bücher. Um sein neuestes, "Wildnis", ging es nun bei seinem Besuch im Westerwald, im Stöffel-Park in Enspel.
Enspel. Die Besucher in der ausverkauften Alten Schmiede im Stöffel-Park erlebten einen intensiven, informationsreichen Vortrag, eine Lesung und anrührende Filmausschnitte samt Bühnengespräch. Hier kam als besonderer Gast Dominik Eulberg ins Spiel, ein Freund und Kollege Jan Hafts, der sowohl Biologe ist als auch Produzent elektronischer Musik (Minimal Techno) und mit Jan Haft zusammenarbeitet. Die Besucher erhielten einen bezaubernden Einblick in die Komposition von Naturfilm und elektrischer Musik anhand eines Videos.
Jan Haft spricht schnell, er will viel vermitteln. Zunächst geht er auf die Fauna früherer Zeiten ein, um zu zeigen, was bei uns im Westerwald eigentlich Wildnis ursprünglich bedeutete. Die großen Tiere prägten die Landschaft, erklärt er. Wasserbüffel, Flusspferd, Nashörner, riesige Waldelefanten (wesentlich größer als heutige Elefanten), Elche oder Riesenhirsche lebten in früheren Warmzeiten hierzulande. Und zwar nicht in dichten Wäldern, die sowieso kaum Biodiversität böten, sondern in offeneren Flächen, die sie wiederum durch ihr Fressverhalten gestalteten. Wer Wildnis mit einem undurchdringlichen Dschungel gleichsetzt, sieht sich hier enttäuscht. Und Jan Haft erklärt auch, dass auch heute Rinder oder Büffel und Pferde – extensiv und ganzjährig draußen gehalten, etwa ein Tier auf ein bis zwei Hektar – ein Segen für Biodiversität und Artenvielfalt sein können.
Sie fressen nicht alles wie ein Mähwerk nieder, sondern bereichern die Landschaft, selbst ihre Hufe schaffen kleine Lebens-/Brutorte für Insekten, und ihr wertvoller Dung (sofern das Tier nicht mit Wurmmitteln und Ähnlichem behandelt wurde) liefert Nahrung für hunderte Fliegen und Co., die wiederum andere Tiere ernähren. Haft hält selbst zwei Wasserbüffel im Landkreis Erding und stellt dort ein Aufblühen von Fauna und Flora fest. "Ein Mosaik an Lebensräumen bietet diese Weide." Das machen einige Bilder deutlich. Viele Lacher ernteten Szenen, wo Frösche sich auf badenden Büffeln tummeln, um Fliegen zu fangen. So könne Naturschutz besser vermittelt werden als über Verbote, äußert Dominik Eulberg.
Jan Haft zeigt als Visualisierungshilfe Gemälde aus dem 19. Jahrhundert, die parkähnliche Landschaften mit einzelnen Bäumen, großen Weidenflächen und frei laufenden Rindern abbilden. So könnte Wildnis bei uns also (wieder) aussehen. In Rumänien gebe es noch solche extensiv genutzten Wiesen, unter denen im Erdreich zudem große Mengen an Kohlenstoff gespeichert werden.
Vielfalt braucht Vielfalt. Das gilt auch für den Garten – teilweise gemäht, dazu verwilderte Ecken. Doch der Einzelne kann hier nichts retten, da es sich um ein systemisches Problem handelt, sind sich Dominik Eulberg und Jan Haft einig. Man muss also größer denken.
Dass Massentierhaltung staatlich unterstützt wird, kann Haft nicht verstehen. Er ist für weniger Energiepflanzenanbau (2,37 Millionen Hektar waren es laut Wikipedia in 2019) und für mehr Fotovoltaik, dann gäbe es noch reichlich Platz für natürliche Weidehaltung. Und: Wenn jede Gemeinde zehn Prozent ihrer Fläche einbringen würde, wäre ein Biotopverbund möglich.
Für eine ansprechende, sympathische Moderation sorgte Johannes Schmidt, Kulturbüro der Verbandsgemeinde Westerburg, der mit Simone Brög von der Buchhandlung Logo zu dem Abend eingeladen hatte. Seine guten Kontakte zu Dominik Eulberg kamen ihm da zu Hilfe. Das Team vom Stöffel-Park in Gestalt von Martin Rudolph und Carmen Engel hatte den Getränkeservice an dem Abend übernommen, dessen sommerlichen Temperaturen die Besucher in der Pause nach draußen lockte. Nach gut 2,5 Stunden endete eine besondere Veranstaltung, die viele Botschaften und Erkenntnisse mit auf den Weg gab.
Als Fazit des Abends oder Merksätze könnten einige Zitate von Jan Haft dienen: "Man sollte der Natur mehr Spielraum geben. Große Tiere und kleine Pflanzen, das passt. Ganzjahresweiden: Hier brummt das Leben. Oder: Neue Wildnis auf wilden Weiden!" Tipp: Schöne Aussichten, Jan Hafts derzeitiges Filmprojekt, beschäftigt sich mit dem Wald. Dabei arbeitet er erneut mit Dominik Eulberg zusammen. Beiträge des Naturfilmers sind auch in der Mediathek zu finden – etwa "Biene Majas wilde Schwestern". (PM)
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