Deutscher Landkreistag übt Kritik an der Migrationspolitik der Bundesregierung
Von Wolfgang Rabsch
Im Hotel "Zugbrücke" in Grenzau tagte das Präsidium des Deutschen Landkreistags (DLT), um sich mit folgenden Tagesordnungspunkten auseinanderzusetzen: Flüchtlinge und Migration, Kindergrundsicherung und Krankenhausreform. Das Präsidium des DLT trifft sich vierteljährlich jeweils in einem anderen Landkreis.
Höhr-Grenzhausen. Der DLT ist der Zusammenschluss der 294 deutschen Landkreise auf Bundesebene. Seine unmittelbaren Mitglieder sind die Landkreistage der 13 Flächenländer, die sich für die Kommunalbelange in ihrem jeweiligen Bundesland einsetzen. Er vertritt drei Viertel der kommunalen Aufgabenträger, rund 96 Prozent der Fläche und mit 57 Millionen Einwohnern 68 Prozent der Bevölkerung Deutschlands.
Bei der aktuellen Präsidiumssitzung in Grenzau war Achim Schwickert, Landrat des Westerwaldkreises, Gastgeber. Nach Abschluss der Beratungen haben Reinhard Sager, Präsident des DLT und Landrat Achim Schwickert, auch Vorsitzender des DLT Rheinland-Pfalz, zu einer gemeinsamen Pressekonferenz eingeladen.
Größere Probleme als 2015/16
Präsident Sager sprach die Problematik der Flüchtlings- und Migrationspolitik klar an: "Die Landkreise können allein die reine Unterbringung Geflüchteter nicht mehr bewältigen. An Integration ist erst recht nicht mehr zu denken. In vielen Landkreisen werden Notunterkünfte wie Zelte und Turnhallen genutzt, sämtliche verfügbaren leer stehenden Heime oder Hotels sind angemietet worden. Das wird gesellschaftlich zu einem immer größeren Problem. Die Akzeptanz bei Bürgerinnen und Bürgern lässt sich nicht sichern, wenn die Bundesregierung nicht endlich konsequent die Zuwanderung deutlich begrenzt und besser geordnet wird." Die Situation stelle sich prekärer dar als in der Flüchtlingskrise 2015/16. Es wäre allerhöchste Zeit, dass Bundeskanzler Scholz das Heft des Handelns in die Hände nimmt und die Asylpolitik zur Chefsache erklärt. Von 2015/16 nach Deutschland gekommenen Flüchtlingen gehen nur 30 Prozent einer geregelten Arbeit nach, während 70 Prozent von staatlichen Transferleistungen leben würden.
Immer weniger ehrenamtliche Helfer
Landrat Schwickert betonte, dass die meisten Kommunen sich am absoluten Limit befinden würden, weil es an Personal fehle, aber auch im Bereich des Ehrenamts viele Bürger aufgegeben hätten. Vor allen Dingen fehlten an den Schulen viele Lehrer, die für die Integration so wichtigen Sprachkurse durchführen könnten. "Wenn nicht schnell eine Änderung bei der Zuwanderung erfolgt, werden wir in drei bis fünf Jahren Probleme im bisher ungeahnten Ausmaß haben, die auch zu gesellschaftlichen Verwerfungen führen können", so der Landrat.
Sager und Schwickert vertraten unisono die Meinung, dass die in Deutschland gezahlten Sozialleistungen, auch wenn es von vielen bestritten wird, dazu führen, dass der Großteil der Asylsuchenden in der Bundesrepublik Asyl beantragen würde. Im Vergleich zu anderen EU-Ländern wären die Sozialleistungen teilweise doppelt so hoch, diese Problematik müsste sofort gestoppt werden. Nun will der Bund sogar die Mittel für Unterkünfte der Ankommenden kürzen, wodurch es dazu kommen kann, dass Flüchtlinge in Zeltstädten untergebracht werden müssen, da kein adäquater Wohnraum zur Verfügung steht. Schwickert sprach auch von der geringen Rückführung von abgelehnten Asylbewerbern in sichere Drittstaaten, die nach einer gewissen Zeit Sozialleistungen wie anerkannte Flüchtlinge erhalten würden.
Stellungnahme des DLT zur Kindergrundsicherung
Der Deutsche Landkreistag hat den Kabinettsbeschluss zur Kindergrundsicherung scharf kritisiert. Er führt nach Auffassung von Präsident Sager zu einer Überforderung der Familien, zu neuer Bürokratie und zu Doppelstrukturen. Zudem würden die Möglichkeiten einer Verwaltungsdigitalisierung in derart kurzer Zeit massiv überschätzt. Er sagte: "Das Vorhaben macht uns ratlos. Es führt zu einem vollkommen übereilten und chaotischen Bürokratieaufbau. Wir setzen daher auf den Bundesrat und unterstützen die Länder dabei, diesem Vorhaben so nicht zuzustimmen." Die Reform sei in weiten Teilen nicht nachvollziehbar, weise Widersprüche auf und sei unausgegoren: "Vor allem konfrontiert sie die betroffenen Familien mit mehr Bürokratie als bislang. Das liegt daran, dass ohne Not versucht wird, das bewährte System der Jobcenter zu umgehen und Teile von deren Leistungen über die Familienkassen auszuzahlen. Zugleich aber bleiben die Jobcenter parallel zuständig. Das wird ein Verwaltungs-Desaster."
Stellungnahme des DLT zur Krankenhausreform
Der Deutsche Landkreistag sprach sich dafür aus, die beabsichtigten Reformen der Krankenhausstrukturen und des Rettungsdienstes mit Augenmaß zu betreiben. Präsident Sager: "Die geplante Krankenhausstrukturreform lehnen wir in ihrer derzeitigen Form ab. Auch wenn eine Reform der Krankenhauslandschaft in Deutschland geboten ist, so ist zunächst bei der Überversorgung in Ballungsräumen anzusetzen. Für den notwendigen Anpassungsprozess vor allem in ländlichen Räumen braucht es geeignete gesetzliche Rahmenbedingungen, die vor allem auf die Erreichbarkeit für die Bevölkerung achten. Daran fehlt es derzeit."
Darüber hinaus dürfe es nicht zu einer Zentralisierung der Kompetenzen im Rettungsdienst kommen. Der Bund müsse bei der Finanzierung der Krankenhäuser dringend handeln: "Die hohe Inflation und die Personalkostensteigerungen werden nicht im Geringsten gedeckt. Die Schließung von Standorten darf von der Bundespolitik nicht hingenommen werden. Darauf haben die Krankenhäuser vollkommen zu Recht in der vergangenen Woche auf ihrem bundesweiten Protesttag aufmerksam gemacht."
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