Protest: Kein Kot-Tourismus in den Westerwald
Zwei Landwirte im Westerwald wollen mit Hühner-Kot aus den Niederlanden ihre Flächen düngen. Dagegen wehrt sich die Kreisverwaltung und fordert das Umweltministerium dringend zur Entscheidung auf. Die hohe Brisanz des Materials für Mensch, Tier und Umwelt macht große Sorgen. Die Kreisverwaltung ging jetzt an die Öffentlichkeit. Es fehlt noch immer die Entscheidung aus Mainz.
Westerwaldkreis. Die Kreisverwaltung des Westerwaldkreises wehrt sich im Interesse der Seuchenprophylaxe gegen das Verbringen von insgesamt 390 Tonnen unbehandeltem Hühnerkot aus niederländischen Geflügelhaltungen in das Kreisgebiet.
Das trockene Material, im Gesetzesjargon als „Geflügelgülle“ bezeichnet, soll als Dünger auf die Ackerflächen zweier Landwirte in den Verbandsgemeinden Rennerod und Hachenburg ausgebracht werden. Anträge von Firmen aus Norddeutschland, die den Kot in den Westerwald transportieren möchten, liegen dem zuständigen Umweltministerium in Mainz vor.
Aufgrund der geltenden Rechtslage – so räumt man im Kreishaus ein – kann das Vorhaben unter bestimmten Auflagen genehmigt werden, gerade die vorgesehenen Auflagen seien aber ein Beleg für die hohe Brisanz des Materials in seuchenhygienischer Hinsicht. So muss die Gülle unmittelbar nach ihrem Eintreffen in den Boden eingearbeitet werden, zu größeren Geflügelhaltungen (ab 100 Stück Geflügel) ist ein Mindestabstand von 1.000 Meter einzuhalten.
Dr. Helmut Stadtfeld, Veterinärdezernent des Westerwaldkreises, benennt als Risikofaktoren die unkontrollierte Verbreitung von Salmonellen, Clostridium botulinum, Antibiotika-resistenten Darmbakterien sowie insbesondere des Vogelgrippe-Virus (Aviäre Influenza). Im vergangenen Jahr wurden in den Niederlanden drei Influenza-Ausbrüche verzeichnet, über 150.000 Hennen mussten getötet werden.
Durch das Einpflügen werde der Hühnerkot nicht völlig vom Erdboden verschluckt, das Infektionsrisiko für Wildvögel bleibe bestehen und damit auch eine zumindest indirekte Gefährdung der Hausgeflügelbestände.
„Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass infizierte Tiere das gefährliche Vogelgrippe-Virus massiv mit dem Kot ausscheiden, oftmals bereits vor der Seuchenfeststellung“, erklärt der Kreisveterinär. Verantwortungsvolle Geflügelhalter würden sich davor hüten, kleinste Kotpartikel mit den Stiefeln in den Betrieb des Nachbarn zu tragen. Umso unbegreiflicher sei es, wenn tonnenweise Hühnerkot über weite Entfernungen transportiert und in freier Natur verwertet wird.
Neben dem Risiko der Seuchenverschleppung sieht Stadtfeld aber auch ein hygienisches Problem. Die Wetterverhältnisse ließen es nicht in jedem Falle zu, den Kot umgehend in den Ackerboden einzupflügen. Die Fäkalienberge, die erfahrungsgemäß auch Geflügelkadaver enthalten, würden Hunde, Wildschweine und vor allem Fliegen anlocken und könnten einen üblen Gestank nach Ammoniak und Verwesung ausströmen.
Dass der „Kot-Tourismus“ immer weitere Kreise zieht und inzwischen auch den Westerwaldkreis zu erreichen droht, führt die Kreisverwaltung auf die intensive Tierhaltung in den Niederlanden zurück, wodurch die dortigen Böden und in der Folge das Grundwasser bereits stark mit Nitraten, Phosphaten und anderen Schadstoffen belastet sind. Dadurch sei man gezwungen, in Gebiete mit günstigerem Umweltstatus auszuweichen.
Im Rahmen des Anhörungsverfahrens hat der Kreis seine Bedenken sowohl gegenüber dem Antragsteller als auch gegenüber dem Ministerium geltend gemacht. Im Gegensatz zu sechs früheren, gleich gelagerten Fällen, in denen die Anträge jeweils zurückgezogen wurden, möchten die Landwirte aber an ihrem Vorhaben festhalten. Eine abschließende Entscheidung aus Mainz steht noch aus.
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