Die "Königin" tanzt nach Klaus Schnugs Pfeife
Seit 45 Jahren ist das Selterser Urgestein Klaus Schnug Organist in der Evangelische Kirche. Er kann viel erzählen aus dieser langen Zeit und ans Aufhören denkt der 63-Jährige noch lange nicht. Er hat einen Traum, den er realisieren will.
Selters. Wenn jemand in den späten Sechzigern zu Klaus Schnug gesagt hätte, dass er seiner Organistenstelle in Selters 45 Jahre lang treu bleibt, hätte Schnug ihn für verrückt erklärt. Denn als 18-Jähriger konnte er es sich nie und nimmer vorstellen, dass ihn die „Königin der Instrumente“ der Evangelischen Kirche fast sein ganzes Leben lang begleitet. Aber da das Leben selten nach einer festen Partitur spielt, sondern oft munter improvisiert, ist der heute 63-Jährige seiner Dienststelle länger treu geblieben als gedacht.
Denn als Jugendlicher will Klaus Schnug gar nicht Orgel, sondern Saxophon spielen. „Aber als mir gesagt wurde, dass ich dafür erst Klarinette lernen müsste, hab ich's dann doch gelassen.“ Der Mann ist eben Pragmatiker. Eher Realist als Träumer; einer, der das Leben so nimmt, wie es kommt. 1958 schenkt ihm das Leben ein Klavier. Seine Mutter hatte sich geschworen, dass ihr Junge mal ein Instrument lernen sollte, weil sie dazu nie eine Gelegenheit hatte. Klaus Schnugs Begeisterung hält sich in Grenzen. „Im Klavierunterricht wurde eben Klassik gespielt. Dabei hätte ich auch gerne mal Sachen ausprobiert, die in dieser Zeit angesagt waren.“ Doch für Beat und Rock 'n' Roll ist im Unterricht zwischen Beethoven und Rachmaninov kein Platz. Nach drei Jahren hat Klaus Schnug keine Lust mehr aufs Klavier und ist kurz davor aufzugeben.
Doch dann lernt er seinen künftigen Lehrer Ernst Sayn kennen, der ihn die Tricks der Harmonielehre beibringt – ein Türöffner in eine neue musikalische Welt.
„Endlich war ich in der Lage, Stücke aus dem Radio nach zuspielen“, erzählt Schnug von seiner wiederentdeckten Freunde an der Musik. Eine Freude, die auch dem damaligen Selterser Pfarrer Rollbühler nicht verborgen bleibt. Er möchte den Jungen als Organisten engagieren und überzeugt ihn, an einem dreimonatigem Intensivkurs beim damaligen Kantor Altmann teilzunehmen.
„In dieser Zeit musste ich knallhart üben“, erzählt Klaus Schnug. Aber die Plackerei hat sich gelohnt, denn am 24. Dezember 1964 spielt er zum ersten Mal in einem Gottesdienst, der prompt in die Hose geht. „Ich habe ,Ich steh' an deiner Krippen hier' zu schnell begonnen und musste dann mittendrin aufhören zu spielen. An diesen Moment muss ich immer noch denken, wenn ich das Stück vor mir habe“, erzählt er.
Mittlerweile kann er darüber lächeln. Denn auch dadurch lässt sich der Pragmatiker nicht aus der Ruhe bringen und tritt als 18-Jähriger seine Festanstellung in der Selterser Kirchengemeinde an. „Obwohl mir die Entscheidung gar nicht so leicht gefallen ist. Schließlich bedeutete das, dass ich an allen Sonn- und Feiertagen ran musste.“ Doch Schnug sagt trotzdem ja – und hält der Stelle Jahrzehntelang die Treue. Hätte er sich damals dagegen entschieden, könnte er heute wahrscheinlich weitaus weniger Anekdoten zum Besten geben, die sich seit 1967 angesammelt haben. Etwa über seinen Gottesdienst am Morgen nach der Selterser Kirmes, in dem er den Pfarrer nur als verschwommene Silhouette von der Orgelbank aus erkennen konnte. Oder an die Goldene Hochzeit irgendwann in den 1980ern, die nicht nur er, sondern auch der Pfarrer vergessen hatten.
„Einmal habe ich in meinem jugendlichem Übermut sogar den Popsong „Early Bird“ von Andre Brasseur auf der Maxsainer Orgel gespielt – etwas, was damals noch undenkbar war. Als ich fertig war, kam der Küster auf die Empore gestürmt. Ich dachte, dass er mir den Kopf abreißt. Aber er war ganz begeistert und sagte: ,Junge, das war Spitzenklasse!'“
Aus seiner Sturm-und-Drang-Phase ist Klaus Schnug mittlerweile herausgewachsen. Nach 45 Jahren als Organist weiß er, dass es letztlich auf Zuverlässigkeit ankommt. Und dass man nicht nur das Leben, sondern auch sein Instrument so nehmen sollte, wie es ist. „Ich hätte zwar ganz gerne ein zweites Manual, also eine zweite Tastatur an der Selterser Orgel, aber das ist aus technischen Gründen nun mal nicht machbar...“
Einen Traum will sich Klaus Schnug während seiner Organistentätigkeit aber trotzdem noch erfüllen. Er möchte irgendwann einmal die Bach'sche Toccata und Fuge in d-Moll spielen können, jenen Superhit der Orgelliteratur. Vielleicht klappt's ja zum ganz großen Dienstjubiläum in fünf Jahren. „Wenn es nach mir geht, mache ich so lange noch weiter“, sagt er. „Aber wer weiß schon, wie das Leben spielt.“ (bon)
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