Schwer verdauliche Kost im Keramikmuseum
Die Westerwälder Frauen-Union und die Gleichstellungsbeauftragte des Westerwaldkreises hatten zum Vortrag zum Thema Nahrungsmittel - Spekulationen - Landwirtschaft - das komplexe System der Nahrungsindustrie eingeladen. Und es gab vom früheren Journalisten Joachim Türk schwer verdauliche Fakten.
Höhr-Grenzhausen/Westerwaldkreis. "Kaufen Sie Lebensmittel aus der Region, unterstützen Sie Initiativen wie „Kräuterwind“ und essen Sie nichts, was mit dem Flugzeug angeliefert wird" – dieser Appell stand am Ende einer anderthalbstündigen Gewalttour durch die Welt der Brotvernichter, Spekulanten und Essensfälscher. Es gab konkrete Tipps, wie man den Hunger bekämpfen und dem Diktat der Lebensmittel- und Agrargiganten entkommen kann.
Das brandaktuelle Thema war von der Westerwälder Frauen-Union und der Gleichstellungsstelle des Westerwaldkreises auf die Tagesordnung gesetzt worden. Joachim Türk, als Journalist seit Jahren mit Fragen der Ernährung der Welt befasst, lieferte in 90 Minuten die Fakten.
Staunend und zum Teil erschüttert reagierten mehr als 60 Zuhörerinnen und Zuhörer im Keramikmuseum Höhr-Grenzhausen auf die Berichte aus dem komplexen System der globalen Nahrungsindustrie und die vielfältigen Zusammenhänge zwischen Landwirtschaft, Handel und Spekulation.
Ackerflächen von der Größe ganzer Staaten wechseln zurzeit den Besitzer – Länder wie China wollen damit ihre Ernährung sichern, Spekulanten große Geschäfte machen. Das trifft nicht nur Asien, Afrika und Lateinamerika, sondern auch Deutschland. Mit Sorge beobachten unsere Bauern, wie branchenfremde Investoren gewaltige Ackerflächen kaufen oder zu hohen Preisen pachten, um ins Geschäft mit Biogas einzusteigen – statt Kartoffeln und Weizen für den Teller wird dann Mais und Raps für die Stromerzeugung angepflanzt.
Solche Fehlentwicklungen könnten die Politiker korrigieren, andere Probleme haben alle als Kunden selbst in der Hand: Eine deutsche Durchschnittsfamilie wirft im Jahr Essen für 1000 Euro in die Mülltonne – ein Drittel der Lebensmittel, die gepflanzt, bewässert, geerntet und transportiert worden sind, werden weggeschmissen.
Darunter auch Nahrungsmittel aus Ländern, deren Bewohner weder ausreichend Nahrung noch sauberes Trinkwasser haben. So liegt es häufig an den eigenen Kaufentscheidungen, den Hunger in der Welt zu bekämpfen. Überfluss und Fettleibigkeit sind die Kehrseite der Mangelernährung.
Das ist verbunden mit der Frage nach gesunder Ernährung. Nicht alles, was zum Beispiel nach Erdbeeren schmeckt, enthält diese Früchte – häufig wird der Geschmack stattdessen aus Sägespänen gewonnen. Es lohnt sich also, die Liste der Inhaltsstoffe genau zu lesen und möglichst nichts zu essen, was sich nicht klar deklarieren lässt – so entgeht man auch Pferdefleisch in der Lasagne. Am besten jene Produkte frisch aus der Region kaufen, die auch die Großmutter zubereiten konnte. Und vor allem: selbst kochen.
Am Ende eines spannenden Abends mit schwer verdaulichen Fakten stand die Erkenntnis, dass jeder etwas dazu beitragen kann, den Einfluss der Industriegiganten und Spekulanten zu verkleinern – und der eigenen Gesundheit zu dienen.
Marion Krätz, gerade wiedergewählte Vorsitzende der Frauen-Union, bedankte sich für den hervorragenden Vortrag – mit regionalen Leckerbissen. Das Thema werde in der Union vertieft, versprach sie, der Abend im Keramikmuseum trägt Früchte in der politischen Diskussion.
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