Buchtipp: Thriller "Kinderseelen" von Doris Litz - nichts für schwache Nerven
Von Helmi Tischler-Venter
Das Thema Kindesmissbrauch ist schockierend und anrührend, wie die in Neuwied lebende Autorin, die als Journalistin dazu recherchierte, im Vorwort zugesteht. Sie appelliert, nicht wegzuschauen, sondern Missbrauchstäter aus ihrer Komfortzone zu jagen. Denn erschütternder Weise sind "die Konsumenten der Ware Kind in allen gesellschaftlichen Kreisen zu Hause - auch in unserer Nachbarschaft."
Neuwied/Dierdorf. Eine Reihe diffiziler Ermittlungen zu gleichzeitigen Mordfällen nimmt ihren Anfang in Neuwied. Der Westerwälder Kriminalrat Jochen Berg und Hauptkommissarin Bettina Engelmann von der Mordkommission müssen im Stadtteil Engers die Leiche Ulrich Vetters in Augenschein nehmen. Diese weist eine klaffende Wunde im Hals und ein riesiges Loch in der Brust auf, das Herz des prominenten Stadtrats fehlt.
Vor über einem Jahr wurde die kleine Josy in Norddeutschland entführt und bisher nicht gefunden. Nun ist aus Bayern die blondgelockte Valerie verschwunden, die ihr außerordentlich ähnlich sieht. Der Koblenzer Kriminalhauptkommissar Alexander Bierbrauer ermittelt wegen einer Mädchenleiche in der Sporkenburg-Ruine im Westerwald.
Kriminalhauptkommissarin Katie Hansen von der SoKo Stralsund sucht auf Rügen nach zwei Mädchen, die sich im Wald verstecken. Das kleinere ist Valerie, das größere Liliana aus Osteuropa. Ein Clan mit Sitz in Moldau und mit Verbindungen in die höchsten Positionen von Politik, Justiz und Wirtschaft betreibt den Handel mit Kindern auf Bestellung. Killer werden losgeschickt, denn die Mädchen sollen getötet werden, bevor sie mit der Polizei reden können. Das bringt nicht nur die Polizisten, sondern auch Katie Hansens Eltern in tödliche Gefahr.
Der reiche und angesehene Neuwieder Immobilienmakler und Stadtrat Kai-Uwe Forster wird in seinem Haus in Feldkirchen-Hüllenberg mit aufgerissener Kehle und Hoden im Mund gefunden. Auch er gehört zum Freundeskreis des Polizeipräsidenten. Eine Sondersitzung des Neuwieder Stadtrats bringt nicht, wie erhofft, Erkenntnisse, sondern versetzt die Kommunalpolitiker in Panik.
Rüdiger Zorn, Sozialarbeiter beim Jugendamt Montabaur, kämpft seit Jahren mit seinem Verein Eisenherz gegen sexuellen Missbrauch von Kindern und Jugendlichen. Er behauptet, die Morde hingen zusammen und seien Teil des Pädophilen-Netzwerks rund um Koblenz.
Persönliche Beziehungen zwischen männlichen und weiblichen Polizisten, gesellschaftliche Beziehungen zwischen ranghohen Justizbeamten und Politikern sowie Wirtschaftsbonzen und übergriffige Einflussnahme würzen die Geschichte. Hinzu kommen familiäre Verbindungen und erlittene Traumata, die bei einigen Protagonisten nachwirken und ihr Handeln beeinflussen.
Warum treten die Ermittler auf der Stelle? Wem ist noch zu trauen, wem nicht? Wer ist Täter, wer ist Opfer? Doris Litz schildert das Geschehen durch ständige Sichtwechsel beklemmend anschaulich. Regionaltypische Familiennamen und genaue Ortsangaben verleihen dem Roman erschreckende Realität. Die Leserschaft leidet mit den Kindern und den ständig gefährdeten Ermittlern mit.
Der Thriller ist außerordentlich spannend, die passende Ferienlektüre, wenn man ohne Termindruck lesen kann und dabei den Nervenkitzel liebt. Das 538-seitige Taschenbuch ist im dp Verlag erschienen, ISBN 978-3-98778-329-6, als E-Book ISBN 978-3-98778-144-5 und als Hörbuch ISBN 978-3-98778-151-3. (htv)
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