Prozess: Mann hält sechsjährigem Mädchen Schreckschusspistole an den Kopf und drückt ab
Von Wolfgang Rabsch
Es müssen Horrorminuten gewesen sein, die eine Mutter erlebt hat, als ein Mann an einer Bushaltestelle in der VG Selters ihrer sechsjährigen Tochter eine Schreckschusspistole an den Kopf hielt und auch abdrückte. Zum Glück war die Waffe nicht geladen. Dieser Vorfall ist der gravierendste in einer Reihe von weiteren Straftaten, die dem 36-jährigen Beschuldigten die Staatsanwaltschaft Koblenz vorwirft.
Koblenz/Selters. Da die Staatsanwaltschaft von einer psychischen Erkrankung des Mannes zur Tatzeit ausgeht und als Folge die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus im Urteil zu erwarten ist, werden die Tatvorwürfe in einer Antragsschrift, nicht wie üblich in einer Anklage, zusammengefasst. In einer Antragsschrift wird der mutmaßliche Täter als Beschuldigter bezeichnet.
Zusammenfassung der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft
Die dem Beschuldigten vorgeworfenen Taten ereigneten sich in zwei Orten in der VG Selters. Der gravierendste Vorfall soll sich im Dezember 2022 ereignet haben, als der Beschuldigte einem sechsjährigen Mädchen eine Schreckschusspistole an den Kopf gehalten hat und abdrückte. Die Waffe war nicht geladen. Ein weiterer Vorfall ereignete sich, als der Beschuldigte einer ebenfalls Sechsjährigen, die im Hof eines Hauses spielte, vom Fenster seiner Wohnung aus zurief: "Ich werde dir weh tun". Eine 18-Jährige soll der Beschuldigte an einer Bushaltestelle sexuell belästigt haben, indem er sie anfasste und mit einer Hand ihren Rücken und ihr Gesäß berührte. Dem Mitarbeiter einer Bankfiliale soll er gedroht haben, er würde die Bank in die Luft sprengen, weil sie kein Geld überweisen würde, da er bei einer anderen Bank Kunde war. Weiterhin hat der Beschuldigte mehrfach auf vorbeifahrende Autos mit der Schreckschusspistole gezielt. Dabei hat er auch die Fahrbahn betreten, sodass die Autofahrer ausweichen mussten, um einen Unfall zu vermeiden. Da der Beschuldigte eine Gefährdung für die Allgemeinheit darstellt, hat die Staatsanwaltschaft die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus beantragt, in dem der Beschuldigte sich bereits seit Ende März 2023 befindet.
Der Beschuldigte war grundsätzlich aussagebereit, machte dabei teils sehr widersprüchliche Angaben zu den Vorwürfen. Zunächst bestritt er, dem Mädchen eine Pistole an den Kopf gehalten zu haben. Diese Aussage revidierte er etwas später, er habe die Pistole aus zwei Meter Entfernung auf das Kind gerichtet, aber nicht an den Kopf gehalten. Zu den weiteren Vorwürfen wollte der Beschuldigte zunächst nichts sagen, er übergab jedoch dem Gericht eine handschriftliche Stellungnahme zu den Vorwürfen.
Ein Zeuge hatte den Beschuldigten mit seinem Handy gefilmt, als dieser an einer belebten Straße einen Gullydeckel heraushob. Diese Sequenz wurde öffentlich vorgeführt.
Aussage der Mutter des bedrohten Mädchens
An Dramatik kaum zu überbieten, war die Aussage der Mutter des sechsjährigen Mädchens, das mit der Waffe bedroht wurde: "Ich befand mich mit meinen beiden Töchtern auf dem Weg zur Bushaltestelle, die Jüngere hatte ich an der Hand, während die Sechsjährige einige Meter vor uns ging. Ich sah den Beschuldigten, der plötzlich auf meine Tochter zuging, ihr eine Pistole an den Kopf hielt und abdrückte. Ganz deutlich konnte ich das Klicken hören, dann richtete er die Waffe gegen seinen Kopf, krümmte den Finger am Abzug, drückte aber nicht ab. Dann lachte er nur und ging weiter. Ich konnte genau sehen, dass die Pistole sich direkt an der Schläfe meines Kindes befand, höchstens in fünf Zentimeter Abstand. Die Pistole sah für mich nicht wie eine Spielzeugpistole aus, sie wirkte echt und angsteinflößend".
Pädagogisch hat die Mutter wohl alles richtig gemacht, denn trotz des Schocks behielt sie die Nerven und beruhigte ihre Tochter, der Mann habe wohl Karneval gespielt und sich als Cowboy gefühlt. Ihre Tochter sei aber nicht traumatisiert, weil man in der Familie sehr behutsam mit dem Vorfall umgehe. Eine vom Angeklagten ausgesprochene Entschuldigung nahm die Mutter des Kindes nicht an.
Die 18-jährige Zeugin schilderte, wie es zu dem sexuellen Übergriff kam. "Ich stand an der Bushaltestelle, als der Mann kam und um eine Zigarette bettelte. Ich gab ihm eine Zigarette, dann sagte er, ich würde ihm gefallen, wir könnten doch mal ein paar schöne Stunden zusammen verbringen. Er verlangte dann meine Telefonnummer, was ich ablehnte. Da er unmittelbar neben mir stand, berührte er mit einer Hand meinen Rücken und glitt mit dieser runter bis zu meinem Gesäß. In dem Moment kam ein älterer Herr zur Bushaltestelle, der Beschuldigte hörte sofort auf, mich zu berühren. Im Weggehen drohte er mir noch, es würde etwas passieren, wenn ich mich nicht bei ihm melde. Ich leide heute noch unter der sexuellen Belästigung, schlafe schlecht und überlege, einen Therapeuten aufzusuchen".
Die Mutter des anderen sechsjährigen Kindes berichtete, dass ihre Tochter weinend ins Haus kam, als der Beschuldigte dem Kind drohte, er würde ihm wehtun. Mehrere Wochen nach der Tat hatte es immer noch Angst, mithilfe der Eltern habe sich das inzwischen gebessert.
Der Servicemitarbeiter einer örtlichen Bank sagte aus, dass der Beschuldigte eine Einzahlung tätigen wollte, obwohl er Kunde bei einer anderen Bank war. Als der Zeuge erklärte, dass das nicht gehe, drohte der Beschuldigte "unsere Filiale in die Luft zu sprengen, wenn wir nicht die Überweisung tätigen würden".
Die Strafliste (BZR) des Beschuldigten wurde erörtert, die seit 2012 acht Eintragungen enthielt wegen verschiedener Strafdelikte, in allen Verfahren erfolgte eine Einstellung wegen Schuldunfähigkeit. Wir werden von den Fortsetzungsverhandlungen vor der 6. Strafkammer des Landgerichts Koblenz berichten. (Wolfgang Rabsch)