AIDS: Gesellschaft muss umdenken
Am Welt-Aidstag feierte die Pro Familia Beratungsstelle in Hachenburg ihr zehnjähriges Bestehen. Mit einem Mix aus Filmbeiträgen und Fachvorträgen klärte die Veranstaltung über die aktuelle Situation von AIDS in der Gesellschaft auf.
Hachenburg. Am Weltaidstag feierte die Pro Familia in Hachenburg ihr zehnjähriges Bestehen. Die Zusammenlegung dieses ersten Jubiläums und den Kampf gegen Aids sahen die Veranstalter als willkommene Möglichkeit an, Fachvorträge, Ausstellungen, Forumsdiskussionen und Filmbeiträge im Hachenburger Kino Cinexx miteinander zu verbinden.
106 Schüler der Realschule plus Hachenburg sahen den Film „Same same but different“ (Ganz gleich und doch anders), in dem sich ein junger deutscher Zeitungsredakteur in Kambodscha in eine HIV-Infizierte Bardame verliebt. Nach dem Film standen die Schüler der Wirklichkeit gegenüber: Der seit 1994 mit HIV Infizierte Rolf Jantsen, Autor des Buches „Zahltag“, stand den zum Teil frontalen Fragen der Jugendlichen im Kinosaal ganz offen Rede und Antwort.
Professor Ursula Rieke von der Landeszentrale für Gesundheitsförderung Rheinland-Pfalz räumte in ihrem Fachvortrag aus wissenschaftlicher Sicht mit den Mythen und Gerüchten zum Thema Aids auf. Weltweit seien derzeit 34 Millionen Menschen infiziert, davon 2,5 Millionen Kinder. In Deutschland seien 73.000 HIV-Infektionen registriert, 61.000 Männer seien betroffen. 27 Millionen Menschen seien an Aids bereits verstorben, in Deutschland allein in diesem Jahr 500. Auch wenn es keinen Impfstoff und keine Heilung gäbe, seien moderne Kombinationstherapien sehr viel wirkungsvoller als vor 25 Jahren. Behandelte HIV-Infizierte seien kaum noch infektiös. Das Problem sei aber noch immer die Angst vor Diskriminierung, weshalb viele Betroffene nicht zu ihrer Krankheit stünden, unbehandelt blieben und den Virus verbreiten. Die Gesellschaft müsse endlich umdenken. In aktuellen Fällen wenden sich die Bewohner ganzer Dörfer im Westerwald von Infizierten Personen ab. Eine solch vorurteilsbehaftete Isolation sei der Nährboden für die Verbreitung von Aids.
Landrat Achim Schwickert hob die objektive Partner- und die Sexualberatung der Pro Familia lobend hervor, die in Hachenburg viel Gutes bewirkt habe. Die Aufklärung zum Thema Aids sei wichtig sowohl um Neuinfektionen zu verhindern, aber auch, um Betroffenen die Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen. „Nichts ist schlimmer, als Nichtwissen und dann zu mauscheln“, äußerte sich Schwickert konkret, die Themen würden der Pro Familia schon deshalb auch in Zukunft nicht ausgehen.
Hachenburgs Bürgermeister Peter Klöckner erinnerte an die Hürden, die zu überwinden waren, als die Pro Familia 1996 an ihn herantrat, mit der Bitte, die Etablierung einer Beratungsstelle in Hachenburg zu unterstützen. Die Fraktionen der CDU, FDP und FWG hätten sich zunächst dagegen entschieden, weshalb es fünf Jahre gedauert habe, ehe die Einrichtung 2001 in Betrieb gehen konnte. Dabei sei offensichtlich, dass im Westerwald längst die gleichen sozialen Probleme bestünden, wie in den Großstädten. Heute sei die Pro Familia unter der Leitung von Eva Ulrike Martensmeier ein Bestandteil der Heimat, schloss Klöckner.
Claudia Heltemes, Landesgeschäftsführerin der Pro Familia in Mainz, verifizierte die Gründungsproblematik der Beratungsstelle in Hachenburg: Damals wie heute seien die Finanzen das Problem. Daneben ginge es aber auch um Kooperationen mit anderen Institutionen, denn ohne Vernetzung stoße kompetente Beratung schnell an ihre Grenzen. Anfangs hätten sich unter anderem die kirchlichen Wohlfahrtsverbände nur sehr zögerlich auf Gespräche eingelassen. Heltemet vermutet in diesem Verhalten Angst vor Veränderungen, satirisch nach dem kölschen Spruch „Kenne mer net, wolle mer net“. Um eben diese Veränderungen im Zeitgeist zu verdeutlichen zeigte sie zum Thema Sexualpädagogik einen kurzen Aufklärungsfilm aus den 70er Jahren.
Ganz im Zeichen der Vernetzung nahmen die Vertreter mehrerer Organisationen an dem Jubiläum teil, darunter die Westerwälder Kontakt- und Informationsbörse (WEKISS) und die Hachenburger Hilfe für Ruanda.
Gerade in Afrika grassiert der HIV-Virus besonders stark. Dr. Henning Bläsig erläuterte, wie er regelmäßig in Ruanda Hunderten von Frauen die Notwendigkeit zur Verhütung nahelegt. Kein leichtes Uterfangen, wie Bläsig betont. Männer in Ruanda sähen es als Zeichen ihrer Männlichkeit, wenn Frauen nach dem Geschlechtsverkehr schwanger würden, selbst wenn es sich nur um eine rein sexuelle Beziehung handeln würde.
Fazit dieses Tages ist sicherlich, dass die Gesellschaften angesichts von AIDS umdenken müssen, in Zentralafrika ebenso wie im Westerwald. Für die musikalische Untermalung im Cinexx sorgten Felix Brenner und Josef Lahr.
Thomas Sonnenschein
Lokales: Hachenburg & Umgebung
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