Leserbrief zum Sanierungskonzept der DRK Krankenhäuser: "Altenkirchen wird plattgemacht!"
LESERMEINUNG | Nach der Insolvenz der Trägergesellschaft kommen vor allem auf den Klinikstandort Altenkirchen einschneidende Änderungen zu. Kuriere-Leserin Dr. Isabella Jung-Schwandt aus Birnbach ist in der Klinik unter anderem als Anästhesistin und Notfallmedizinerin tätig und hat die allmähliche Verlagerung vieler Bereiche und Kompetenzen nach Hachenburg schon lange beobachtet.
Die Kuriere hatten über das Sanierungskonzept für die DRK Krankenhäuser nach der Insolvenz bereits mehrfach berichtet. Jüngst stand die Prognose von bis zu 150 Kündigungen im Raum.
LESERBRIEF. "Nun ist die Katze als aus dem Sack: Das Krankenhaus Altenkirchen wird plattgemacht, von Zukunftsfähigkeit kann keine Rede sein. Wenn jetzt nicht ganz schnell etwas passiert, gehen gegen Ende März nächsten Jahres die Lichter aus. Es ist keines Wegs sicher, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie ohne die Anbindung an die Somatik so weiter bestehen bleiben kann. Die Notfallversorgung in einem riesigen Umkreis ist nicht mehr gewährleistet. Es wird kein lokales Traumazentrum mehr geben, auch in Hachenburg ist keines geplant. Die ohnehin sehr angespannte Situation der ärztlichen Versorgung spitzt sich zur Unzumutbarkeit zu. Besser der Westerwald wird von Motorradfahrern gemieden und Arbeitsunfälle ausgeschlossen. Steigen Sie auf keine Leitern und passen Sie auf im Haushalt!
Und das ist alles gar nicht lustig gemeint. Altenkirchen verliert mit diesen Plänen nicht nur einen großen Arbeitgeber, sondern auch eine lebenswichtige Versorgung seiner Bevölkerung. Und während sich Lokalpolitiker immer noch an der Standortfrage aufhalten und das geplante Krankenhaus Müschenbach als Heilsbringer sehen, schafft Politik und Krankenhausträger Fakten nach eiskaltem Kalkül, denn Vorhaltekosten und Notfallmedizin sind teuer und nicht so lukrativ.
Sukzessive Verlagerung nach Hachenburg
Seit knapp 15 Jahren arbeite ich in Altenkirchen als Anästhesisten, Intensivmedizinern,
Notfallmedizinerin, Schmerztherapeuten und Palliativmedizinerin und seit ein paar Jahren auch als ausgebildete Ethikberaterin im Gesundheitswesen im Krankenhaus Altenkirchen. Die Gegend ist zu meiner Heimat geworden, meine Kinder sind hier zuhause.
Von Beginn an meiner Arbeit in Altenkirchen musste ich zusehen, wie sukzessive Teile der Klinik Altenkirchen nach Hachenburg verlagert wurden. Dies verstärkte sich während der Pandemie, wo in Altenkirchen verboten wurde, elektive Operation durchzuführen, während in Hachenburg die Endoprothetik (auch diese war zuvor in Altenkirchen zertifiziert und etabliert) ungehindert weiterlief. Das in der Pandemie knappe Personal wurde nach Hachenburg verliehen.
Nach der Pandemie wurden regelhaft Operationen in Altenkirchen abgesetzt oder verschoben, um ausreichend Personal in Hachenburg zur Verfügung zu haben. So sind alleine in diesem Jahr in Altenkirchen schon mehr als 200 Operationen verschoben worden, zum Teil auch weil die Kapazität von zwei Operationssälen, die personell noch bestückt werden durften, nicht ausreichte. Endoprotetik ist bekanntermaßen in Deutschland ein sehr lukratives Geschäft.
Viele Versprechungen
Nun ereilte uns also die Insolvenz, in Eigenverwaltung, wie man uns mitteilte, da der Konzern sie so rechtzeitig angemeldet habe, dass unsere Gehälter gesichert seien. Man bat Betriebsrat und Mitarbeiter, still zuhalten und versprach alle Standorte zu erhalten, keine Entlassungen zu planen und für die Zukunft die Standorte besser aufzustellen. Man wolle so vermeiden, dass dringend gebrauchtes Fachpersonal sich wegbewerbe.
Natürlich war mir bewusst, dass es der Klinik in vielerlei Hinsicht nicht gut ging. Personelle Fehlentscheidungen, Abrechnungsschwächen und eine für Verbesserungsvorschläge nicht offene Geschäftsführung haben unter anderem zu Kündigungen einiger sehr hoch qualifizierter Mitarbeiter geführt. Der Betriebsrat jedenfalls hat über Jahre hinweg die Geschäftsführung über Missstände informiert und Lösungsvorschlage zu Protokoll gegeben.
Während DRK Geschäftsführung und WMC Health care als Beratungsunternehmen hohe Transparenz versprachen und unabhängige Begutachtung der Gegebenheiten, musste der Betriebsrat aktiv Gespräche mit dem Beratungsunternehmen einfordern und feststellen, dass die erhobenen Daten zur OP-Auslastung unter den personellen Möglichkeiten schlichtweg unzureichend oder falsch sind. Eine Korrektur durch die Mitarbeiter der betroffenen Abteilungen wurde vom Beratungsunternehmen abgelehnt.
Falsche Berechnungen?
Man könnte durchaus auf die Idee kommen, dass nur das errechnet werden konnte, was ohnehin politisch gewollt ist. Stand das Ergebnis etwa schon im Vorfeld fest? Ich möchte hier alle politisch Verantwortlichen ausdrücklich dazu aufrufen, Einsicht in diese Berechnungen zu fordern.
Kein medizinisch versierter Mensch kann nachvollziehen, warum vier voll funktionsfähige OP-Säle zugeschlossen und alles zu zwei OP-Sälen mit durchaus unglücklicher baulicher Aufwachraumsituation nach Hachenburg verlagert werden soll, wohl wissend, dass zurzeit mindestens vier Säle nur voll ausgelastet ausreichen würden. Warum wurden mit teuren Geldern die Patientenzimmer in Altenkirchen saniert? Warum haben sinnvolle Vorschläge zur Notfall- und Grundversorung der Bevölkerung kein Gehör? Ist uns unsere Gesundheit egal?
Ich würde mir wünschen, dass der Kreis nach eigenständigen, tragfähigen und wirklich zukunftsfähigen Alternativen zur Versorgung seiner Bevölkerung sucht. Noch haben wir in
Altenkirchen hochqualifizierte Ärzte und Pflegekräfte. Wir hier Arbeitenden könnten so viel mehr und wünschen uns eine gute Zusammenarbeit mit den umliegenden Hausärzten. Mit guten Ideen und einer menschlichen und qualifizierten Grundversorgung könnten wir Ihnen, liebe Mitbürger, eine gute Versorgung anbieten, die ohne die ständig verordnete angezogene Handbremse auch nicht defizitär sein muss."
Dr. Isabella Jung-Schwandt, Birnbach
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