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Nachricht vom 27.10.2023    

Klinikreform: 700 Menschen zeigen in Altenkirchen Ablehnung gegenüber DRK-Konzept

Das ist ein beeindruckendes Statement pro DRK-Krankenhaus Altenkirchen gewesen: Rund 700 Menschen haben laut Polizeiangaben gegen den Kahlschlag in puncto medizinische Versorgung demonstriert, wie ihn das Konzept der DRK-Trägergesellschaft Süd-West beschreibt. Geplant sind die Verlagerung der Chirurgie, der Inneren Medizin und der Urologie ins DRK-Krankenhaus Hachenburg, mindestens 150 Vollzeitstellen könnten wegfallen.

Trotz widrigen Wetters nahmen rund 700 Menschen an der Demonstration pro DRK-Krankenhaus Altenkirchen teil. (Foto: vh)

Altenkirchen. "Bei diesem Wetter schickt man keinen Hund vor die Tür": Ungeachtet dieses Sprichwortes haben am Freitagvormittag (27. Oktober) rund 700 Menschen, so die Schätzung der Altenkirchener Polizei, per Demonstration und unter stetiger Berieselung von oben gegen die Pläne der DRK-Trägergesellschaft Süd-West aufbegehrt.

Die Überlegungen sehen vor, wichtige Disziplinen (Chirurgie, Innere Medizin und Urologie) dem DRK-Hospital Altenkirchen wegzunehmen, an den Pendant in Hachenburg anzudocken und dem Hospital in der Kreisstadt den Status eines Medizinischen Versorgungszentrums zu "verpassen" - auf Kosten von womöglich mehr als 150 Vollzeitstellen. Betroffen von der Umstrukturierung wäre auch die Notfallmedizin mit dem zertifizierten Traumazentrum inklusive Schockraum, die ebenfalls nach den DRK-Plänen keine Zukunft mehr im Mittelzentrum an der Wied zu haben scheint.

Der Sound von Trillerpfeifen und einer Sirene, unterstützt durch lautstarkes Skandieren wie "Alarmstufe Rot - Altenkirchen in Not" und zahlreiche Transparente, machte deutlich, wo und wie sich der Zug vom Komplex am Leuzbacher Weg über Wied-, Kölner -, Quengel-, Rathaus- und Parkstraße seinen Weg durch die Stadt bis zur Kreisverwaltung bahnte. Tabu war die Fußgängerzone wegen des Simon-Juda-Marktes. "Ich will euch alle hören", forderte Andrei Badiu als Vorsitzender des Betriebsrates, an der Spitze gehend, die Teilnehmer ununterbrochen auf, noch intensiver das Missfallen auszudrücken, ehe er immer prompt in Form noch kräftigerer und schrillerer Begleitmusik die Antwort erhielt. Wie er erklärte, sei den Mitarbeitern die Teilnahme mit der Drohung, eine Abmahnung zu erhalten, eigentlich verboten worden, "aber viele haben eine verkürzte Mittagspause gemacht."

Für Betriebsrätin Dr. Isabella Jung-Schwandt war "die Resonanz für Altenkirchen grandios und das bei diesem Wetter". Die DRK-Trägergesellschaft Süd-West hatte sich zum Handeln gezwungen gesehen, nachdem die ihr untergeordnete DRK Gemeinnützige Krankenhausgesellschaft Rheinland-Pfalz mbH Insolvenz für ihre fünf Kliniken (Altenkirchen, Hachenburg, Kirchen, Alzey Neuwied) angemeldet hatte und dieses Problem in Eigenverantwortung zu lösen gedenkt.

Unterschriftenlisten übergeben
Eine Abordnung des Betriebsrates übergab die inzwischen auf über 8000 Namenszüge angewachsene Unterschriftensammlung einer Petition an Landrat Dr. Peter Enders, der sie an den Träger als auch an das Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit unter Clemens Hoch weiterleiten wird. "Die Bevölkerung ist da, und keiner von uns ist bereit, den Krankenhaus-Kahlschlag am Standort Altenkirchen hinzunehmen", betonte Enders. Es gehe um die stationäre Versorgung der Menschen in der Region, und natürlich auch um Arbeitsplätze, "um Menschen, die für dieses Krankenhaus stehen und dafür eintreten, um Familien, die dahinterstehen und zu Recht Antworten erwarten". Gleichzeitig erklärte er (zum wiederholten Mal): "Weder der Aufsichtsrat der DRK-Trägergesellschaft Süd-West, in dem ich seit Ende 2021 ohne Stimmrecht Mitglied bin, noch die Kreisverwaltung haben an dieser Stelle eine Entscheidungskompetenz." Deswegen sei die Kreisverwaltung mit Blick auf die Petition auch nur in der Funktion des Übermittlers ans Land. "Trotzdem ist der Landrat immer Anlaufpunkt", ergänzte er. So kann sich Enders vorstellen, dass durchaus Chirurgie und Innere Medizin (ohne Kardiologie) am Standort Altenkirchen verbleiben könnten. Nach seiner Aussage liegt er mit dieser Sichtweise nicht weit weg von der von Hoch (derzeit im Urlaub).

"Danke, dass ihr Druck ausübt"
Vor die Demonstranten getreten, "heimste" Enders deutlich mehr Pfiffe und Buhrufe ein, als ihm möglicherweise lieb war beim Versuch zu erklären, warum der Kreis zunächst einmal komplett außen vor ist, wenn es um die Zukunft seiner ehemaligen Krankenhäuser (neben Altenkirchen auch Kirchen/abgestoßen im Jahr 2004) geht. "Es ist immer leicht zu brüllen, wenn man nicht weiß, wie es geht", beschied er diejenigen, die offenbar auf Konfrontation aus waren, fing sich indes schnell wieder: "Wir werden alles tun, um die Situation zu verbessern." Fred Jüngerich, dritter Kreisbeigeordneter und Bürgermeister der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, beruhigte die Gemüter, die schon aufgrund der Dauer des Austausches zwischen Enders und der Fünfergruppe der Arbeitnehmervertreter ein wenig unruhig geworden waren, mit zwei einfachen Sätzen, die viel Beifall generierten: "Die kommunale Familie steht geschlossen hinter der Belegschaft. Sie sind betrogen und belogen worden." Zudem fügte er an, dass er hinter der sukzessiven Verlagerung von "Krankenhaus-Gewerken" nach Hachenburg in den zurückliegenden Jahren eine "gewisse Strategie" vermute. Badiu lobte die Demonstranten: "Danke, dass ihr soviel Druck ausübt." Die Antwort des großen Chores ließ nicht lange auf sich warten: "Wir kommen wieder."

Nur ein Ortsbürgermeister fehlte
Während die Kreisverwaltung die Unterschriftenliste gen Mainz in doppelter Ausfertigung auf den Weg bringt (auch die DRK-Trägergesellschaft hat ihren Sitz in der Landeshuptstadt), Enders bereits in kontinuierlichem Kontakt mit Hoch steht, verfasste Jüngerich im Namen von 66 Ortsbürgermeistern (alle per Unterschriften dokumentiert) seines "Regierungsbezirks" (nur der Ortsbürgermeister von Heupelzen unterzeichnete nicht) ein Schreiben an Hoch mit diesem Wortlaut: "Das Krankenhaus in Altenkirchen spielt eine unverzichtbare Rolle in der Gesundheitsversorgung unserer Region. Über das von der DRK-Trägergesellschaft Süd-West vorgelegte Sanierungskonzept für den Krankenhaus-Standort in Altenkirchen bringen wir daher unsere tiefe Besorgnis zum Ausdruck.

Die geplante Umwandlung in ein erweitertes medizinisches Versorgungszentrum inklusive eines ambulanten OP-Zentrums und einer ambulanten Notfall-Anlaufstelle zum aktuellen Zeitpunkt wirft ernsthafte Fragen auf, die unserer Meinung nach einer gründlichen Überprüfung bedürfen. Das gemäß Paragraf 1 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) vom Landesgesetzgeber festgeschriebene Ziel der Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen patienten- und bedarfsgerechten sowie wohnortnahen (stationären) Versorgung der Bevölkerung mit leistungsfähigen sowie qualitativ hochwertig und eigenverantwortlich wirtschaftenden Krankenhäusern gerät für die Bürgerinnen und Bürger unserer Verbandsgemeinde in weite Ferne. Die angedachte Schließung des Krankenhauses Altenkirchen würde nicht nur die Gesundheitsversorgung in unserer Region erheblich beeinträchtigen, sondern hätte zudem schwerwiegende Auswirkungen auf die Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld als attraktiver Wirtschafts- und Arbeitsstandort."

Mittelzentrum wird außerordentlich geschwächt
Weiter erklärte Jüngerich: "Der Verlust zahlreicher Arbeitsplätze am Standort Altenkirchen würde die Verbandsgemeinde und die Kreisstadt Altenkirchen als Mittelzentrum in außerordentlichem Maße schwächen. Von der politisch immer wieder geforderten Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Stadt und Land wäre sodann aus medizinischer Sicht bei weitem keine Rede mehr. Unsere erste und dringlichste Sorge betrifft die Verfügbarkeit qualifizierter Ärzte, die bereit sind, in dem geplanten ambulanten Notfallzentrum zu arbeiten. Eine Notfallversorgung erfordert hochqualifiziertes medizinisches Personal und es ist unklar, ob genügend Ärzte gefunden werden können, um diese wichtige Aufgabe zu bewältigen, ohne dass bedeutende und fachlich anspruchsvolle Fachdisziplinen mit ihren Stationen vor Ort verbleiben. Mit seinen vier Operationssälen und dem Status als zertifiziertes Trauma-Zentrum gewährleistet das DRK-Krankenhaus Altenkirchen aktuell die notwendige Versorgung im Falle von schweren Verletzungen und medizinischen Notfällen.



Die Stationen der Chirurgie und Inneren Medizin sowie die Belegstation der Urologie sind von großer Bedeutung für unsere Region und sollten keineswegs leichtfertig aufgegeben werden. Die Schließung des stationären Krankenhausbetriebs würde nicht nur die medizinische Versorgung unserer Bürger gefährden, sondern auch zu einer erheblichen Erhöhung der Transportzeiten in benachbarte Krankenhäuser führen. Dies kann - insbesondere in Notfallsituationen - lebensbedrohlich sein, da der Rettungsdienst die vor Ort verbleibende Infrastruktur nicht anfahren darf."

Schwerwiegende Auswirkungen auf Rettungsdienst
"Eine Schließung des Krankenhauses hätte", so formulierte Jüngerich weiter, "generell schwerwiegende Auswirkungen auf den Rettungsdienst zur Folge, dessen Überlastung wir zudem fürchten. Neben den bereits erwähnten längeren Anfahrtswegen für den Patiententransport in geeignete Krankenhäuser sehen wir insbesondere auch die bislang vorhandene durchgehende medizinische Versorgung durch den Rettungsdienst vor Ort als gefährdet an. Denn bislang war stets ein Notarzt im Krankenhaus Altenkirchen stationiert, der dann im Einsatzfall dort abgeholt wurde und sich zusammen mit dem Rettungswagen zum Einsatzort begab. Wir befürchten, dass nach der geplanten Umstrukturierung am Standort Altenkirchen möglicherweise keine Ärzte mehr vor Ort wären, um den Rettungsdienst notärztlich zu besetzen. Somit stünde also in unseren Augen auch der Rettungsdienst- und Notarztstandort in Altenkirchen vor dem Aus. Im Notfall müssten Notärzte von weiter entfernten Standorten oder gar per Hubschrauber herbeigerufen werden, was zu erheblichen Verzögerungen führen könnte. Des Weiteren haben wir Bedenken hinsichtlich der Aufnahmekapazitäten der umliegenden Krankenhäuser. Diese können mit Gewissheit nicht alle Patienten aufnehmen. Auch dadurch entstehen für Patienten und deren Angehörige abermals längere Wegstrecken in entferntere Krankenhäuser. Besorgniserregend ist zudem die Tatsache, dass die Kinder- und Jugendpsychiatrie im Krankenhaus Altenkirchen bei Notfällen künftig nicht mehr auf Ärzte zurückgreifen kann. Dieser Umstand ist für die jungen Patienten nicht hinnehmbar. Die Schließung des Krankenhauses am Standort Altenkirchen wird über 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihren Arbeitsplatz vor Ort kosten. Selbst im Falle einer künftigen Beschäftigung an einem anderen Krankenhausstandort gehen für diesen Personenkreis mit der Schließung deutlich längere Arbeitswege einher, welche objektiv betrachtet aus ökonomischer und ökologischer Sicht bedenklich erscheinen. Vor dem Hintergrund unserer tiefgreifenden Besorgnisse appellieren wir an Sie, sehr geehrter Herr Staatsminister Hoch, das von der DRK Trägergesellschaft Süd-West vorgelegte Sanierungskonzept im Rahmen ihrer Zuständigkeit einer intensiven Prüfung zu unterziehen und sich für den Erhalt des stationären Krankenhausstandortes Altenkirchen einzusetzen. Einer Rückantwort Ihrerseits sowie einer zielführenden Erörterung der brisanten Thematik sehen wir hoffnungsvoll entgegen."

Freie Wähler wittern ebenfalls Kahlschlag
"Klinikzusammenlegungen oder Neubauten an einem zentralen Standort ergeben einen Sinn, wenn sich Versorgungssituation und medizinische Qualität für die Patienten tatsächlich verbessern. Beim Sanierungskonzept für die Westerwaldkliniken in Hachenburg und Altenkirchen scheint dies jedoch nicht der Fall", sagte Helge Schwab zur Situation des DRK-Verbundkrankenhauses. Ihm imponierte die Zahl der Demonstranten, die am Freitag für den Erhalt des Standorts Altenkirchen Flagge gezeigt habe. Der gesundheitspolitische Sprecher der Freie-Wähler-Landtagsfraktion witterte ebenfalls einen Kahlschlag. "Es kann nicht sein, dass aus Profitgier Standorte geschlossen und dann zusammengelegt werden, wenn am Ende die medizinische Versorgung und Qualität für die Patienten leidet. Für den Fall, dass es doch so weit kommt, muss gewährleistet sein, dass ausreichende und schnelle Rettungsmittel zur Verfügung stehen, um den Patienten schnellstmöglich die optimale medizinische Versorgung zu gewährleisten." Die öffentlich erneuerte Einschätzung Jüngerichs, dass perspektivisch das Aus für den Standort Altenkirchen womöglich bewusst herbeigeführt werden soll, ist für Schwab nachvollziehbar. Denn der Trend, Kapazitäten aus Altenkirchen zu Gunsten Hachenburgs abzuziehen, sei auch schon in Mainz seit längerer Zeit erkennbar.

Vorgehen von WMC nicht zu akzeptieren
"Die Reihenfolge der Beteiligung und Kommunikation durch die Unternehmensberatung WMC hat mich regelrecht schockiert", erklärte Bernd Becker, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Kreistag. Und fügte hinzu, was er damit meint: "Bei derart weitreichenden Veränderungen mit massiven Folgen für die Beschäftigten, die Betriebsräte in der Entstehung des Konzepts nicht einzubinden und stattdessen die Belegschaft mit fertigen Plänen zu konfrontieren, ist nicht zu akzeptieren." Die Landtagsabgeordnete Sabine Bätzing-Lichtenthäler kritisierte neben dem Verfahren auch die mangelnde Kommunikation: "Es gibt derzeit die unterschiedlichsten Auslegungen, was denn nach dem WMC-Konzept in Altenkirchen noch an Versorgung angeboten wird. Stattdessen werden bei Mitarbeitenden und Bürgern Ängste und Sorgen geschürt, und auf offene Fragen hat weder das DRK als Träger, noch WMC als Beratungsfirma Antworten." Es sei jetzt dringend geboten, diese Aufklärung zu betreiben. Behauptungen, nach denen das Gesundheitsministerium oder die SPD in diese Entscheidungen eingebunden seien, weisen die SPD-Politiker ausdrücklich zurück. Bätzing-Lichtenthäler machte klar: "Das Gegenteil ist der Fall. Selbst das Ministerium beklagt die mangelhafte Kommunikation des Trägers."

Alle Betroffenen einbinden
Auch der Bundestagsabgeordnete Martin Diedenhofen mahnte die Einbindung aller Beteiligten und Betroffenen an und nahm bereits Kontakt zum Betriebsrat auf. "Es ist sehr irritierend, wenn die Arbeitnehmervertretung nicht eingebunden wird. Das muss sich ändern, die Beschäftigten haben die größte Expertise für ihre Situation", äußerte sich Diedenhofen. Fraktionsvize Benjamin Geldsetzer war entsetzt über den Umgang mit den Beschäftigten: "Die Vorstellung eines Organisationsvorschlags direkt mit der Kündigung langjähriger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter noch vor Weihnachten zu verbinden, ist unterste Schublade". Heijo Höfer, ebenfalls stellvertretender Fraktionssprecher, schloss sich an: "Wer im Verfahren solche Fehler, macht, erweist der inhaltlichen Diskussion um die Suche nach der besten Lösung einen Bärendienst."

Information und Transparenz
"Wir erwarten vom DRK Information und Transparenz", summierten die SPD Politiker und forderten eine offene Informationsveranstaltung ein, auf der das DRK und WMC sich den Fragen der Menschen stellen müssen. "Wir stehen an der Seite der Beschäftigten, und unser Ziel ist es, dass die medizinische Versorgung im Kreis Altenkirchen gesichert bleibt und auch am Standort Altenkirchen". Die SPD-Kreistagsfraktion bleibt auch nicht untätig. "Für kommenden Montag haben wir Vertreter des Örtlichen- und des Gesamtbetriebsrates in die Fraktionssitzung eingeladen. Es muss die Chance geben, dass Hinweise von der Basis noch in die Entscheidungsfindung des Trägers einfließen." (vh)



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