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Nachricht vom 27.10.2011    

Kreis will drohendem Ärztemangel entgegensteuern

Der drohende Ärztemangel in den nächsten zehn Jahren im Westerwald bereitet dem Kreistag zunehmend Sorge. Zehn Experten aus Ärzteschaft, Krankenhäusern und Krankenkasse waren der Einladung von Landrat Achim Schwickert auf Antrag der CDU-Kreistagsfraktion zu einer Anhörung gefolgt und standen den Kreistagsmitgliedern Rede und Antwort. In Kurzvorträgen schilderten die Fachleute aus ihrer Sicht den momentanen Zustand der medizinischen Versorgung, gaben eine Prognose auf die zukünftige Entwicklung und rieten eindringlich dazu, mit politischen Maßnahmen gegenzusteuern. Die dominierende Frage: Was kann der Westerwaldkreis tun, um mehr junge Ärzte an den Westerwald zu binden?

Westerwaldkreis. Auch wenn sich die ärztliche Versorgung im Westerwaldkreis derzeit noch nicht ganz so besorgniserregend darstellt, wie in anderen ländlichen Gebieten der Bundesrepublik, bleibt doch der Nachwuchs aus. Man müsse der Realität ins Auge sehen, warnte Dr. Klaus Krämer, Obmann der Kreisärzteschaft Westerwald bei einer Expertenanhörung vor dem Kreistag, in den nächsten zehn Jahren würden etwa 150 der insgesamt 435 aktiven Ärzte aus Altersgründen ausscheiden.
Um konkrete politische Ansätze entwickeln zu können, um den Standort Westerwald für junge Ärzte zu steigern lud Landrat Achim Schwickert auf Antrag der CDU-Kreistagsfraktion zehn Experten in den Kreistag ein. Aus finanzieller Sicht sei es für die jungen Mediziner oftmals attraktiver, in einer Stadt zu arbeiten, erklärten mehrere Fachleute übereinstimmend. Fast alle Experten sehen neben dem finanziellen Aspekt aber auch in Standortfaktoren wie Kulturangebot und Vereinbarkeit von Beruf und Familie eine tragende Rolle, um die Entscheidung von Ärzten für eine Stadt- oder eine Landpraxis zu beeinflussen.
Rein zahlenmäßig stellt sich laut Krämer die Lage derzeit noch besser dar, als sie von vielen Menschen wahrgenommen wird. Derzeit hätten lediglich Augen-, Kinder- und Hausärzte überhaupt eine Chance, als niedergelassener Mediziner im Kreis neu zugelassen zu werden. Krämer regte an, auf Kreisebene einen Koordinator, der die Neubesetzung von Stellen organisiert und begleitet, einzustellen.
Dr. Alexander Gindi vom Deutschen Hausärzteverband erklärte in diesem Zusammenhang, dass es in Deutschland mit 8.500 Medizinstudenten pro Jahrgang eigentlich genügend Medizinernachwuchs gäbe. Immer mehr studierte Mediziner würden aber in andere Bereiche abgeworben, gingen zum Beispiel in die Pharmaindustrie oder ins Ausland. Weit mehr als die Hälfte der Medizinstudenten seien mittlerweile Frauen, ergänzte Gindi, der darauf hinwies, dass Frauen für ihren künftigen Einsatzort eine optimale Kinderbetreuung vor Ort und schulische Erziehung wichtig sei. Auch ein ansprechendes Kulturangebot sei Aufgabe der Kommunen.
Jürgen Ecker, Personalleiter der DRK-Krankenhaus GmbH Mainz, berichtete, dass derzeit am Krankenhaus in Hachenburg noch alle Stellen mit deutschen Ärzten besetzt seien, was sich aber aller Voraussicht nach in den nächsten Jahren ändern würde. Auf der Ebene der Assistenzärzte greife man schon jetzt vermehrt auf ausländische Ärzte zurück, weil es an deutschen Bewerbern fehle. Ecker empfiehlt die Weiterqualifizierung von Krankenschwestern/-pflegern, damit diese die Ärzte bei den Hausbesuchen entlasten.
Im Hinblick auf die Nachfolgeproblematik in Arztpraxen meinte Alfred Ruppel, Kaufmännischer Direktor des Katholischen Klinikums Koblenz-Montabaur, dass es für junge Ärzte immer schwieriger werde, ein Bankdarlehn für die Praxisgründung zu bekommen, weil das wirtschaftliche Risiko immer unwägbarer werde. Der Zusammenschluss von Ärzten in Netzwerken und die Gründung von Medizinischen Versorgungszentren sei ein denkbares Zukunftskonzept.
Dr. Martin Fuchs, Vorsitzender der Bezirksärztekammer, verwies auf die Ergebnisse einer Umfrage unter Assistenzärzten an Westerwälder Krankenhäusern, die ergaben, dass sich viele Ärzte aufgrund von wirtschaftlicher Unsicherheit nicht im ländlichen Raum niederlassen wollen. Zudem habe man als Einzelkämpfer mit einer Praxis nicht so gute Chancen wie in einer Gemeinschafts- oder Schwerpunktpraxis.
Besonders dramatisch sei die Unterversorgung im Bereich der Psychotherapie, erklärte Dr. Annelie Scharfenstein, Mitglied der Vertreterversammlung der Landespsychotherapeutenkammer. Wartezeiten von im Schnitt 19 Wochen seien die Regel, um einen Termin für ein erstes diagnostisches Gespräch zu bekommen, obwohl der Westerwald rein rechnerisch als ausreichend versorgt gelte,
Edgar Holzapfel, Bezirksgeschäftsführer der AOK Regionaldirektion Montabaur, verwies auf das verabschiedete Versorgungsstrukturgesetz, das mit Zuschlägen Anreize für die Niederlassung im ländlichen Raum schaffe. Nach Auffassung der AOK müsse es aber auch Abschläge für Niederlassungen in der Stadt geben. Holzapfel regte an, Stipendien an heimische Medizinstudenten zu vergeben, die sich verpflichten, für eine bestimmte Zeit in der Region zu bleiben.
Die Empfehlungen der Experten werden nun an den Fachausschuss für Soziales, Gleichstellung und Gesundheit zur weiteren Beratung geleitet. Dort sollen die seitens des Kreises beeinflussbaren Punkte ergebnisorientiert herausgefiltert werden, mit denen sich die entscheidenden Kreisgremien erneut befassen werden



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