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Nachricht vom 23.03.2025    

Vor zehn Jahren: Als der Germanwings-Absturz auch den Westerwald involviert

Von Volker Held

Die Zeit vergeht wie im Flug oder, wie in diesem speziellen Fall, sie zieht sich ewig. Die nämlich des Trauerns der Hinterbliebenen der Opfer des Absturzes von Germanwings-Flug 9525 in den französischen Alpen. Vor nunmehr zehn Jahren, am 24. März 2015, sterben alle 150 Menschen an Bord des Airbus A 320, weil der Co-Pilot aus dem Westerwald den Weg der Selbsttötung gegangen ist.

Diese „Sonnenkugel“ kennzeichnet die Absturzstelle in den französischen Alpen. (Foto: Gedenkseite Lufthansa)

Westerwald. Die ersten Eilmeldungen via Radio und Internet machen immens fix die Runde. Sie berichten schon kurz vor 11 Uhr an jenem Dienstag (24. März 2015) über das Verschwinden eines deutschen Passagierflugzeuges von der Radarschirmen der Luftraumüberwachung. Nach und nach konkretisieren sich die Nachrichten. Der Germanwings-Flug 9525 zwischen Barcelona und Düsseldorf wird vermisst. Wenig später ist es traurige Gewissheit. Der Airbus 320 der Lufthansa-Tochter mit dem Kennzeichen D-APIX ist um 10.41 Uhr in den Alpen unweit der kleinen französischen Gemeinden Le Vernet und Prads-Haute-Bléone sowie in schwierig zugänglichem Terrain abgestürzt. Die Berichte erster Augenzeugen, die am Unglücksort eintreffen, bestätigen die Vermutung, dass es keine Überlebenden gibt. Millionen von Einzelteilen unterschiedlichsten Materials und Größe kennzeichnen den Ort des Schreckens. Umgehend wird nach einer Erklärung für den Totalverlust gesucht. Technischer Defekt, Terrorattacke oder schlechte Wetterbedingungen werden als mögliche Gründe genannt – die üblichen „Verdächtigten“ wie bei jedem anderen Crash zu Beginn der Unfalluntersuchung auch. Spekulationen eben. Das Entsetzen ist weltweit groß, auch, weil 16 Schüler und zwei Lehrerinnen einer gymnasialen Klasse aus Haltern am See (Nordrhein-Westfalen) zu den Opfern zählen. Schnell wird in dem riesigen Trümmerfeld einer der beiden Flugschreiber gefunden, von dessen Auswertung sich Experten Informationen zur Ursache des Absturzes erhoffen. Und sie werden nicht enttäuscht. Schon zwei Tage später verkauft der französische Staatsanwalt Brice Robin (Marseille) nach Auswertung des Stimmenrekorders das Nicht-Vorstellbare als Fakt. Der Co-Pilot habe das Flugzeug offenbar gezielt zum Absturz gebracht. Als der Kapitän das Cockpit nach 45 Minuten für einen Gang zur Toilette verlassen habe, habe der Co-Pilot bewusst den Sinkflug eingeleitet, während der Chef an Bord bei seiner Rückkehr von seinem Arbeitsplatz ausgesperrt geblieben sei. Brice geht sogar soweit und buchstabiert auf Nachfrage von Journalisten den Namen des zweiten Mannes in der Kanzel: A-N-D-R-E-A-S L-U-B-I-T-Z.

Eines der ersten Puzzleteile: Montabaur
Rechercheure allerorten beginnen umgehend, das Leben des damals 27-Jährigen zu durchleuchten. Die Wohnorte Montabaur und Düsseldorf sind mit die ersten Puzzleteile, die veröffentlicht werden. Schulbildung, Freizeitgestaltung, ärztliche Befunde und viele Details mehr erblicken das Licht der Welt. Alles wird veröffentlicht, von wegen Datenschutz. Immer wieder fällt das Wort Depression. Aufgrund von Sehstörungen und der Furcht zu erblinden, sucht Lubitz in den fünf Jahren vor dem Absturz insgesamt 41 Ärzte auf. Einige Mediziner beschreiben den Patienten als labil und nicht flugtauglich oder stellen Angststörungen fest. Weitergegeben werden Informationen dieser Couleur aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht. Es entbrennt eine Diskussion um die Sicherheit in Cockpits, zu denen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 der Zugang schon erheblich erschwert worden ist. Die französische Untersuchungsbehörde BEA veröffentlicht ihren Abschlussbericht im März 2016 und bestätigt die Theorie des Zwischenberichts, nach der Lubitz sich im Cockpit eingeschlossen und das Flugzeug bewusst und absichtlich zum Absturz gebracht habe. Er habe zum Zeitpunkt des Absturzes Antidepressiva eingenommen und unter einem psychotischen Schub gelitten. Ein Arzt diagnostiziert zwei Wochen vor dem Absturz eine mögliche Psychose bei Lubitz und empfiehlt die Einweisung in eine psychiatrische Klinik. Das Haus der Familie in Montabaur wird über viele Tage von Medienvertretern aus der ganzen Welt belagert. Noch immer versucht Vater Günter Lubitz mit Unterstützern, andere Ursachen für den Absturz des Airbus zu beweisen. Eine Extra-Homepage ist ansteuerbar, sofort aber ploppt ein Hinweis auf: „Für Presseanfragen jeglicher Art stehen wir aktuell nicht zur Verfügung. Vielen Dank für Ihr Verständnis.“

„Hanebüchene Theorien“
Nach wie vor kursieren Gerüchte, dass das Flugzeug aufgrund anderer Faktoren abgestürzt sein könnte. Gegenüber dem SWR erklärt Patrick Huber, österreichischer Journalist und Autor seines aktuellen Buchs „Germanwings Flug 9525 - Absturz in den französischen Alpen": „Da gibt es Unzählige im Internet. Etwa ganz hanebüchene Theorien, dass das Flugzeug von einem Kampfjet abgeschossen wurde. Oder dass das Flugzeug versehentlich von einer neuartigen Laserwaffe getroffen wurde, die die US-Armee im Mittelmeer getestet habe. Eine zentrale Theorie ist aber, dass es im Flugzeug einen technischen Defekt gegeben haben soll. Und dass der Co-Pilot Andreas Lubitz zufällig in dem Moment handlungsunfähig bzw. bewusstlos geworden sein soll. Und dass auch ganz zufällig noch das Keypad zur Eingabe des Notfallcodes vor der Cockpittür defekt gewesen sein soll, weswegen der Kapitän nicht wieder zurück ins Cockpit konnte. Dafür gibt es aber keinen einzigen Beweis in den Wartungsunterlagen des Flugzeuges. Eine Abwandlung dieser Theorie unterstellt sogar, dass gar nicht Andreas Lubitz, sondern der Kapitän im Cockpit gewesen sei. Eine perfide Täter-Opfer-Umkehr. Das habe dann zum Absturz geführt. Diese Theorie vom technischen Problem als Auslöser des Sinkfluges wird zurzeit wieder stark verbreitet.“ Warum nach wie vor keine Ruhe gegeben wird, begründet Huber ebenfalls: „Manche wollen sich einfach nur wichtigmachen, sie erhoffen sich dadurch Aufmerksamkeit. Andere hingegen sind überzeugt davon, dass sie es tatsächlich einfach besser wissen als alle anderen Experten, wie offizielle Flugunfallermittler, die den Fall bis ins kleinste Detail untersucht haben. Für manche ist es auch so unfassbar, dass Andreas Lubitz das Flugzeug absichtlich gegen den Berg geflogen hat, dass sie nach einer anderen Erklärung für den Absturz suchen, an die sie glauben können.“

„Sonnenkugel“ als Erinnerung
Die Erinnerung an das fatale Ereignis wird auch in den französischen Alpen hochgehalten, in Le Vernet am zweiten Jahrestag der Tragödie und in der Nähe der Unfallstelle eine Skulptur des Bildhauers Jürgen Batscheider präsentiert. Die „Sonnenkugel“ als Symbol des Lebens hat einen Durchmesser von fünf Metern, besteht an ihrer Außenfläche aus 149 Elementen aus vergoldetem Aluminium und enthält in ihrem Inneren einen kristallförmigen Zylinder aus Edelstahl. Darin befinden sich Holzkugeln, die der Aufbewahrung von Erinnerungsstücken an die Opfer dienen. Die Skulptur, in den Bergen im September 2017 installiert, ist von einer Plattform (Blickrichtung Bergmassiv) aus sichtbar, die die Lufthansa bereits 2016 errichten lässt. Die Unfallstelle selbst bleibt aber dauerhaft gesperrt. In Le Vernet erhält ein Gedenkstein mit der Aufschrift „In Erinnerung an die Opfer des Flugzeugunglücks vom 24. März 2015“ in den vier Sprachen Englisch, Deutsch, Spanisch und Französisch einen Platz. Auf dem Friedhof des Ortes werden die sterblichen Überreste, die keinem der Opfer eindeutig zugeordnet werden können, in einem Gemeinschaftsgrab beigesetzt.



Mögliche Beispiele für Pilotensuizid
Ein Pilotensuizid ist laut Wikipedia ein Suizid, bei dem ein Pilot gezielt einen Flugunfall herbeiführt, um sich selbst zu töten. Die meisten Suizide werden mit kleineren Flugzeugen durchgeführt, es sind aber auch Fälle bekannt, bei denen Passagiermaschinen absichtlich zum Absturz gebracht und dadurch Flugreisende getötet werden. Solche Fälle werden mitunter auch als erweiterter Suizid oder Mitnahmesuizid bezeichnet oder, in Analogie zum Amoklauf, auch Amokflug. Beispiele - 9. Februar 1982: Japan-Air-Lines Flug 350 einer Douglas-DC 8 mit 174 Menschen an Bord, 24 sterben; 21. August 1994: Royal-Air-Marcoc-Flug 630 einer ATR 42 mit 44 Menschen an Bord, alle sterben; 19. Dezember 1997: Silk-Air-Flug 185 einer Boeing 737 mit 104 Menschen an Bord, alle sterben; 31. Oktober 1999: Egypt-Air-Flug 990 einer Boeing 767 mit 217 Menschen an Bord, alle sterben; 29. November 2013: Linhas-Aéreas-de-Mocambique-Flug 470 einer Embraer 190 mit 33 Menschen an Bord, alle sterben. Noch nicht gelöst ist das Rätsel um Malaysia-Airlines-Flug MH 370. Die Boeing 777 gilt seit 8. März 2014 als verschollen, die 239 Menschen an Bord sind für tot erklärt worden.

Auch Lufthansa nicht unfallfrei
Im internationalen Vergleich gelten Lufthansa und die Konzerntöchter als sichere Airlines. Dennoch registrieren Bilanzen auch Totalverluste mit toten Passagieren schon vor dem Absturz des Germanwings-Airbus. „Aero international“, das nach eigenen Angaben führende Fachmagazin für die deutsche Luftfahrtbranche, fasst zusammen - Januar 1959: 36 Tote beim Absturz einer Super Constellation in der Bucht von Rio der Janeiro (Brasilien); Dezember 1961: 3 Tote beim Absturz während des Testfluges einer Boeing 720 B südlich von Mainz; Juli 1964: 3 Tote beim Absturz während des Übungsfluges einer Boeing 720 B nahe Petersdorf (Bayern); Januar 1966: 46 Tote beim Absturz einer Convair 440 Metropolitan am Flughafen Bremen; Dezember 1973: 3 Tote beim Absturz einer Boeing 707 beim Landeanflug auf Neu Delhi (Indien); November 1974: 59 Tote beim Absturz eines Boeing 747 Jumbo Jet kurz nach dem Start vom Flughafen Nairobi (Kenia); Juli 1979: 3 Tote beim Absturz einer Boeing 707 an einem Berg nahe Rio de Janeiro (Brasilien); Januar 1988: 16 Tote beim Absturz einer Boeing 737 der damaligen Tochter Condor bei Izmir (Türkei); Januar 1993: 4 Tote beim Absturz einer im Auftrag der Lufthansa fliegenden Dash 8-300 der Contact Air vor der Landebahn des Pariser Flughafens Charles de Gaulle; September 1993: 2 Tote beim Absturz eines Lufthansa-Airbus A 320 bei der Landung in Warschau (Polen); Juli 1999: 5 Tote beim Absturz eines Flugzeugs der Tochter Cargo India nach dem Start von Kathmandu (Nepal). (vh)



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