Buchtipp: "An Sieg und Rhein" von Bertram Münker
Von Helmi Tischler-Venter
Der Titel lässt geografische Sachangaben vermuten, zumal Bertram Münker als Fotograf Landschaftsführer und Fotoreportagen gestaltet hat. Aber die beiden Flüsse geben lediglich die Region an, in der die Episoden im Leben des Siegerländers stattfanden. Sehr persönliche Erinnerungen hat Münker in "ungewöhnlichen Geschichten" niedergeschrieben.
Dierdorf. Obwohl die erste Geschichte von einem Fotoauftrag in Freudenberg handelt, ist das Umschlagfoto, das den Freudenberger "Alten Flecken" zeigt, erstaunlicher Weise nicht vom Autor selbst.
Überhaupt sorgt der Ich-Erzähler beim Leser für Verwirrung, denn während die erste Hälfte des Buchs überwiegend anschaulich erzählte Geschichten im Stil von Hebels Rheinischem Schatzkästlein enthält, die wohl dem lebenslang ängstlich-schüchternen Gemüt des Schriftstellers geschuldet sind, ist die zweite Hälfte eine langatmige Aneinanderreihung peinlicher Begegnungen beim Toilettengang, die durch Münkers extreme Verklemmtheit eskalieren. Einer solchen Episode fällt sogar eine Ehe des Autors zum Opfer. Die bedauerlichen, nur sehr bedingt lustigen Begebenheiten hätten sich mit etwas mehr Mumm und Offenheit allesamt vermeiden lassen.
In der Erzählung "Schrecken überm Alten Flecken" haut die lautstarke Antwort auf seine fahrlässiger Weise nicht gestellte Frage den Fotografen buchstäblich um. "Verfolgt" wird Kumpel Michael bei einer nächtlichen Wald-Wanderung nicht nur von seiner beschleunigten Verdauung, sondern auch von einem Totenglöckchen. "Anruf genügt" erzählt detailliert, mit welchen Finten ein gestresster Ehemann seine heimliche Affäre vor seiner Ehefrau verbirgt. In "Die wundersame Rettung" begibt sich der Autor während eines Gottesdiensts in seine kindliche Fantasiewelt, mit peinlichem Ende.
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Im "Alcher Postverkehr" schöpft Münker aus den Erinnerungen an seine Schulzeit und die folgende Dienstzeit als Postzusteller, die ihm manche Geheimnisse von Mitmenschen offenbart. "Künstlerpech" betrifft einen ganzen Ort und in "Wohl dem" sind mit einem "Quickly"-Zweirad verknüpfte Lebensabschnitte beschrieben. "Freund in der Not" ist eine Weihnachtsgeschichte mit "Russischem Roulette auf der zugefrorenen Sieg und einem überraschenden Ende.
Im letzten langen Kapitel "Am Rhein so schön" kehrt Bertram Münker immer wieder an den deutschen Fluss zurück, dessen anerkannte landschaftliche Schönheit durch das Fehlen zugänglicher Toilettenanlagen deutlich geschmälert wird. Aber genau dieser Makel gibt Anlass zu wiederholten peinlichen Situationen und infolgedessen zu skurrilen Erzählungen.
Das 322-seitige Taschenbuch ist erschienen beim Rediroma-Verlag, ISBN 978-3-98527-826-8. (htv)
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