Pressemitteilung vom 23.10.2023
Naturschutzinitiative fordert: "Auch im Tonbergbau mehr Natur und Landschaft schützen!"
Gerade im Montabaurer Westerwald und im Kannenbäckerland hat sich eine landesweit bemerkenswerte Amphibienpopulation im Zuge des Bergbaus aufgebaut. Das darf aber nicht zu Fehlschlüssen verführen: "Nicht der heute praktizierte industrielle Bergbau ist Ursache der Artenvielfalt, sondern der über Jahrhunderte in dieser Landschaft betriebene Abbau", betonte Dipl.-Biologe Immo Vollmer, Naturschutzreferent der Naturschutzinitiative e.V. (NI).
Montabaur. Es gab ein dicht gestreutes Netz an kleinen Abbaubereichen. Aus solchen Gruben zogen Generationen, teils über 500 Jahre hinweg, ihre Baustoffe heraus, so der Umweltverband. Heute sei das anderes: "Die kleinen Abbauflächen gibt es nicht mehr und ein industrieller Abbau auf Flächen von 20 bis über 50 Hektar beutet in einem Zeitraum von 20 bis 40 Jahren diese Bereiche aus. Es ist schön, dass es aber gelungen ist, hier Wege der Koexistenz von Artenschutz und Bergbau zu schaffen. Dennoch darf man dabei nicht übersehen, dass Erfolge beim Erhalt von Amphibien nicht als Generalargument herhalten können, um weiterhin riesige Landschaften neu dem Bergbau zuzuführen und damit auch die dort bestehenden Lebensräume für die anderen Arten wie Vögel oder seltene Schmetterlinge zu zerstören", so Immo Vollmer.
Entscheidend für die Rettung der Artenvielfalt sei die Fläche an naturnahen Biotopen und die Vielzahl an Arten, die hier eine Heimstatt haben. Amphibien könnten aber nicht einfach gegen Schmetterlinge aufgerechnet werden. Nun stelle der Bergbau auch immer bei Neubeantragungen heraus, dass die Fläche wieder rekultiviert beziehungsweise renaturiert werde und dass es eben nicht so sei wie bei einer Bebauung, wo Biotopflächen für immer verschwinden würden.
Argumente kritisch sehen
"Auch dieses Argument muss kritisch gesehen werden. Leider ist es heute dann doch so, dass die bei der Genehmigung des Rahmenbetriebsplans vorgesehene Landschafts- und Biotopentwicklung nicht stattfindet", so der Biologe. Eine Änderung der Flächennutzungsplanung ermögliche dann doch gewerbliche Bebauung oder sogenannte Energieparks, mit der Begründung, dass die jungen Offenflächen keinen hohen Wert hätten.
Auch zeige sich im Westerwald gerade auf den zur Staunässe neigenden Böden über Tonlagerstätten, dass dort seltene Standortbedingungen vorliegen. Diese ermöglichen zum Beispiel artenreiche Feuchtwiesen magerer Feuchtstandorte, die nach Ausbeutung nicht wieder regenerierbar seien. Die Menge an schutzrelevanten Flächen reduziere sich somit über den Abbau.
"Die NI begrüßt zwar die gemeinsamen Anstrengungen zum Erhalt der Amphibien, muss aber für die Zukunft zur Mäßigung von weiteren Flächeninanspruchnahmen aufrufen. Ein weiterer Abbau muss unter dem Aspekt der Generationengerechtigkeit so maßvoll erfolgen, dass sowohl die vormals auf diesen Böden sich findenden seltenen Lebensräume erhalten werden als auch der Westerwald in 200 Jahren noch ein Gebiet ist, wo Erzeugnisse aus Ton (und anderen Rohstoffen) gewonnen werden", erklärte Harry Neumann, Vorsitzender der NI.
Artenschutz als Pyrrhussieg?
Unter der Prämisse der heutigen Zeit - "größer, schneller, intensiver"- sei das aber nicht zu erwarten. Man verbrauche immer mehr Landschaft, als gäbe es noch weitere drei Erden. "So sind die jetzt präsentierten Artenschutzerfolge nur ein kurzfristiger Pyrrhussieg und kaum ein Beitrag zu einer nachhaltigen Zukunft", betonten Immo Vollmer und Harry Neumann.
Auch wenn in den Abbaubereichen oft mehrere dieser gefährdeten und seltenen Arten wie Laubfrosch, Gelbbauchunke, Kreuzkröte, Wechselkröte, Geburtshelferkröte und Kammmolch vorhanden seien, sei jedoch ein wie dargestellt vollständiges Arteninventar in der Regel doch nicht gegeben. Die Gruben unterschieden sich eher in dem, was an Arten vorhanden sei. "Besonders der vormals als typisch für die Region angesehene Europäische Laubfrosch ist nach unserer Information in den meisten Abbaugebieten verschwunden", so Immo Vollmer.
"Alle genannten Arten sind streng geschützt und mit Gelbbauchunke und Kammmolch auch Ausweisungsgrund des überlagernden FFH-Gebietes Westerwälder Kuppenland. Alle Arten wären nach Roter Liste als "gefährdet" oder "stark gefährdet" anzusehen. Die letzte vom Land herausgegebene Rote Liste stammt aber aus dem Jahr 1987 und ist als nicht mehr verwertbar anzusehen. Rheinland-Pfalz weigert sich aus kaum nachvollziehbaren Gründen dafür einzutreten, dass eine aktuelle Übersicht über die Gefährdungssituation besteht, was über die Roten Listen publiziert wird", so die NI.
"Anderseits beansprucht das Land die Deutungshoheit über die Gefährdungsgrade und erkennt in seinen Internetseiten zum Artenschutz neuere wissenschaftliche Publikationen, wie die inzwischen auch veraltete Einstufung von 1996 aus der Publikation "Die Amphibien und Reptilien Rheinland-Pfalz" (Eigenverlag der Gesellschaft für Naturschutz u. Ornithologie Rheinland-Pfalz), auch nicht an. Als Naturschutzverband müssen wir da unterstellen, dass vom Land aus eine Strategie nach dem Motto verfolgt wird, ‘das, was man nicht kennt, braucht einen auch nicht zu kümmern‘. Dem echten wissenschaftlich basierten Artenschutz kommt zunehmend die Abseitsposition zu", kritisierte Biologe Immo Vollmer. (PM)
Lokales: Montabaur & Umgebung
Jetzt Fan der WW-Kurier.de Lokalausgabe Montabaur auf Facebook werden!