"Seltersch stieht uff" – beeindruckende Demo gegen Hass und Hetze in Selters
Von Wolfgang Rabsch
Den Organisatoren der Demo gegen rechts "Seltersch stieht uff", Anke Rosa, Ele Wolters, Volker Hummerich und Karl Wilbois, müssen die Ohren geklungen haben, weil sie von allen Rednern für ihr Engagement im Kampf gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit allenthalben gelobt wurden - vollkommen zu Recht.
Selters. Volker Hummerich, der etwa 500 Besucher der Demo begrüßen konnte, war nach der Demonstration im Gespräch mit dem WW-Kurier noch immer fast sprachlos, was sich am heutigen Sonntag (25. Februar) auf dem Marktplatz in Selters abgespielt hatte: "Nie im Leben hätten wir es für möglich gehalten, aber gehofft, dass so viele Menschen sich für das brandaktuelle Thema interessieren würden. Wir möchten uns für ein Leben in Vielfalt engagieren". Ein Blick über die Köpfe der Besucher hinweg würde diesen Wunsch bestätigen, denn es wären laut Hummerich Menschen vieler Nationalitäten, Hautfarben und Religionen der Einladung gefolgt.
Privatinitiative organisierte die Demo
Hummerich erklärte weiter, dass die Initiatoren bei der Planung Wert darauf gelegt hätten, keine politischen Redner aus der Landes- oder Bundespolitik einzuladen, weil es ein Fest der Vielfalt und der Toleranz ohne parteipolitische Einflüsse werden sollte. Ohne Reden, die angepasst zum Thema gesprochen würden, in der politischen Umsetzung dann jedoch anders ausfielen.
Nach der Begrüßung durch Hummerich begann ein buntes Programm, das unter Beweis stellte, dass man auch ein ernstes Thema nicht unbedingt tierisch ernst und auf Ideologien beschränkt, veranstalten kann. Hummerich schilderte, wie er und seine Mitstreiter auf die Idee kamen, die Demo zu organisieren. Nach den fürchterlichen Anschlägen vor 30 Jahren in Solingen und Rostock, hatte Wolfgang Niedecken von der kölschen Kultband BAP die komplette Kölner Musikszene zusammengetrommelt und eine Demo in Köln unter dem Motto "Arsch huh - Zäng ussenanner" organisiert. Die Bläck Fööss, Höhner, Willy Millowitsch, Brings, BAP, Zeltinger und 100.000 Besucher feierten auf dem Chlodwigplatz in Köln eine gigantische Demo gegen Hass und rechte Gewalt, die bis heute unvergessen sei. Wörtlich sagte Hummerich: "Es wird wirklich Zeit, dass man selbst was tut, dass man den Mund auf bekommt. Wenn wir den Arsch nicht hochkriegen, ist es eines Tages zu spät".
Buntes Programm mit Reden und Musik
Das Programm hielt, was es versprach, es war von irgendwelchen Ideologien befreit, sondern stellte allein den Kampf gegen Rassismus und rechte Hetze in den Vordergrund. Fundiert, klar in der Ansage, jedoch ohne in polemische Hetze zu verfallen. Redebeiträge, die nicht in ellenlanger Schwurbelei ausarteten, sich aber deutlich mit den brennenden Themen auseinandersetzten, wechselten sich mit musikalischen Leckerbissen ab.
Nach Werner Schleifenbaum, ehemaliger Gemeinde- und Jugendpfarrer im Dekanat Selter, wurde Leo Schenk für seine Songs auf Deutsch und Russisch mit viel Beifall bedacht, ehe Svenja Müller und Dieter Wittemann für beide Konfessionen ihre Gedanken zu Hass, Hetze und Gewalt kundtaten. Dieter Wittemann bezog sich dabei unter anderem auf das Buch von Bernd Höcke, das in vielen Passagen fast im Verhältnis 1:1 Hitlers "Mein Kampf" ähneln würde: "Toleranz ja, aber keine Feinde der Toleranz. Wir wollen euch nicht". Svenja Müller mahnte an, dass die Bevölkerung nicht nur heute, sondern an jedem Tag für den Erhalt der Demokratie aufstehen sollte.
Der musikalische Beitrag anschließend von Paul Schwa Bauer an der Gitarre und Karl Wilbois, der trommelte, groovte mit dem Song "One Light" Richtung Rock und Pop, was die positive Stimmung auf dem Marktplatz nochmals pushte.
Beide Bürgermeister bekamen "die Zäng ussenanner"
Beiden Bürgermeistern, Oliver Götsch (VG Selters) und Rolf Jung (Stadt Selters) blieb es vorbehalten, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Oliver Götsch zeigte sich beim Blick über die Menschenmenge total geflasht: "Es ist ein beeindruckendes Bild, wenn man die vielen Menschen betrachtet, die sich hier zur Demo versammelt haben. Großes Dankeschön an die vier Veranstalter, dir etwas Bewegendes auf die Beine gestellt haben. In der VG Selters leben etwa 17.000 Menschen aus 70 unterschiedlichen Ländern, davon sind 1.700 Menschen mit Migrationshintergrund. In unserer VG haben wir keinen Platz für rechtsextremistische und populistische Rattenfänger". Der Rest der Rede ging im Beifall unter.
Rolf Jung beschwor die Gemeinschaft der Wähler, als er meinte, Auswertungen von Wahlergebnissen hätten ergeben, dass 80 Prozent der AfD-Wähler Protestwähler seien. Er sieht darin ein Ignorieren verschiedener Parteien, die eher ihren Ideologien folgen würden, als des Volkes Stimme ernst zu nehmen. Man müsste auch den Mut haben, einmal getroffene Entscheidungen nachträglich zu korrigieren, wenn diese sich als nicht tragbar erwiesen hätten. "Wer als Faschist in ein Parlament gewählt wurde, der ist und bleibt immer noch ein Faschist", war ein Kernsatz seiner Rede.
"Wenn es braun wird, wird es laut"
Das Schlusswort hatte nochmals Volker Hummerich: "In Selters ist eine bunte Welt, es kann rot sein, schwarz, gelb oder grün, aber wenn es braun wird, dann wird es laut". Sämtliche Reden wurden mit viel Beifall bedacht, auch angesichts der Tatsache, dass das Thema Hass und Hetze sachlich, aber trotzdem leidenschaftlich abgearbeitet wurde.
Die deutsch-russische Punkband "Lorda Red" beendete die Demo mit einem Minikonzert, das den lockeren Touch der privaten Veranstaltung lautstark unterstrich. (Wolfgang Rabsch)
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