Weltmusikreihe entführte in ungewöhnliche Klangwelten
Die Leidenschaft des Balkans vereint mit der Sehnsucht mongolischer Nomaden in der Musik mit zum Teil ungewöhnlichen Instrumenten begeisterte die Zuhörer in der evanglischen Kirche in Höhr-Grenzhausen. "Violons Barabares" erhielt frenetischen Applaus.
Höhr-Grenzhausen. Es zeugt von außergewöhnlichem musikalischem Können, wenn Künstler aus unterschiedlichen Traditionen gemeinsam etwas Neues kreieren, selbst wenn sie weit entfernten Kulturkreisen am anderen Ende der Welt angehören. Die Westerwälder Weltmusikreihe „Musik in alten Dorfkirchen“ im Rahmen des Kultursommers Rheinland-Pfalz präsentierte jetzt mit den "Violons Barbares" ein Trio, das sich dieses Prädikat „außergewöhnlich“ mehr als verdiente.
Trotz Urlaubszeit waren dazu viele Weltmusikfans in die voll besetzte Evangelische Kirche nach Höhr-Grenzhausen gekommen. Es mussten sogar noch zahlreiche Klappstühle aufgestellt werden um genug Sitzmöglichkeiten zu schaffen. Für die Evangelische Kirchengemeinde begrüßte Dr. Hartwig von Vietsch die Gäste. Er dankte der Kleinkunstbühne Mons Tabor e.V. als Veranstalter für die in jedem Jahr in Höhr-Grenzhausen gebotenen oft überwältigenden Musikerlebnisse. Uli Schmidt dankte als Vorsitzender der Kleinkunstbühne der Kreissparkasse Westerwald und der Kevag für die Unterstützung der gesamten Konzertreihe. Er lud alle Folkfans zum 22. Westerwälder Kleinkunstfestivals „Folk & Fools“ am 24. November nach Montabaur ein, bei dem mit der Gruppe Flairck aus Holland einer der derzeit weltbesten Folkgruppen auf der Bühne der Stadthalle stehen wird.
Dann erlebten die Konzertbesucherinnen und –besucher furiose Weltmusik der "Violons Barbares" auf allerhöchstem Niveau. Gegenseitiges Zuhören und die Offenheit, sich auf fremde Melodien oder Rhythmen einzulassen, führen bei dem Trio zu einer überzeugenden und bisher in dieser Perfektion kaum gehörten Stilfusion.
Für Epi Enkhjargal Dandarvaanchig (Mongolei) gehört eine grundsätzliche Aufgeschlossenheit zum Alltag. Aufgewachsen in einer Nomadenfamilie, studierte er Gesang und traditionelle Pferdekopfgeige am Konservatorium in Ulan Bator. Seit Jahren sucht er den Austausch mit Musikern anderer Genres.
In dem filigranen Trio Violons Barbares entwickelt Enkhjargal mit Dimitar Gougov (Bulgarien) und Fabien Guyot (Frankreich) eine energiegeladene, einzigartige und im Westerwald bisher kaum einmal erlebte Spielfreude. Ihr in Höhr-Grenzsausen gezeigtes Vergnügen, das von humorigen Ansagen bis zu lautmalerischen Passagen reichte, täuscht beinahe über die Virtuosität der drei Musikerpersönlichkeiten hinweg.
So zauberte Gougov auf der bulgarischen Geige Gadulka souverän zwischen Sensibilität, Imaginationskraft und sich selbst beflügelndem Überschwang. Seine Klangfülle rührt aus 14 Saiten, von denen die meisten Resonanzsaiten sind. Der Osteuropäer hatte für die Konzertgäste im Westerwald auch einige kleine Geschichten aus der Heimat parat, mit denen er so manche Liebeslieder bereicherte. Dabei ergänzte er spontan den deutschen Wortschatz um die neue Wortschöpfung "unenttäuscht".
Präsent, aber nicht aufdringlich, wirbelte der Franzose Fabien Guyot mit Händen, Besen oder Filzklöppeln über Becken, Rahmen-, Röhren- und Basstrommel, Bongos und umgedrehte Metallschüsseln. Wie seine beiden Partner spielt Guyot mit dynamischen Wechseln, konzentriert sich mal auf ein Solo, beispielsweise mit einer wassergefüllten Blech-Kalebasse, oder entfacht infizierende Treibsätze, die Enkjargal und Gougov immer wieder zu rasanten Verdichtungen aufstacheln.
Neben temporeichen und komplexen Stücken mongolischen, bulgarischen oder georgischen Ursprungs hatte das Trio auch einige Balladen mit in den Westerwald gebracht. Darunter ein atmosphärisch-episches Solo von Enkhjargal, in dem er von tiefgrummelndem Kehlkopf- zu mystisch-schwirrendem Obertongesang wechselt. In anderen raffinierten Arrangements verschlingen sich Melodien der Gadulka mit charakteristischen Phrasen der Pferdekopfgeige Morin Khuur, scheinen Leidenschaft des Balkans und Sehnsucht mongolischer Nomaden vom selben Schlag zu sein. Beide lieben gleichermaßen Überschwang und Ekstase, nehmen ihre Musik, aber nicht sich selbst übermäßig ernst.
Leider warteten am Konzertende einige Fans vergebens auf die Interpretation des Rockklassikers „Purple haze“ von Jimi Hendrix. Die Version der Violons Barbares hätte sicher auch den leider früh verstorbenen „Gitarrengott“ von der Kirchenbank gerissen! Aber auch so freuten sich alle nach mehreren frenetisch beklatschten Zugaben über eine eindrückliche Musik einer ungewöhnlichen Formation. Diese wurde als eher feinsinnig und weniger barbarisch erlebt, wie es der Name des Trios vermuten ließ.
Musikalische Gäste aus dem Orient werden beim nächsten Konzert von Musik in alten Dorfkirchen am 19. Ausgust in der evangelischen Kirche in Nordhofen erwartet. Das "Mikail Aslan Ensemble" präsentiert zazakisch-kurdische Weltmusik aus dem Osten Anatoliens. Die Konzerte der Band aus der Türkei werden oft von vielen Kurden besucht, gelten die Musiker doch als Stimme ihres Volkes und sind Symbolfigur kurdisch-alevitischer Kultur. Das Konzert verspricht ein ganz außergewöhnliches Erlebnis kultureller Identität zu werden.
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