Pfarrer Reimund Wirth schätzt die Menschen im Westerwald
Der Wirgeser Pfarrer Raimund Wirth wechselt in die große Darmstädter Paulusgemeinde. Er verabschiedet sich am 12. Februar mit einem Gottesdienst. Im Westerwald hat er das "echte Leben" schätzen gelernt. Er fühlte sich wohl in Wirges, wo er vier Jahre wirkte.
Wirges. Das Herz der Evangelischen Landeskirche mag in ihren Gemeinden schlagen. Ihr Nervenzentrum liegt freilich in Darmstadt. Genauer gesagt: in ihrem Verwaltungszentrum am Paulusplatz. Der Wirgeser Pfarrer Raimund Wirth ist ab März nur einen Steinwurf weit davon entfernt: Er wird Pfarrer der Pauluskirche, einer großen evangelischen Stadtgemeinde, die keine 100 Meter von der Kirchenverwaltung entfernt ist. Und trotz der Nähe zur Zentrale, trotz der beeindruckenden Größe des Gotteshauses, trotz des Wechsels vom Land in die Stadt: Es fühlt sich gut an für den 36-Jährigen.
Fast schon vertraut. Denn aus Wirges nimmt der Pfarrer vieles mit, was ihm in seiner neuen Heimat helfen wird. Im Interview blickt er auf eine wertvolle Zeit im Westerwald zurück, die für ihn mit einem Abschiedsgottesdienst am 12. Februar endet.
Herr Wirth, was bedeutet der Abschied aus Wirges für Sie?
Raimund Wirth: Seit meinem Amtsantritt im Jahr 2008 habe ich in Wirges vieles zu schätzen gelernt. Besonders die Menschen. Es gibt viele gute Kontakte, eine große Solidarität untereinander und eine Kerngemeinde, auf die ich mich immer verlassen konnte und in der ich mich sehr wohlgefühlt habe. Und ich werde dieses spezielle Wirges-Flair vermissen, diese Bodenständigkeit im besten Sinne.
Welchen Einfluss hatte diese Bodenständigkeit denn auf Sie persönlich?
Ich selbst bin eher bildungsbürgerlich geprägt und habe hier gerade für die Verkündigung viel gelernt – etwa dass einfache Dinge nicht künstlich verkompliziert werden sollten. Und dass es auf der anderen Seite aber auch nicht für alles eine einfache Antwort gibt. Ich empfinde den Kontakt zu den Menschen als ein Geben und Nehmen, und er hat mir geholfen, so zu predigen, dass ich – mal mehr, mal weniger – meine Zuhörer auch erreicht habe.
Wie haben Sie sie denn erreicht?
Wenn ich eine Predigt vorbereite, überlege ich nicht: Was wollen die Leute hören. Sondern ich suche nach dem, was mich selbst an einem Bibeltext anspricht. Er muss mich umtreiben, mir etwas geben, mich trösten. Ich habe versucht, den Glauben so zu verkündigen, wie ich ihn lebe und wie ich darüber denke.
Welche Erlebnisse waren für Sie während ihrer Zeit in Wirges am eindrücklichsten?
Sicherlich die Beerdigungsgespräche und die Beerdigungen. Der Tod eines Menschen reißt die Angehörigen oft aus allem heraus, und viele machen sich dann Gedanken über die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Daran Anteil zu nehmen, ist sehr bewegend und eine große Ehre. Etwas ähnliches erlebe ich auch bei Taufen, denn auch Kinder können alles verändern. So etwas ist für mich das echte Leben: Wenn Menschen in intensivem Kontakt zu sich stehen und spüren, was wichtig ist und was zählt.
In Darmstadt erwarten Sie 3000 Gemeindemitglieder, und die Kirche gehört zu den größten der Stadt. Was bedeutet es für Sie, eine so attraktive Stelle antreten zu können? War das Glück? Göttliche Führung?
Natürlich hoffe ich, dass Gott mich im Leben leitet. Wie genau werde ich aber wohl erst im Nachhinein beurteilen können. Ich bin deshalb vorsichtig, allzu schnell von göttlicher Fügung zu sprechen. In meinem Fall hat es eben gut gepasst. Die Stelle in Wirges ist auf vier Jahre befristet und läuft 2012 aus. Die Arbeit in der Paulusgemeinde in Darmstadt bietet mir eine längerfristige Perspektive und ist eine Herausforderung für mich, auf die ich mich freue. Es gibt dort ein gutes Netzwerk von Ehrenamtlichen, die Kirchenmusik spielt eine sehr wichtige Rolle, und die Gemeinde hat eine große Tradition im Bereich der Predigtkultur.
Wie oft mussten Sie sich denn von Ihren Westerwälder Kollegen anhören, dass Sie nun in die "Höhle des Löwen" wechseln?
Den Spruch habe ich in den vergangenen Wochen tatsächlich oft gehört (lacht). Allerdings arbeite ich ja nicht in der Kirchenverwaltung selbst, sondern in einer Gemeinde, die sozusagen zufällig in direkter Nachbarschaft zum Verwaltungszentrum der Landeskirche liegt. Aber ich hatte mit der Kirchenverwaltung bisher keine Probleme.
Wie war Ihr Vorstellungsgottesdienst in Darmstadt?
Ich war natürlich sehr aufgeregt. Aber ich habe mich schnell in den Gottesdienst eingefunden, und dann fühlte es sich fast schon vertraut an, dort zu sein.
Was geben Sie denn Ihrer alten Westerwälder Gemeinde mit auf den Weg, wenn Sie sich demnächst verabschieden?
Die menschenfreundliche und gelassene Art, mit der die Gemeinde den Glauben lebt, mag ich sehr. Ich hoffe, dass sie sich diesen Schatz erhält und wünsche ihr, dass sie in gutem Zusammenhalt unaufgeregt ihren Weg weitergeht. Ich finde es schön, wie die Menschen hier trotz verschiedener Meinungen miteinander verbunden sind und sich zuhören. Diese produktive Toleranz sollte sich die Gemeinde unbedingt bewahren.
Das Gespräch führte Peter Bongard
Zusatz: Der Abschiedsgottesdienst für Raimund Wirth beginnt am 12. Februar um 14 Uhr in der Evangelischen Martin-Luther-Kirche Wirges (Westerwaldstraße 6).
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