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Nachricht vom 23.08.2012    

Nach 50 Jahren einen Lebenstraum erfüllt

Viktor und Frieda Engel schlossen vor 50 Jahren in einem Standesamt die Ehe. Eine kirchliche Trauung im fernen Russland war 1962 nicht möglich und verpönt. Aber ihr Lebenstraum, auch kirchlich zu heiraten, wurde jetzt erfüllt.

Frieda und Viktor Engel erfüllten sich nach 50 Jahren einen Herzenswunsch. Foto: Peter Bongard

Herschbach. Wie ein frisch vermähltes Pärchen wirken Frieda und Viktor Engel nicht. Obwohl ihre Hochzeit in der Herschbacher Andreaskirche erst ein paar Wochen zurückliegt, halten sie kein Händchen oder werfen sich diese verliebten Blicke zu. Und als die Gemeindeleiterin nach der Trauung meint, dass Viktor seine Braut nun küssen darf, lächeln beide nur verlegen.

Frieda und Viktor sind eben keine 20 mehr. Ihre Ehe auch nicht. Denn vor Vater Staat sind sie schon seit 50 Jahren vermählt. Vor ihrem Vater im Himmel haben sich die beiden erst jetzt das Ja-Wort gegeben – und sich damit einen Lebenswunsch erfüllt.
Denn dort, wo Frieda und Viktor Engel herkommen, war die Kirche verpönt. Die beiden sind das, was man hier „Russland-Deutsche“ nennt und kommen in der Ukraine zur Welt. In den 1940ern treibt sie der Krieg in den Ural, jene mächtige Gebirgsregion am Rande Europas. Erst 15 Jahre später lernen sich Frieda und Viktor dort kennen und lieben.

Frieda Engel hat damals noch eine andere Liebe: ihren Glauben. Viktor will davon als junger Mann nichts wissen. „In unserer Familie war das Thema aber immer sehr wichtig“, erinnert sich Frieda Engel. „Damals standen wir unter Beobachtung: Während der Gottesdienste saßen Spitzel in der Gemeinde, und einmal hat die Polizei unsere Familienbibel beschlagnahmt. Danach hat sich meine Mutter eine Heilige Schrift ausgeliehen und sich Verse abgeschrieben, die wir dann auswendig lernen mussten.“
Doch nicht nur der Staat lehnt den christlichen Glauben ab. „Wir hätten uns niemals getraut, kirchlich zu heiraten. Uns hätten alle ausgelacht“, sagt Frieda Engel. Sie spricht leise und hastig. Fast so, als dürfe sie niemand hören. Die Erinnerungen an ihre Jugend und die Repressalien bewegen sie eben noch heute. Und sie hat nach wie vor ein seltsames Gefühl, wenn sie an ihre alte Heimat denkt. Denn seitdem sie und ihr Mann 1990 nach Deutschland gekommen sind, waren sie nicht ein einziges Mal in Russland. „Ich habe immer noch Angst, wenn ich an das Land denke. Dieser Vertrauensverlust sitzt tief“, sagt sie.

An ihre Hochzeit 1962 in Orsk erinnert sie sich trotzdem gerne. Denn ein derartig rauschendes Fest haben die Engels seitdem nicht mehr erlebt. „Es gab viel deutsche Musik; fast alle aus unserer Verwandtschaft spielten irgendein Instrument, und jeder hat getanzt“, schwärmt die 73-Jährige. Trotzdem bleibt ihr Herzenswunsch unerfüllt. Denn ihrem Mann ist die kirchliche Trauung – geschweige denn der Glaube – damals völlig egal. „Du kannst ja ruhig für mich beten“, sagt er damals zu ihr, womit die Sache für ihn erledigt ist. Frieda Engel nimmt ihn beim Wort.

Vor fünf Jahren erleidet Viktor Engel einen Schlaganfall. Die Ärzte geben ihm damals noch wenige Wochen. Heute ist er 74 und lebt noch immer. Die Bewegungen fallen ihm zwar schwer, und das Gehen ist ein Kraftakt. Aber er lebt. Und er lässt sich taufen. Im selben Gottesdienst, indem er seiner Frieda nach 50 Jahren auch vor Gott das Ja-Wort gibt.
Nach dieser Trauung feiern die Engels noch einmal ein Fest. Kein rauschendes wie 1962 in Orsk mit Musik und Küsschen. Aber ein schönes. Nicht nur, weil viele Verwandte da sind; die Kinder, die Enkel, sogar die Urenkel. Sondern auch, weil nach 50 Jahren ein Wunsch in Erfüllung gegangen ist. (bon)


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