Altenkirchener DRK-Krankenhaus ganz stark von Umstrukturierung betroffen
Hiobsbotschaft für den Großraum Altenkirchen: Dem DRK-Krankenhaus am Leuzbacher Weg geht es gewaltig an den Kragen. Per Umstrukturierung werden viele Disziplinen ins DRK-Klinikum Hachenburg verlagert. Nur die Kinder- und Jugendpsychiatrie bleibt an Ort und Stelle und soll ausgebaut werden. Darüber hinaus ist vorgesehen, auf Basis eines Medizinischen Versorgungszentrums weitere Dienstleistungen anzubieten.
Altenkirchen/Westerwald. Das ist ein gewaltiger Schlag ins Kontor: Das DRK-Krankenhaus in Altenkirchen wird fast aller seiner Disziplinen beraubt, die sich alsbald im DRK-Krankenhaus Hachenburg wiederfinden werden. Nur die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist von der massiven Umstrukturierung nicht betroffen, sie soll ausgebaut werden. Der Komplex am Leuzbacher Weg erhält zudem den Status eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), in dem auch „ambulante Operationen“ angeboten werden sollen. Die Gynäkologie/Geburtshilfe (bislang auch in Hachenburg) wird in Gänze am DRK-Krankenhaus in Kirchen vorgehalten. Das alles erfuhren die Mitarbeiter der drei heimischen Hospitäler im Verlaufe des Donnerstages (19. Oktober) bei Versammlungen an den jeweiligen Standorten. Hintergrund für die drastischen Schritte ist die Insolvenz der DRK gemeinnützigen Krankenhausgesellschaft mbH Rheinland-Pfalz, die für die Krankenhäuser Altenkirchen, Alzey, Hachenburg, Kirchen und Neuwied beantragt wurde. Das Sanierungsverfahren solle in Eigenverantwortung abgewickelt werden, mit dem eine harte Insolvenz vermieden werden solle, hatte der Vorstand des DRK-Landesverbandes und Aufsichtsratsvorsitzende der übergeordneten DRK-Trägergesellschaft Süd-West, Manuel González, zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Zahlungsunfähigkeit beteuert. Offenbar nicht zur Disposition steht die Zusammenlegung der beiden Hospitäler Altenkirchen und Hachenburg in einem Neubau am bereits fixierten Standort in der Nähe von Müschenbach an der B 414.
Gesundheitsvorsorge auf höchstem Niveau
„Wir sind froh, auf der Basis des Zukunftskonzepts einen Weg bereiten zu können, der sicherstellt, dass die DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz mit allen Krankenhäusern fortbesteht und auch künftig die Gesundheitsversorgung in unserer Region auf höchstem Niveau gewährleisten kann. Trotz der schwierigen Entscheidungen ist für uns essentiell, dass alle Standorte erhalten bleiben. Indem wir durch Einzelmaßnahmen die Qualität und Effizienz unserer Einrichtungen steigern, können wir der Verantwortung gegenüber unseren Patienten und Mitarbeitern bestmöglich gerecht werden“, sagte González. Als wesentliche Eckpunkte sieht das Konzept insbesondere Maßnahmen zur Qualitätssicherung und Leistungssteigerung der einzelnen Standorte vor. Dies beinhaltet auch Leistungsverschiebungen, wie in einer Mitteilung dargestellt wurde: Am Standort Altenkirchen sollen die Kinder- und Jugendpsychiatrie ausgebaut und ambulante Strukturen einer erweiterten MVZ-Struktur inklusive ambulantem OP-Zentrum gestärkt und durch eine Notfall-Anlaufstelle ergänzt werden. Stationäre somatische Behandlungen sollen hingegen konzentriert in Hachenburg oder auch Kirchen angeboten werden. Das Behandlungsprofil am Standort Kirchen soll geschärft werden, indem das Haus künftig als frauenmedizinischer Schwerpunktversorger, insbesondere in der Geburtshilfe, in der Region fungiert. Die Etablierung eines Geburtshauses in Hachenburg wird zudem geprüft. Auch an den Krankenhäusern in Alzey und Neuwied sind Änderungen festgezurrt. Das Maßnahmenpaket soll von November an umgesetzt werden.
Umfassende Analyse aller Standorte
Das skizzierte Zielbild des Zukunftskonzepts entsprang einer umfassenden Analyse aller Standorte und deren wirtschaftlicher Lage seitens der Geschäftsführung und des Teams von WMC Healthcare (München). Zur Auswertung wurden verschiedene Szenarien für die DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz im Kontext der Gesundheitsreform der Bundesregierung geprüft und abgewogen. Dr. Ottmar Schmidt, Verantwortlicher der Restrukturierung und Geschäftsführer der DRK-Trägergesellschaft Süd-West, erklärte: „Wir sind davon überzeugt, dass wir in Zusammenarbeit mit dem gesamten Direktorium und den Mitarbeitervertretungen der einzelnen Häuser dem Konzept und damit auch unserer DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz zurück zum Erfolg verhelfen.“ Christian Eckert, Geschäftsführer bei WMC Healthcare und Generalhandlungsbevollmächtigter, betonte: „Im Rahmen der Erarbeitung des Zukunftskonzepts war es uns insbesondere wichtig, die Häuser entlang des Versorgungsbedarfs wirtschaftlich nachhaltig aufzustellen und die sich in den aktuellen Reformdiskussionen abzeichnenden Veränderungen der Krankenhauslandschaft so gut wie möglich vorwegzunehmen.“ Friedemann Schade, Partner der Kanzlei BRL Boege, Rohde, Luebbehuesen (Hamburg) und ebenfalls Generalhandlungsbevollmächtigter im Verfahren, fügte an: „Nach Beginn des vorläufigen Sanierungsverfahrens in Eigenverwaltung im August 2023 ist die Veröffentlichung des Zukunftskonzepts wegweisend für den weiteren Verlauf der Sanierung. Die schrittweise Umsetzung des Konzepts beginnt voraussichtlich im November 2023. Die konkreten operativen Schritte werden weiterhin frühzeitig angekündigt.“ Rechtsanwalt und Gründungspartner der Kanzlei Eckert Rechtsanwälte (Bonn), Dr. Rainer Eckert, beaufsichtigt als vorläufiger Sachwalter das Verfahren: „Die strategischen Ansätze, die das Zukunftskonzept für die betroffenen Häuser vorsieht, bedienen die Interessen der Gläubiger. Sie sind damit aber auch insbesondere für den Fortbestand der DRK-Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz und deren Erfüllung ihres gemeinnützigen Versorgungsauftrages in der gesamten Region richtig und wichtig.“
Enders: Letztes Wort noch nicht gesprochen
Die Pläne stoßen im Altenkirchener Kreishaus auf großes Unverständnis: „Ich kann die vorgeschlagene Variante weder als Landrat noch als Mediziner akzeptieren, bedeutet das doch einen regelrechten Kahlschlag am Standort Altenkirchen“, erklärte Dr. Peter Enders als Landrat des Kreises Altenkirchen, „favorisiert wird diese Variante vom Gläubigerausschuss, der im derzeitigen Sanierungsverfahren die alleinige Entscheidungshoheit innehat. Die Landkreise sind hier außen vor.“ Das aber bedeute im Umkehrschluss nicht, dass in der Kreisverwaltung Altenkirchen alles „abgenickt“ werde. Im Gegenteil: Um die Versorgungssicherheit der Menschen in der Region weiter zu gewährleisten und gleichzeitig eine finanzielle Stabilität der Krankenhäuser zu erreichen, plädierte Enders für ein alternatives Szenario.
Abgewandelte Variante zukunftsträchtiger
Eine abgewandelte Variante, so Enders, sei wesentlich zukunftsträchtiger: Diese sieht einen Verbleib der stationären Allgemeinchirurgie und eines Teil der stationären Inneren (außerhalb der Kardiologie) am Standort Altenkirchen vor. Dass in Hachenburg gewisse Schwerpunkte gesetzt werden sollen, stehe dabei nicht zur Diskussion. „Ich werde darum kämpfen, dass die stationäre Versorgung an allen drei Standorten erhalten bleibt“, betonte Enders. Und er sieht sich bei diesen Bemühungen nicht allein auf weiter Flur. „Ich habe in den zuletzt geführten Gesprächen durchaus den Eindruck gewonnen, dass auch Gesundheitsminister Clemens Hoch an einer möglichst flächendeckenden Versorgung im Westerwald stark interessiert ist. Von daher ist aus meiner Sicht das letzte Wort in der Causa Krankenhäuser noch nicht gesprochen.“ Ausdrücklich begrüßte Enders die Pläne, die Gynäkologie/Geburtshilfe von Hachenburg nach Kirchen zu verlagern, wo bereits seit Jahrzehnten eine starke Pädiatrie etabliert ist. „Diesen Vorschlag habe ich schon vor Wochen in die Diskussion eingebracht. Der Standort Kirchen wird gestärkt und bleibt damit der große Regelversorger im Landkreis Altenkirchen.“
Synergien nur partiell zu erkennen
„Kooperationen oder Zusammenlegungen, die Synergien für alle Beteiligten mit sich bringen, unterstütze ich ausdrücklich. Solche Synergien kann ich aber bei dem vorgelegten Sanierungsplan nur partiell erkennen. Für die Kreisstadt Altenkirchen - mit vor einigen Jahren erst saniertem Krankenhaus - jedenfalls bedeutet dieser Plan durch den Wegfall jedweder stationären Versorgung den medizinischen K.-o.-Schlag“, wertete Fred Jüngerich als Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld die sich abzeichnenden Änderungen. „Bei mir entsteht immer mehr der Eindruck, dass es aber genau das war, was die Verantwortlichen des DRK mit landespolitischer Unterstützung von Beginn an im Jahre 2019 anstrebten: die Reduzierung des Standorts Altenkirchen auf ein Minimum und die Aufwertung desselben in Hachenburg“, fügte er an. „Wäre es damals um betriebswirtschaftlichen Erfolg, um Synergien und um Verbesserung der medizinischen Versorgung für alle Menschen der Westerwaldregion gegangen, dann hätte man ein Westerwaldkrankenhaus geplant - gerne mit Standort in Hachenburg -, welches diesen Namen auch verdient gehabt hätte“, so Jüngerich weiter. Stattdessen spreche das DRK von einer 260 Betten starken Einhauslösung mit betriebswirtschaftlich äußerst zweifelhafter Erfolgsaussicht auf Müschenbacher Gemarkung, die überdies nie Gegenstand der damaligen Standortuntersuchung gewesen sei.
Hoffen auf Gesundheitsminister Hoch
„Die Aussage eines DRK-Verantwortlichen ,Mit Selters und Dierdorf reden wir nicht‘ klingt noch heute in meinen Ohren. Genau das wäre aber vonnöten gewesen. Nun scheint die Insolvenz den Entscheidungsträgern und deren politischer Eskorte gerade zur rechten Zeit zu kommen, um das Aus für Altenkirchen vorzeitig zu besiegeln“, hob Jüngerich hervor. Die Menschen der Kreisstadt Altenkirchen und der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, vor allem aber die vielen Mitarbeiter, die am Standort Altenkirchen ihren Job verlieren, seien nun die Gebeutelten. „Als VG-Bürgermeister sage ich allen Beschäftigten am Standort Altenkirchen meine Solidarität und Unterstützung im Rahmen meiner Möglichkeiten zu. Bleibt nur zu hoffen, dass Gesundheitsminister Clemens Hoch zu den Sanierungsplänen mit Nachdruck interveniert“, lautete seine Hoffnung.
Krankenhaus-Ära endet in Altenkirchen
Wenn die Überlegungen wirklich Realität werden, geht in der Kreisstadt eine viele Jahrzehnte andauernde Krankenhaus-Ära zu Ende. Die Geschichte einer Klinik reicht bis ins Jahr 1895 zurück. Sie begann, so wird auf der Homepage des DRK-Krankenhauses Altenkirchen beschrieben, mit einer Schenkung von zwei Grundstücken im Jahre 1895. Damit verbunden war die Auflage, ein Hospital einzurichten. Das Städtische Krankenhaus mit 37 Krankenbetten wurde 1902 an der Kölner Straße in Betrieb genommen. Durch den großen Zuspruch der Bevölkerung wurde das Haus bald zu klein, so dass im Jahre 1933 Erweiterungs- und Umbauarbeiten durchgeführt wurden. 1954 wurde die Klinik durch die zusätzliche Anmietung des „Haus Becker" (gegenüberliegende Straßenseite) auf 80 Betten erweitert. Im Jahr 1962 beschloss der Kreistag, das Städtische Krankenhaus durch einen Neubau als Kreiskrankenhaus mit 210 Betten zu errichten. Dieses Haus ging am 21. April 1969 in Trägerschaft des Landkreises Altenkirchen am Leuzbacher Weg in Betrieb und erhielt 1982 den Namen Lukas-Krankenhaus. Im Jahr 2002 verfügte der Kreistag vor dem Hintergrund zunehmend restriktiver werdender Finanzierungsmöglichkeiten im öffentlichen Gesundheitswesen und der Finanzlage der kommunalen Haushalte, die beiden Kreiskrankenhäuser in Altenkirchen und Kirchen im Rahmen eines freihändigen Bieterwettbewerbs vollständig an einen Investor zu veräußern.
DRK ist Träger seit 2004
Am 1. Januar 2004 erfolgte die Übernahme der Trägerschaft durch die DRK-Trägergesellschaft Süd-West. Das Lukas-Krankenhaus Altenkirchen, das DRK-Krankenhaus Hachenburg und das Elisabeth-Krankenhaus Kirchen wurden zum „DRK Klinikum Westerwald" zusammengeführt, einem Krankenhausverbund mit einem gemeinsamen Versorgungsauftrag. Mit Wirkung vom 1. Januar 2010 löste das Gesundheitsministerium in Mainz als zuständige Planungsbehörde diesen Krankenhausverbund zwischen dem Krankenhaus in Kirchen einerseits und dem Verbundkrankenhaus Altenkirchen/Hachenburg andererseits wieder auf. Die Kliniken firmieren seitdem als „DRK-Krankenhaus Altenkirchen-Hachenburg" und „DRK-Krankenhaus Kirchen" als zwei eigenständige Einrichtungen. Neben den klassischen Disziplinen wie Chirurgie und Innere wurde im zweiten Halbjahr 2006 eine Institutsambulanz für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingerichtet, und seit Januar 2007 wird eine psychiatrische Tagesklinik für Kinder und Jugendliche mit 20 Plätzen angeboten. Seit Ende Januar 2006 liegt auch ein Versorgungsauftrag für die stationäre Kinder- und Jugendpsychiatrie vor (Inbetriebnahme 2008) vor. In verschiedenen Bauabschnitten erfolgte von 2007 an die Sanierung des gesamten Bettenhauses. (vh)
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