Mehr als 1000 Drogendelikte im Westerwaldkreis
Wer glaubt, dass es in den ländlichen Regionen drogenfrei zugeht und die modernen Designer-Drogen mit verheerenden Folgen für die Nutzer nur Berlin oder Frankfurt zuzuordnen sind, irrt. Im Westerwaldkreis gibt es alle harten Drogen. Das Forum für soziale Gerechtigkeit hatte in die Kliniken Wied eingeladen, um das Thema Drogen- und Suchtproblematik zu diskutieren, und für eine bessere Vernetzung der Hilfsangebote sowie für mehr Zusammenarbeit zu werben.
Westerwaldkreis. Es war ein Abend so ganz nach den Vorstellungen des Forums Soziale Gerechtigkeit: Betroffene und Fachleute diskutieren mit Vertretern von Verbänden und Politik sowie vielen weiteren Interessierten ein drängendes sozialpolitisches Thema. Und das in angenehmer und sachlicher Atmosphäre. Dabei ging es in den Kliniken Wied um ein überaus ernstes und im Westerwald oft verdrängtes Thema: Die Gefahren der Drogensucht! Wie ernst, zeigt eine neue Untersuchung, nach der jedes 5. Kind in einem drogen- und suchtbelasteten Elternhaus aufwächst.
Der Ort für diese öffentliche Veranstaltung des Forum Soziale Gerechtigkeit hätte mit den "Kliniken Wied" bei Hachenburg nicht besser gewählt werden können. Die Einrichtung bietet an zwei Standorten 214 Therapieplätze zur Behandlung von Abhängigkeitsstörungen und damit verbundenen psychosomatischen und körperlichen Erkrankungen. Wie wichtig die Kliniken auch für die Region sind, zeigt die Tatsache, dass ein großer Teil der jährlich 900 Patientinnen und Patienten aus dem Westerwald kommt.
Prof. Dr. Wilma Funke stellte als therapeutische Leiterin der Kliniken deren umfassendes Therapieangebot von psychosozialer Therapie bis zu Arbeits- und Sporttherapie, Ernährungsberatung und begleitender klinischer Sozialarbeit vor. „Die Vernetzung in der Region ist zudem ein wichtiger Hilfebestandteil für unsere Patienten“, so Dr. Funke. Bei einem Rundgang konnten sich die zahlreichen Gäste dann von den Rahmenbedingungen, der herrlichen Lage und den vielfältigen Freizeitmöglichkeiten überzeugen.
„Alle Drogen, die in einer Großstadt zu bekommen sind, gibt es auch im Westerwald“. Mit dieser Feststellung macht Reiner Kuhmann, langjähriger Drogenberater beim Diakonischen Werk in Westerburg, schon am Anfang seines Vortrages klar, dass dies im Westerwaldkreis kein Randproblem ist. Er hat es als Berater mit jährlich etwa 2.500 meist jungen Menschen zu tun, die Kontakt zu Drogen haben. Nach seiner Ansicht haben sich die Folgen des Konsums verschlimmert, da beispielsweise Cannabisprodukte heute einen höheren Wirkstoffgehalt haben. Auch berichtete er davon, dass Mädchen verstärkt zu Amphetaminen greifen, da sich diese nebenbei „positiv“ auf die Figur auswirken.
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Auch aus der Kriminalitätsstatistik zitierte Kuhmann: es gab 2011 im Kreis vier Drogentote und 1.039 Rauschgiftdelikte. Außerdem wurde 301 Fahrern wegen Drogen im Straßenverkehr die rote Karte gezeigt. Der erfahrene Berater sieht im engen Zusammenwirken von Beratungsstellen, klinischer Therapie und Selbsthilfe einen wichtigen Ansatz.
Aus dem Mainzer Sozial- und Gesundheitsministerium war Staatssekretärin Jacqueline Kraege nach Wied gekommen. „Veranstaltungen wie die heutige tragen in hohem Maße dazu bei, dem Thema Drogen- und Alkoholsucht in der Region einen höheren Stellenwert zu geben und die Zusammenarbeit der Akteure vor Ort zu verbessern“, so der Gast aus der Landeshauptstadt. Ihr besonderer Dank galt den im Haus und der Region tätigen Selbsthilfegruppen.
Mit dem „Freundeskreis Westerwald“ brachte eine davon wichtige Erfahrungen und Anregungen in das Gespräch ein. „Schon im Kindergarten sollte darauf geachtet werden, dass Feiern alkoholfrei durchgeführt werden“, so eine Angehörige des Freundeskreises.
„Besonders in der Drogen- und Suchtpolitik ist es wichtig, aufeinander zuzugehen und gemeinsame Probleme und Lösungen zu erkennen“, so der Sprecher des Forum Soziale Gerechtigkeit, Uli Schmidt (Horbach). Er dankte allen Beteiligten und äußerte die Hoffnung, dass die fast dreistündige Veranstaltung ein wichtiger Impuls in diese Richtung war.
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