Natur- und Tierschützer fordern Ende der Jagd auf Rabenvögel
Gemeinsame Erklärung mehrerer Organisationen – Aufruf an die Jägerschaft im Westerwald
Mehrere Tier- und Umweltschutzorganisationen wenden sich in einer gemeinsamen Erklärung gegen die Jagd auf Elstern und Krähen im Westerwald. Es handele sich um „mittelalterlich anmutende“ Vorbehalte, dass Rabenvögel Krankheiten übertragen würden, dem Wald und dem Feld Schaden zufügen würden, andere Tierarten gefährdeten, die Landwirtschaft beeinträchtigten oder das Niederwild dezimierten. In Rennerod, Bad Marienberg und Westerburg sei dies jetzt so vorgekommen.
Unterzeichner des Protestbriefs sind die Kreisgruppen Westerwald und Altenkirchen des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland BUND, das NABU-Naturschutzzentrum Westerwald, die Nabu-Ortsvereine Montabaur, Kroppacher Schweiz und Hachenburg, der Ökologische Jagdverband Rheinland-Pfalz sowie die Staatlichen Vogelschutzwarten für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland.
In dem Brief heißt es: „Diese Schuldzuweisungen an Krähen und Elstern sind ausgemachter Unsinn und zeigen die völlig fehlende naturschutzfachliche Sachkenntnis der an derartigen Aktionen beteiligten Jäger. Hier geht es offensichtlich nur um martialische Auftritte nach dem Motto: Feuer frei und Waidmannsheil, die das Ansehen der Jägerschaft in der Bevölkerung in Verruf bringen. Initiatoren der öffentlichen Beschwerde sind Harry Neumann vom BUND Westerwald und Ernst-Gerhard Borowski vom BUND Altenkirchen.
Zahlreiche mehrjährige wissenschaftliche Studien sowie eine Stellungnahme des Umweltbundesamtes seien zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen, dass es für eine flächendeckende Bejagung von Rabenvögeln keine fachliche Begründung gebe.
Laut den Angaben der Beschwerdeführer gelten folgende Fakten:
Rabenkrähen und Elstern ernähren sich zu 83 bis 91 Prozent von oberirdisch lebenden Gliedfüßlern (davon 85 bis 78 Prozent Insekten) und zu 78 bis 85 Prozent von Käfern. Vogeleier und Jungvögel finden sich in den Statistiken zum Nahrungsspektrum mit lediglich 0,2 bis 0,1 Prozent wieder, Wirbeltiere wie Wühlmäuse zu 0,5 Prozent.
Eine Beeinträchtigung von Niederwild wie Hasen, Kaninchen, Fasane oder Rebhühner konnte nirgends festgestellt und nachgewiesen werden. Auch wurde nach den Abschüssen keine Zunahme anderer Singvögel, also keine Erhöhung der Artenvielfalt, festgestellt.
„Aus den genannten Gründen lehnt auch der Ökologische Jagdverband in RLP eine generelle Freigabe zum Töten von Rabenkrähen und Elstern ab. Rabenvögel gehören zu den lernfähigsten und intelligentesten Vogelarten. Mit jagdlichen Mitteln lassen sich Probleme nicht bewältigen, da sich die Rabenvögel der Bejagung entziehen und auf andere Gebiete ausweichen. Eine Bejagung ist sogar kontraproduktiv, wenn Elterntiere geschossen werden, die in Einehe leben und ihre Reviere gegen Artgenossen verteidigen“, erklärt Thomas Boschen vom Ökologischen Jagdverband Rheinland-Pfalz.
Nur eine Abkehr von der intensiven und industrialisierten Landwirtschaft und ein Verzicht auf Herbizide führe zu einer höheren Artenvielfalt in der Natur- und Kulturlandschaft. Broschen: „Die Jagd als traditionelle Form der Landnutzung halten wir für notwendig und gerechtfertigt. Diese muss sich hierbei an den Grundsätzen einer naturverträglichen Wildhege und der nachhaltigen Nutzung orientieren darf nicht den ethischen und rechtlichen Grundsätzen des Natur- und Tierschutzes widersprechen.
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Auch Dipl. Ing. agr. Martin Hormann, stellvertretender Leiter der Staatlichen Vogelschutzwarte für Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland, teilt die Auffassung von BUND, NABU und ÖJV. Er verweist auf die Vogelschutzrichtlinie (79/409/EWG), wonach die beiden Arten ganzjährig geschützt seien. Nach Paragraf 44 Abs.(1) 2 BNatSchG sei es verboten, wild lebende Tiere der streng geschützten Arten und der europäischen Vogelarten während der Fortpflanzungs-, Aufzucht-, Mauser-, Überwinterungsund Wanderungszeiten erheblich zu stören.
„Wir als Vogelschutzwarte lehnen eine Bejagung der Arten grundsätzlich ab und plädieren für eine ganzjährige Schonzeit“, erklärt Martin Hormann gegenüber dem BUND Westerwald. Seitdem die vormalige Landesregierung 1998 entgegen der selbst in Auftrag gegebenen Gutachten die „Jagdzeit“ durch Ausnahmegenehmigungen eröffnete, sind über 200.000 Rabenvögel getötet worden, alleine im Jagdjahr 2010/11 21.000 Raben und 11.000 Elstern.
Die wichtige Rolle der Rabenvögel im gesamten Naturhaushalt als Aasvertilger, Nestbauer, Waldbegründer, teilweise auch als Prädator werde völlig ignoriert. Hinzu komme die Gefahr, dass geschützte Tierarten wie die Saatkrähe und der Kolkrabe Fehlabschüssen zum Opfer fallen.
Die Natur- und Tierschützer kommen zu dem Ergebnis: „Einen vernünftigen Grund für das Töten eines Tieres, der für eine Ausnahmeregelung nach dem Bundesnaturschutz –und Tierschutzgesetz vorhanden sein muss, können wir, ebenso wie die wissenschaftlichen Erhebungen (z.B. Mäck & Jürgens 1999), nicht erkennen. „Wir lehnen daher eine Bejagung von Rabenvögeln aus ökologischen, naturschutzfachlichen und ethischen Gründen entschieden ab“, erklärt der Leiter des NABU Naturschutzzentrum Westerwald, Roger Best.
BUND, NABU und der Ökologische Jagdverband fordern den Hegeringleiter Klaus Skowronek sowie die Jägerschaft im Westerwald auf, sich nicht weiter an derart unsinnigen und fachlich unhaltbaren Tötungsaktionen zu beteiligen und den Natur- und Artenschutz nicht als Vorwand hierfür zu benutzen: „Wir werden die Jägerschaft im Westerwald, die sich entgegen aller wissenschaftlichen und naturschutzfachlichen Erkenntnisse auch weiterhin daran beteiligt, den Abschuss von Rabenkrähen in großem Stil zu organisieren und dies auch noch als sinnvolle Hegemaßnahme darstellt, durch öffentlichkeitswirksame Aktionen begleiten“, erklärt Harry Neumann vom BUND Westerwald. Und weiter: „Das Umweltministerium fordern wir auf, die entsprechende Landesverordnung zum Landesjagdrecht unverzüglich aufzuheben, damit diesem unhaltbaren Treiben ein schnelles Ende gemacht wird.“